Nicht grübeln. Handeln! Der Zweifel ist noch viel schlechter als sein Ruf. Wer zaudert, verpasst das eigene Leben genauso wie die Karriere. Erfolgreich wird nur, wer sich nicht hinterfragt. VON JULIA FRIESE |
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| | Wer zweifelt, verhindert nur, handeln zu müssen. © Kate Williams/unsplash.com |
Wir waren drei Frauen, die zweifelten. An unseren Jobs, die wir eigentlich nicht wollten, und an unseren Beziehungen, die wir gerade so aushielten. Unsere Fingerknöchel waren weiß, denn wir hielten uns fest an dem, was wir hatten, dachten wir zweifelnd. Hängen, das ist eben unsere Haltung. Denn wer wusste schon, vielleicht war von uns ja auch gar nicht so viel zu halten, wie wir insgeheim hofften, dass von uns zu halten sein könnte. Wir gingen aus, gebückt, spülten unser Leid mit Bier aus. Schlechter als über uns redeten wir eigentlich nur über alle anderen, also die, die taten, was wir eigentlich tun wollten, uns aber nicht trauten.
Wir waren Dackel. Niedrige kleine Kläffer. Irgendwann habe ich es auch gesagt. In ihre Gesichter, dank des Bieres in meiner Hand. Wisst ihr, habe ich gesagt, ich glaube, ihr wisst es auch, aber unser ganzes Gebelle, das ist genau das, vor dem wir Angst haben, dass man es über uns sagen würde, wenn wir nur täten, was wir tun wollen würden. Und am Ende machen wir dann gar nichts. Wegen Versagern wie uns versagen wir uns, etwas zu machen. Das ist doch irre. Warum verharren wir, wo wir sind, und klagen und zweifeln? Weil eine Sehnsucht zu haben schöner ist, als an einem Traum zu scheitern? Und wie dumm sind wir, dass wir darauf warten, jemand würde endlich das in uns sehen, was wir niemandem zeigen?
Die Frauen sahen mich entsetzt an. Denn sie wussten, wenn man nicht mehr zweifelt, bleibt ja nur Akzeptanz oder Handlung. Und wie verdammt unangenehm ist es, etwas tun zu müssen?
Reden, um Ausreden zu finden
Mit dem größtmöglichen Elan ging ich zurück in mein Leben voller Zweifel. Der Elan, diese Zweifel aufzulösen, war nun so groß, dass ich erschöpft unter ihm einschlief. "30 Jahre lang habe ich nichts gemalt", sagt der Maler in Rainald Goetz' Krieg: Nur Gesprächsfanatismus. Natürlich. Ringen um Wahrheit, aber in Wahrheit nichts gemacht.
Dann traf ich eine Frau zum Mittagessen, die sehr erfolgreich genau das ist, was sie sein will. Sie ist so alt wie ich. Wenn man uns nebeneinanderstellt, könnte man uns für ähnlich halten. Denn sie hat auch zwei Arme, Beine, Füße –, aber eben keine Zweifel. Wir aßen vietnamesische Nudeln, sogen sie per Unterdruck in unsere Münder. Ich dachte, das ist der Moment, ich frage sie, wie macht man das? Also nicht das mit den Nudeln, Herrgott, wie wird man, was man sein will?
Wie nimmt man all diese Risiken auf sich, diese Verantwortungen, und sitzt dann trotzdem noch hier und isst diese Nudeln! Wie? Und wie war eigentlich deine Kindheit?
Denn darauf schieben wir Zauderer alles. Wir zahlen Therapeuten viel Geld, damit sie uns das bestätigen: Nichts ist je irgendjemandes Fehler. Wir müssen alle so handeln, wie wir handeln, denn wir wurden e i n m a l falsch behandelt, und davon handelt dann unser ganzes Leben. Unsere einzige Lösung lautet: reden. Im Reden finden wir Ausreden dafür, dass alles genau so, wie es jetzt ist, sein und bleiben muss. Im Kopf sind wir Zweifler fleißig, eigentlich aber sind wir faul.
Entscheidungen muss man schnell treffen
Und die erfolgreiche Frau, die mir gegenübersitzt, sagt, ihre Kindheit sei behütet gewesen, aber damit habe das nichts zu tun. Und sie sagt, es sei lustig, denn ein Bekannter habe sie dasselbe auch erst kürzlich gefragt, weil sie jetzt doch diese neue, noch größere Verantwortung übernehme, und sie hatte gar keine Antwort für ihn, weil sie ja nicht darüber nachdenke, warum sie nie zweifle, aber nun habe sie wegen ihm darüber nachgedacht und für mich eine Antwort.
Ja?, sagte ich und rutsche vor auf meinem Stuhl.
Rette mich, flehte ich. Hier bei diesem Vietnamesen! Zieh mich aus der heißen Brühe! Mach mich längst verkochte Nudel wieder hart. Und dann zellophanier mich! Zurück ins Regal!
Sie sagt, warum sollte man Zweifeln nachgeben? Zweifel sind im Grunde Phantasien. Man muss auf die Realität reagieren. Wenn ich Angst habe, einen Job zu übernehmen, weil es sein könnte, dass ich der Belastung nicht gewachsen bin, ich diesen Job aber übernehmen will, dann muss ich ihn annehmen, und mich den Problemen – falls sie überhaupt entstehen sollten – in dem Moment stellen, in dem sie aufkommen. So schlimm, wie man sich die Dinge ausmalt, werden sie nie. Entscheidungen muss man schnell treffen. Man darf nicht warten, denn mit jedem Moment, den man wartet und zögert, vergeht ein Stück Möglichkeit, sich zu entscheiden.
Sich gegenseitig verhindern
Ich fiel zurück auf meinen Stuhl. Enttäuscht, weil all das so einfach klang und weil ich wusste oder ahnte, dass alle Antworten auf die wirklich großen Fragen im Leben erschreckend einfach sind. Ich fiel zurück, weil ich begriff, was die größtmögliche Kränkung sein könnte: Alles ist einfach und banal. Wenn ich weniger zweifle, bedeutet das eben auch, dass ich alles weniger wichtig nehme, dass ich die Dinge weniger schätze. Denn schwer macht man es sich doch vor allem deshalb, weil es einem dann leichter fällt, zu glauben, es ginge bei seinem eigenem scheiß Leben um irgendetwas von Gewicht.
Sie sagt, sie hat sich getrennt. Nach fast 5 Jahren.
Und ich sage, auch das noch!
Sie sagt, man darf nicht an dem hängen, was man selbst will, man muss entscheiden, was besser für den Anderen ist. Er wollte mehr Reisen und Kinder, und ich konnte das nicht, jetzt nicht, wir haben uns gegenseitig verhindert, uns unglücklich gemacht. Und dieses Unglück trägt man raus in den Job, zu Freunden und an den Bartresen.
Ich sagte, du hast ihn zu einem Kläffer gemacht.
Und sie versteht sofort, sie sagt: Ja.
Leicht wie ausgebürstete Hundewolle ging ich aus diesem Treffen. Ich hatte jetzt ein Werkzeug. Es war einfach. Ich würde einfach keinen Zweifel mehr haben. Ich traf die Frauen. Wir tranken Bier, wie immer. Ich erzählte es ihnen, mein neues Leben. Und sie schauten in mein helles Gesicht und sagten: Wir haben da so unsere Zweifel, ob das funktionieren wird. Julia Friese (1,70m) ist Deutschlands größte Pop-Autorin, Musikkritikerin und Kolumnistin. Als Kind war sie kleiner. Sie ist Gastautorin von "10 nach 8".
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