Nach einem alten Sprichwort ist das Bessere der Feind des Guten. Genauso verhält es sich in der Diskussion um die
Reformideen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron.
Macron hat im letzten Sommer weitreichende Pläne für einen Umbau der Währungsunion vorgelegt und wartet seither auf eine Antwort aus Berlin. Dass sich die Deutschen mit dieser Antwort schwertun, wird oft als Indiz für eine gewisse europapolitische Verzagtheit interpretiert, aber das ist nur die halbe Wahrheit.
Umverteilung kommt nicht überall gut an Denn dass
Deutschland und Frankreich nicht so einfach zusammenfinden, hat schlicht mit unterschiedlich gelagerten politischen Interessen zu tun. Mehr Umverteilung in Europa kommt eben nicht in allen Ländern gleich gut an. Zugespitzt formuliert: Was die
Populisten in Südeuropa in Schach hält, verschafft den Populisten in Nordeuropa Aufwind.
Nun wird argumentiert, dass auch Deutschland enorme Vorteile hätte, wenn zum Beispiel eine europaweite Einlagensicherung eingeführt würde und damit das Risiko von Bankenkrisen sänke. Dieses Argument ist ökonomisch korrekt, ändert aber nichts an der politischen Realität, mit der sich die Bundesregierung auseinandersetzen muss.
Niemand hat etwas davon, wenn die Spareinlagen in Italien etwas besser geschützt sind, aber dafür die AfD bei der nächsten Bundestagswahl die stärkste Partei wird – was, wenn man sich die Umfrage in Ostdeutschland anschaut, nicht vollkommen ausgeschlossen werden kann. Am Ende haben auch die italienischen Sparer nichts davon.
Gibt es also eine Antwort auf Macron, die die
Währungsunion in der Sache weiterbringt, ohne die deutsche Parteienlandschaft weiter zu destabilisieren? Die gute Nachricht ist: Es gibt sie.
Zunächst einmal ist die Währungsunion heute nicht mehr in dem Zustand, in dem sie bei Ausbruch der letzten Krise war. Es gibt inzwischen einen Krisenfonds, den ESM, der Finanzhilfen an Not leidende Staaten vergeben kann. Es gibt ein gemeinsames Abwicklungsregime für die großen Banken. Und es gibt eine Zentralbank, die bewiesen hat, dass sie im Ernstfall auch vor unkonventionellen Maßnahmen nicht zurückschreckt, um die Stabilität der Währung zu verteidigen.
Diese Dinge haben die Deutschen mitgetragen, obwohl namhafte Wirtschaftsprofessoren vor Hyperinflation und Schuldenkollaps gewarnt haben. Tatsächlich ist die Inflation heute niedriger als vor der Krise. Auch die Staatsschulden gehen zurück und man kann vielleicht ganz froh sein, dass Politiker und nicht Ökonomen das Land regieren.
Die Währungsunion verfügt also heute über Instrumente, um sich gegen
Krisen, die den Euroraum insgesamt erfassen, wirksam zur Wehr zu setzen. Worüber sie allerdings nicht verfügt, sind Instrumente, mit denen sich Krisen bekämpfen lassen, die nur einzelne Mitgliedsstaaten in Schwierigkeiten bringen.
Eine Lücke in der Krisenarchitektur Die
Europäische Zentralbank gerät da an ihre Grenzen, weil sie nicht einen Sonderzins für Krisenstaaten festlegen kann. Es bleibt also, wenn der nationale Verschuldungsspielraum ausgereizt ist, nur der Gang zum ESM. Und da gibt es Geld momentan nur, wenn die Stabilität des gesamten Währungsraums in Gefahr ist und harte Auflagen umgesetzt werden. Davor schrecken viele Länder zurück.
Diese Lücke in der Krisenarchitektur lässt sich vergleichsweise einfach schließen, wenn der ESM künftig auch bei weniger schweren Notfällen einspränge. Denkbar wäre beispielsweise, dass er Geld an nationale Arbeitslosenversicherungen überweist, damit Menschen, die ihren Job verlieren, nicht auch noch die Bezüge gekürzt werden müssen. Wenn die Krise überwunden ist, müsste dieses Geld wieder zurückgezahlt werden.
Das würde den betroffenen Ländern helfen und es ist in Deutschland vermittelbar, zumindest wenn die Regierung den Versuch wagt. Ein weiterer Vorteil: Es müssten, anders als bei den weitreichenden Vorschlägen Macrons, nicht die europäischen Verträge geändert werden, was derzeit politisch schlicht nicht machbar ist.
Wäre die Eurozone mit dieser Minimallösung für alle Zeiten gerettet? Wahrscheinlich nicht, aber sie würde ein ganzes Stück stabiler. Und das ist in diesen Zeiten nicht wenig.