Freitext: Michael Ebmeyer: Unser neuer Lieblingskatalane

 
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13.04.2018
 
 
 
 
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Unser neuer Lieblingskatalane
 
 
Deutschlands Öffentlichkeit hat Carles Puigdemont ins Herz geschlossen. Seine Geschichte ist aber keine von einem heldenhaften Freiheitskampf, sondern nur eine politisch-menschelnde Anekdote.
VON MICHAEL EBMEYER

 
© Marrti Kainulainen/AFP/Getty Images
 
Seit Ostern hat Deutschland einen neuen Lieblingskatalanen. Das trifft sich gut, denn der alte, Pep Guardiola, ist nun auch schon wieder zwei Jahre weg und obendrein frisch aus der Champions-League geflogen. Mit ihm geht es also bergab.
 
Außerdem ist der neue Lieblingskatalane viel knuffiger. Guardiola war elegant und unnahbar. Er wirkte zwar südlich-leidenschaftlich, wie wir es lieben und beneiden, jedoch hinter einer rätselhaft spröden Fassade: eine Kombination, die uns anfänglich bestrickte und dann zunehmend verstörte.
 
Der Neue ist natürlich Carles Puigdemont. Nicht aus der Champions League geflogen, sondern ruhmreich aus einem Knast an der Waterkant entlassen und seither wie ein Popstar gefeiert. Nicht von allen, klar (manche schimpfen ihn einen Separatisten oder nässen sich vor Freude ein, wenn sie auf das grandiose Wortspiel „Putsch-Dämon“ gekommen sind), aber von erstaunlich vielen. Und selbst die, die ihn zu verachten behaupten, tun es mit einer Hingabe, wie nur frisch entfachte Hassliebe sie hervorbringen kann.
 
Vor Puigdemont und Guardiola hatte Deutschland keine Lieblingskatalanen. Da interessierte Katalonien hier kaum jemanden – oder wenn, dann bloß als kleinen Aufreger, weil wieder jemand es nicht fassen konnte, dass an den Stränden der Costa Brava eine Sprache ertönte, die ihm vorher nie aufgefallen war. Katalanische Eigenheiten wurden in Deutschland allenfalls als Störfaktoren für lieb gewonnene Spanienklischees wahrgenommen.
 
Die Vorarbeit zum Brückenbau hat seit gut zehn Jahren der FC Barcelona geleistet, in einer Sprache, die jeder versteht, also Fußball, und Pep Guardiola brachte dann den sportlichen Glamour und die Anliegen der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung gleichzeitig nach Deutschland. Das mochte teilweise irritieren – etwa wenn er auf dem Berliner Alexanderplatz ein wirres Manifest verlas –, führte aber vor allem dazu, dass den Deutschen Katalonien als politische und kulturelle Größe endlich ein Begriff wurde.
 
Ekstatische Rudelbildung
 
Was das Getue um independència und Loslösung von Spanien sollte, blieb hier trotzdem unverständlich. Um das zu ändern, musste erst ein anderes Kaliber von Lieblingskatalane her.
 
Ein gutmütig wirkender Ex-Journalist und -Bürgermeister einer hübschen Provinzhauptstadt, der mehr oder weniger versehentlich katalanischer President geworden war. Optisch eine Mischung aus Jogi Löw und Buddybär, um die Mundwinkel ein schelmenhafter Zug. Wenn er redet, klingt er besonnen und versöhnlich – nichts an ihm lässt vermuten, dass er der Kopf einer Bande von Fanatikern sein könnte, denen in Spanien wegen „Rebellion“ bis zu 30 Jahre Gefängnis drohen.
 
Dieser spanische Staat wiederum, der die Exponenten der Unabhängigkeitsbewegung mit der Härte einer politisch instrumentalisierten Justiz verfolgt, hat uns den neuen Lieblingskatalanen überhaupt beschert: europäischer Haftbefehl, Hinweis des spanischen Geheimdienstes ans BKA, Zugriff unweit der dänischen Grenze. Die Justizvollzugsanstalt Neumünster elf Tage lang als Pilgerstätte für Puigdi-Fans und belagert von einem ekstatischen Rudel katalanischer Journalisten und Journalistinnen, die dort ihre Osterferien in den Wind bliesen.
 
Dann das vorläufige Happy End: Der Herr ist auferstanden, und das schleswig-holsteinische Oberlandesgericht gewährt dem neuen Lieblingskatalanen Haftverschonung – weil es den vermeintlichen Auslieferungsgrund „Rebellion“ nicht nachvollziehbar findet. Spanien ist blamiert, Katalonien dreht durch, und die deutsche Öffentlichkeit fühlt sich richterlich befugt, Puigdemont ins Herz zu schließen.


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