| Multiresistente Keime: Von der Hand in den Mund Rund 560.000 Rezepte für Antibiotika werden jährlich in Hamburg ausgestellt, teilt die Gesundheitsbehörde mit und warnt: Der übermäßige und oft unnötige Einsatz fördere die Entstehung multiresistenter Keime, die dann kaum mehr zu behandeln sind. Eine Kampagne von Behörde, Ärzten, Kliniken und Apotheken soll helfen. Allerdings: Viele Antibiotika nehmen wir unbewusst auf – ebenso wie die Erreger, sagt Prof. Christine Geffers. Die Oberärztin an der Charité in Berlin erklärt, wie das passiert und wie wir uns schützen können. EV: Werden Antibiotika häufiger verschrieben als nötig? Geffers: Das kommt sicherlich vor, vor allem bei Atemwegsinfektionen. Die sind zu einem Großteil viral bedingt, da wirken Antibiotika gar nicht. Trotzdem kommt es vor, dass Ärzte dann solche Medikamente verschreiben, um auf Nummer sicher zu gehen – oder es sind die Patienten, die suggerieren, dass sie aufgrund ihrer Beschwerden gern ein Antibiotikum hätten. EV: Kommen wir auch unbewusst mit Antibiotika in Kontakt? Geffers: Die überwiegende Menge der Antibiotika wird gar nicht in der Humanmedizin eingesetzt, sondern in der Tierzucht und in der Veterinärmedizin – zum Beispiel als Wachstumsförderer oder zur Prophylaxe. Während wir Antibiotika in kleinen Pillen verabreichen, streuen Tierzüchter die Mittel aus großen Beuteln im Stall aus. Diese Antibiotika nehmen wir auch auf. EV: Auch der übermäßige Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft führt ja dazu, dass sich multiresistente Keime entwickeln. Wie gelangen die in unseren Körper? Geffers: Es kann passieren, dass man den Erreger direkt über das Fleisch aufnimmt. Untersuchungen haben gezeigt, dass Hähnchenfleisch relativ häufig kontaminiert ist mit multiresistenten Keimen. Da wurde zum Beispiel der Escherichia coli, ein Darmkeim, nachgewiesen, wo ich mich gefragt habe: Wie kann der überhaupt aufs Fleisch gelangen? Das liegt etwa daran, dass die Tiere im Stall immer wieder mit Wasser abgespritzt werden. Da sind so viele Wasserpartikel in der Luft, dass sich auch Keime aus Darminhalt verteilen. Auch in der Abluft von Schweineställen finden sich multiresistente Erreger. Das ist einer der Gründe, warum solches Fleisch nur gut durchgegart verzehrt werden sollte. EV: Sind Vegetarier also besser vor multiresistenten Keimen geschützt? Geffers: Die trifft es leider in gleichem Maße. Es wird ja auch auf den Feldern Gülle ausgebracht, dann sind die Resistenzen auch im Boden und können auch in Pflanzen vorkommen. Auf diese Weise geraten multiresistente Erreger auch in Flüsse. EV: Wie können wir verhindern, dass sich die Erreger verbreiten? Geffers: Man kann zum Beispiel, wenn man mit einem Schnupfen zum Arzt geht, klarmachen, dass man kein Antibiotikum möchte, und nach alternativen Behandlungsmöglichkeiten fragen. Bei der Zubereitung von Speisen sollte man sich grundsätzlich nicht nur vorher die Hände waschen, sondern auch hinterher, weil den rohen Speisen eben auch multiresistente Erreger anhaften können. Ich persönlich wasche mir auch immer die Hände, wenn ich draußen im öffentlichen Raum unterwegs war. Und natürlich sollte man sich vorher nicht mit den Händen ins Gesicht fassen. EV: Was wäre nötig, um die Belastung mit Antibiotika in unserer Umwelt insgesamt zu verringern? Geffers: Die Medizin spricht von »antibiotic stewardship«, das bedeutet, dass Antibiotika wirklich nur dann eingesetzt werden sollen, wenn es wirklich notwendig ist – und zwar durchaus hoch dosiert. Die Therapie sollte aber beendet werden, wenn die Heilung abgeschlossen ist, und nicht »vorsichtshalber« noch ein paar Tage fortgesetzt werden. Ein weiteres Problem: In vielen Krankenhäusern werden aus einem falschen Sicherheitsbedürfnis heraus nach Operationen Antibiotika eingesetzt. Studien zeigen, dass das nichts mehr bringt, wenn der Patient den OP verlassen hat. Auch in der Landwirtschaft sollten Antibiotika reduziert werden, was auch die Frage aufwirft, ob es überhaupt ethisch vertretbar ist, Ställe mit zum Beispiel 20.000 Hühnern zu haben. Weitere Informationen zur Entstehung und Verbreitung multiresistenter Keime und Tipps für besseren Schutz gibt das Projekt Rationaler Antibiotikaeinsatz und der Bundesverband Medizintechnologie.
Zitterpartie beim HSV: Es wird eine »Lange Nacht« 54 Jahre und 240 Tage: So lange währt laut Zählerstand der berühmten Uhr im Volksparkstadion die ehrwürdige Geschichte des Hamburger SV in der Bundesliga. Stolz präsentiert sie der Verein im eigenen HSV-Museum, das selbstverständlich auch zur Langen Nacht der Museen seine Türen öffnet. Eine mutige, fast rührende Geste, die Respekt abfordert – schließlich könnte der Ruhm des einzig immer da gewesenen Vereins der Ersten Liga just in dem Moment bereits vorbei sein. Denn morgen ab 15.30 Uhr geht es wieder einmal ums Ganze: Unterliegt der HSV im Heimspiel dem SC Freiburg, ist der Abstieg endgültig besiegelt. Und steht die Uhr im Stadion dann still, so soll doch die Vereinsgeschichte im Museum fortleben – auch wenn es erst um 20 Uhr öffnet, nach dem alles entscheidenden Schlusspfiff. Fraglich, ob es bei einer Langen Nacht der Museen jemals ein emotionaleres Publikum gegeben hat. Mitgefühl versprechen auch die Kollegen am Millerntor. »Mir tut jeder Fußballfan leid, dessen Verein absteigen muss«, sagt Christoph Nagel, Vorstandsmitglied des FC-St.-Pauli-Museums, das sich dieses Jahr erstmals bei der Langen Nacht der Museen präsentiert. Schadenfreude sei seine Sache nicht, versichert er. »Ich habe zwar schon überlegt, die Kollegen zu fragen, ob wir die berühmte Uhr haben dürfen – aber ich glaube, ich warte noch, bis die wieder lachen können.« Am Samstag seien Fans mit der Raute im Herzen selbstverständlich auch im St.-Pauli-Museum willkommen. In harten Zeiten sollten auch Rivalen solidarisch sein, findet Nagel und fügt hinzu: »Wir können ja auch noch absteigen.« »Lange Nacht der Museen«: Unter dem Motto: »Forsch Dich durch die Nacht« laden 59 Hamburger Museen von 18 bis 2 Uhr zur Entdeckungstour ein. Das Programm umfasst rund 870 Mitmachaktionen, Kuratorenführungen, Filme, Vorträge, Konzerte und Theatervorstellungen. Verschiedene Orte, Sa, 18–2 Uhr, ganzes Programm online, 17 Euro inklusive Shuttles/HVV |
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