Verhaftungen in der Türkei | 3.000 Geflüchtete | Gastkommentar Tanja Gabriele Baudson: March for Science | Bildungsatlas

 
Wenn dieser Newsletter nicht richtig angezeigt wird, klicken Sie bitte hier.
 
   
 
 
 
 
 
   
 
Liebe Leserinnen und Leser,
es ist March for Science-Woche. Hingehen oder nicht? Ach was, die richtige Frage lautet: Was zum Teufel schreiben komplexitätsliebende Wissenschaftler auf ihr Plakat? Wir haben Armin Nassehi (LMU München), Jule Specht (HU Berlin) und Stefan Wegner (Scholz & Friends) um Vorschläge gebeten – zu lesen in der neuen ZEIT. Und wer nochmal wissen will, worum es überhaupt geht, lese Tanja Gabriele Baudsons heutigen Gastkommentar. Was genau am Samstag wo passiert, finden Sie unter www.marchforscience.de. Und wenn Sie uns tolle Fotos von Ihrer Demo, ihrer Diskussionsrunde, Ihrem Plakat schicken – an chancen-brief@zeit.de – veröffentlichen wir diese am Montag im c.t.
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Erneut Verhaftungen in der Türkei
Universitäten sind in der Türkei schon lange keine Orte des freien Diskurses mehr. Das zeigt sich jetzt an einer erneuten Verhaftungswelle, und zwar an der Bogaziçi-Universität in Istanbul. Die staatliche Elite-Uni galt, so formuliert es der Tagesspiegel, lange als „eine der letzten Bastionen der intellektuellen Entfaltung ohne Angst vor Repressalien“. Seit vergangenem Monat aber steht die Hochschule unter Beobachtung; Polizisten observieren – und haben 23 Studierende verhaftet. Sie hatten sich in einer Aktion mit dem nordsyrischen Afrin und den dort im Rahmen der türkischen Militäroperation gefallenen Kriegsopfern solidarisiert. Staatspräsident Erdogan bezeichnete die Studierenden als „kommunistische, verräterische Terroristen […] Wir werden sie finden und ihnen das Recht nehmen zu studieren.“ In der Financial Times äußert sich ein Professor der Bogaziçi-Uni: „‚We are very proud of the institution and we try to protect it from outside intervention‘, said one senior professor. ‚But now I don’t know what the future will hold.‘“
  
 
 
Integration von Geflüchteten
Die Integration von Geflüchteten an den deutschen Hochschulen läuft wie erwartet, vermeldet die HRK. Diese Einschätzung beruht nicht auf einer statistischen Erhebung, da ein möglicher Flüchtlingsstatus der Studierenden nicht bei den Hochschulen hinterlegt wird. Der Befragung zufolge hat sich die Zahl der Immatrikulationen für BA, MA oder Promotion seit dem letzten Wintersemester auf 3.000 fast verdreifacht; 20 bis 25 Prozent von ihnen sind weiblich. HRK-Präsident Horst Hippler betonte die Bedeutung der gezielten Studienberatung, um nicht nur beim Eintritt in den richtigen Studiengang, sondern etwa auch bei der Wohnungssuche behilflich zu sein. Über die Aufnahme von Geflüchteten an hiesigen Hochschulen, überhaupt die deutsche Internationalisierungspolitik und die Kritik an selbiger durch die AfD, berichtet übrigens aktuell University World News.
  
 
 
Worüber berichten Wissenschaftsjournalisten?
Auf welchem Stand ist der derzeit der deutsche Wissenschaftsjournalismus? Welche Medien berichten über welche Forschungsthemen, und wie nah dran sind sie damit an dem, was die Scientific Community in ihren jeweiligen Fachzeitschriften und Preprint-Servern de facto gerade diskutiert? Volker Stollorz, Redaktionsleiter des Science Media Center, schreibt über die sinkende Fähigkeit zur Differenzierung, über den Beliebtheitsgrad von Wissenschaftsjournalisten und die Neugier à la „Sendung mit der Maus“ lesenswert beim Meta Magazin. Und er weist auf ein interessantes Tool hin, das beim Meta Magazin künftig jede Woche erscheint: Das Science Media Newsreel. Es sammelt in einem Monitoring, über welche aktuellen Wissenschaftsthemen in mindestens fünf Nachrichtenquellen berichtet wurde, wo sich also tatsächlich zu etwas wie ein größeres öffentliches Interesse abbildet.
  
