Freitext: Roman Ehrlich und Michael Disque: Die Nähe von Müll und Moral

 
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27.04.2018
 
 
 
 
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Die Nähe von Müll und Moral
 
 
Aus dem Abfall einer Zivilisation lassen sich deren Lebensumstände herauslesen. Was verrät der Müll auf unseren Straßen über den Zustand unserer heutigen Gesellschaft?
VON ROMAN EHRLICH UND MICHAEL DISQUÉ

 
26.06.2016, Fontanestrasse © Michael Disqué
 
Im vergangenen Jahr lebte ich, probeweise sozusagen, in einer der saubersten und ordentlichsten Städte, die ich in meinem Leben je betreten habe. Die Ordnung und Sauberkeit in dieser Stadt waren so umfassend, dass sie mir immer wieder neu auffielen. Sie wurden nie zu etwas Selbstverständlichem für mich, das durch seine Selbstverständlichkeit aus der alltäglichen Wahrnehmung verschwunden wäre.
 
Ich suchte mir eine Route zum Joggen in dieser Stadt und fand sie entlang eines Bachlaufs, der aus der Stadt hinaus in die angrenzenden Siedlungen führte. Auf dieser Route, die ich an mindestens zwei Tagen in der Woche abjoggte, befand sich das Gebäude einer städtischen Primarschule, dessen Rückseite den Weg, der den Bachlauf entlangführte, auf einer Seite begrenzte. Auf dieser rückseitigen Wand war ein noch relativ frisches Graffiti aufgesprüht, das ganz offensichtlich kein normales Graffiti war (von einem Sprüher oder einer Sprüherin heimlich illegal dort auf die Primarschulenrückseite aufgebracht), sondern eine von der Schule bzw. der Stadt in Auftrag gegebene, gewollte und bezahlte Auftragsarbeit. Das Graffiti zeigte verschiedene Figuren, die aus Alltagsmüll mit menschlichen Gliedmaßen und Gesichtern bestanden und in Posen, die einer primarschulenhaften Vorstellung von Hip-Hop entlehnt schienen, um den Schriftzug ABFALL IN DEN MÜLL, ORDNUNG IN DER WELT herum angeordnet waren.
 
Während meines Jahres in der Sauberen Stadt joggte ich also an mindestens zwei Tagen der Woche an der Graffitibotschaft der städtischen Primarschule vorbei und habe entsprechend viel Zeit darauf verwendet, mit diesen sehr speziellen, konzentriert-flüchtigen Jogginggedanken darüber nachzudenken, in welchem Verhältnis eigentlich die Begriffe Abfall, Müll, Ordnung und Welt zueinander stehen und was die Botschaft der städtischen Primarschule noch alles an gewollten und ungewollten Neben- und Zweitbotschaften mittransportierte – über die Welt, die Saubere Stadt und die Menschen, die sie bewohnten.


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