   
 
 
   
   
   
Anzeige
 
   
   
   
 
 
   
 
 
 
 
Personen
 
 
   
Peter Grünberg verstorben
Der Physiker Peter Grünberg, 2007 mit dem Nobelpreis geehrt, ist im Alter von 78 Jahren verstorben. 1988 hatte er gemeinsam mit dem Franzosen Albert Fert den sogenannten Riesenmagnetowiderstand (GMR-Effekt) entdeckt. Auf ZEIT ONLINE erinnert sich Wissenschaftsredakteurin Dagny Lüdemann in ihrem Nachruf an die Begegnung mit Grünberg. Weitere Nachrufe: Tagesschau; FAZ; Washington Post
 
Protest gegen Günther Hopf 
Der LIT Verlag ist in den geistes- und Sozialwissenschaften eine feste Adresse, hier erscheinen jährlich rund 800 Publikationen. Nachdem der Gründer und Leiter des Verlags Günther Hopf kürzlich die „Erklärung 2018“ unterschrieben hab, gab es kollektiven Protest: Die Blätter veröffentlichten einen Offenen Brief der Autorinnen und Autoren, in dem es heißt: „Wir distanzieren uns daher nicht nur von den menschenfeindlichen Zielen der "Erklärung 2018", sondern wollen auch nicht in den Zusammenhang mit einem Verleger gesehen werden, der sich derart äußert. Daher können wir in Zukunft nicht mehr mit dem LIT-Verlag zusammenarbeiten und fordern eine klare Absage an Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus.“ Hopf reagierte ebenfalls in den Blättern, indem er seine Unterschrift unter der „Erklärung 2018“ zurückzog: „Meine ​Haltung zur Migrationspolitik und mein Plädoyer für ein umfassendes Recht auf Demonstrations- und Meinungsfreiheit ​kommt in der ​‚Erklärung 2018​’ nicht in der für die Debatte notwendigen Differenziertheit zum Ausdruck und hat zu nachhaltige​n​ Irritationen​ und ​Protest geführt.“ 
   
 
 
   
 
 
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Gastkommentar
 
 
   
von Tanja Gabriele Baudson
   
 
   
Es geht nur gemeinsam
Der „March for Science“ hat wichtige Diskussionen angestoßen, weil er die richtigen Fragen gestellt hat: Wie soll Wissenschaft auf demokratiegefährdende „Fake News“ und „Alternative Fakten“ reagieren, die ihrem Wahrheitsstreben zuwiderlaufen? Müssen Wissenschaftler/innen politisch aktiv werden, wenn Meinung und fundiertes Wissen austauschbar werden, wenn Forscher/innen in anderen Ländern bedroht werden? Und wie frei ist Wissenschaft in ihrem Erkenntnisstreben wirklich?
Wissenschaft genießt längst nicht überall hohes Vertrauen. Wer zweifelt, wird vom Populismus umgarnt. Hier hat Wissenschaft eine besondere Verantwortung: Ehrliches Streben nach Wahrheit mit Hilfe nachvollziehbarer Methoden kann der Erosion wissenschaftlichen Ansehens etwas entgegensetzen. Integrität schafft Vertrauen; und das müssen wir auch nach außen kommunizieren.
Allerdings bietet das Wissenschaftssystem dazu bislang wenig Anreiz. Honoriert werden Veröffentlichungen und Drittmittel. Zunehmender Veröffentlichungsdruck führt zu einer Inflation an Befunden, und die Qualität hält mit der Quantität nicht immer Schritt – zurückgezogene Artikel, gar gefälschte Daten sprechen eine klare Sprache. Auch eine große Abhängigkeit von Drittmitteln – dem zweiten Merkmal guter Forscher/innen – sind ein zentraler Grund, der Wissenschaft zu misstrauen. 
Der Druck steigt also, von vielen Seiten: Populismus und Lügen gefährden die Demokratie, und damit die Existenzgrundlage unabhängiger Wissenschaft. Verzerrte Anreizstrukturen im Wissenschaftssystem konterkarieren das Wahrheitsstreben nolens volens. All das hängt zusammen. Genau dafür soll der „March for Science“ in Deutschland ein Signal sein. Wir als Wissenschaftler/innen sind ein Teil der Gesellschaft – und haben derzeit eine historische Chance, demokratiegefährdenden Tendenzen etwas entgegenzusetzen. Freilich nur dann, wenn wir glaubwürdig vermitteln können, dass wir gemäß unseren Werten arbeiten: Wahrheit, Freiheit, Integrität, Transparenz. Das sind dicke Bretter, die wir nur gemeinsam bohren können. Wir haben viel zu verlieren – aber noch mehr zu gewinnen.
 
Dr. Tanja Gabriele Baudson ist Vertretungsprofessorin an der Universität Luxemburg und hat 2017 mit Claus Martin den „March for Science“ in Deutschland initiiert. Vom Deutschen Hochschulverband wurde sie vor kurzem für ihr Engagement als „Hochschullehrerin des Jahres 2018“ ausgezeichnet. 
   
 
   
 
 
 
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Voilà, die Neuen Mit Emmanuel Macron wird die Politik jünger, weiblicher, bunter. Begegnung mit dreien, die das elitäre Bildungssystem Frankreichs verändern wollen 
 
Spruchreif Am Samstag wird beim March for Science für die Wissenschaft demonstriert. Was aber schreibt man bloß auf sein Plakat? Vier Vorschläge Im Herrgottswinkel Bude voll, Klientel zufrieden: Die katholischen Schulen versprechen Eltern und Schülern eine heile Welt von früher. Aus den großen sozialen Fragen der Bildung aber halten sie sich raus – dabei hätten sie zu Inklusion und religiöser Toleranz viel zu sagen »Ich spanne auch mal Schüler als Babysitter ein« Morgens unterrichtet er Englisch, abends sorgt er für Bettruhe: Hier berichtet der Lehrer Carsten Schneider vom Alltag im Internat

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
 
 
 
Fußnote
 
 
   
   
 
   
Es gibt unzählige Studien über Bildung, doch bislang fand man sie nur vereinzelt. Jetzt ist der »Wissensatlas Bildung der Stiftungen«  gestartet – umfassend, nützlich und gut sortiert. Man kann nach Studien in bestimmten Handlungsfeldern suchen (Digitale Transformation, Lehrerbildung oder Bildungsmanagement); man kann sich alle Studien zu Hochschulen oder zur Weiterbildung anzeigen lassen. Das Projekt ist aus zwei Gründen lobenswert: Erstens hilft es Bildungsmenschen, schnell Expertise zu finden. Zweitens hilft es Bildungsstiftungen, Expertise klug zu steuern und genau zu schauen: Wo gibt es Lücken, wo gibt es Erkenntnisinteressen – und was ist bereits gut erforscht?
Manuel J. Hartung
   
 
   
 
 
   
Einen schönen Wochenausklang wünscht Ihnen 

Ihr CHANCEN-Team

PS: Gefällt Ihnen der CHANCEN Brief, dann leiten Sie ihn gern weiter. Haben Sie ihn weitergeleitet bekommen, melden Sie sich ganz einfach und unverbindlich an – unter www.zeit.de/chancen-brief. Dann schicken wir Ihnen den Newsletter, solange Sie wollen, immer montags und donnerstags zu.
 
 
 
 
   
Anzeige
Jobs im ZEIT Stellenmarkt
Jetzt Branche auswählen und Suche starten: