| Männer und Frauen, die auf Schweinswale starren
Moby Dick ist zu Besuch. Na gut, nicht ganz. Sein ganz kleiner Bruder, der Schweinswal, geht wieder auf frühjährlichem Beutefang im Hamburger Hafengebiet. Die kleinen Wale jagen den Stinten hinterher, die hier ihre Laichgebiete haben, wagen dafür einen Abstecher von der Nordsee in die Elbe und tummeln sich zwischen den großen metallenen Pötten. Wer mag’s ihnen verdenken? Für einen Stint würde auch so mancher Mensch in die Elbe tauchen, ist das Fischlein doch sozusagen der Beaujolais primeur des sonst kulinarisch nicht eben freudvollen Nordens – und Mangelware: In den letzten zwei Jahren beklagten die Elbe-Fischer einen dramatischen Stint-Schwund. Lassen die Schweinswale den menschlichen Stintessern nun keinen mehr übrig? Paul Schmid vom BUND Hamburg macht für den Schwund der Stinte indes nicht die Wale, sondern Sauerstoffmangel in der Elbe verantwortlich. Die Wale kommen trotzdem, nur wie viele, das ist noch die Frage. Im Rekordjahr 2016 konnten 450 Exemplare gezählt werden, meist einzeln oder im Duo, manche aber auch im Team von bis zu 20. Wo sie sich tummeln, wird auf einer Sichtungskarte dokumentiert. Der BUND legt sich am Freitag bei Entenwerder zum »Whale-Watching« auf die Lauer und lädt Männer wie Frauen dazu ein, gemeinsam aufs Wasser zu starren. Ob’s wirklich etwas zu sehen gibt, ist aber Glückssache. »Die Wahrscheinlichkeit liegt wohl bei 5 bis 10 Prozent«, sagt Schmid, »manchmal sieht man auch nur einen Schatten vorbeihuschen, um mehr zu sehen, müssten die Tiere aber auch hochgucken.« Also: Winken Sie kräftig! Wem sonstwo ein Schweinswal unter die Augen kommt, der kann das unter www.schweinswale.de, oder per Telefonanruf oder WhatsApp-Nachricht unter (0176) 22208271 melden.
»Panikherz« auf der Bühne
Aufgewachsen in einem Pfarrhaushalt in der niedersächsischen Provinz, zog er einst aus, um die große Welt der Popliteratur zu erobern – er fand Ruhm, verlor sich im Rausch. Der autobiografische Roman »Panikherz« von Benjamin von Stuckrad-Barre über den Tanz im Scheinwerferlicht bis in die tiefsten Abgründe einer Drogensucht wird ab dem 17. März im Thalia Theater zu sehen sein. Wir haben mit Regisseur Christopher Rüping über die Inszenierung gesprochen. Elbvertiefung: Die Romanvorlage ist knapp 600 Seiten dick, darin geht es um Ruhm und Absturz, um Drogensucht und Entzug, Magersucht und Heldenfiguren. Welche Essenz haben Sie für die Inszenierung herausgefiltert? Rüping: Mir schwebt ein Abend vor, der sich nicht auf einen einzigen Gedanken reduzieren lässt, das würde dem Roman, der in alle Richtungen wuchert und immer über sich hinauswachsen will, nicht gerecht werden. Ein Ansatz ist für uns aber sicherlich die Diskrepanz zwischen Ich und Image, also zwischen dem Menschen, der man ist, wenn das Licht aus ist, und dem Ich, das man entwirft, sobald die Scheinwerfer angehen.
EV: Das Berliner Ensemble zeigt derzeit ebenfalls eine Theaterfassung von »Panikherz«. In dieser Inszenierung wird Benjamin von Stuckrad-Barre gleich von vier Schauspielern dargestellt. Wie machen Sie es? Rüping: Unsere Inszenierung steht in so ziemlich jeder Hinsicht im Widerspruch zu der am Berliner Ensemble. Bei uns werden insgesamt neun Menschen auf der Bühne sein. Sogar Benjamin von Stuckrad-Barre spielt mit, wenn auch nur als Stimme und im Video. Der Autor mischt sich also selbst ins Stimmengewirr, das seinen Roman auszeichnet. Auch wird unser Abend sicher Überlänge haben, drei Stunden wird er auf jeden Fall dauern.
EV: Hamburg ist einer der Schauorte des Romans, Udo Lindenberg spielt eine große Rolle. Kann das Publikum Hamburg-Folklore erwarten? Rüping: Wir machen jedenfalls kein Udo-Lindenberg-Musical! Hanseatisch wird es trotzdem bisweilen: Es gibt beispielsweise einen wunderschönen Text über die Reeperbahn und das elektrische Leben – das Leben in der Großstadt, nach dem sich der aus der Provinz kommende Stuckrad-Barre so sehnt. Mir schwebt ein zutiefst zerrissener Abend über einen Menschen vor, der verzweifelt den Kopf über Wasser zu halten versucht, dem es aber im selben Moment gelingt, immer wieder humorvolle Formulierungen für seine Situation zu finden. Diesen Riss versuchen wir herauszuarbeiten – den Riss zwischen Panik und Herz sozusagen.
EV: Stuckrad-Barre soll, als er den Proben in Berlin beiwohnte, geweint haben. Wie steht der Autor zur Hamburger Inszenierung? Rüping: Noch kennt er sie nicht. Er wird ein paar Tage vor der Premiere vorbeikommen und es sich ansehen. Ich bin gespannt, was er sagt, und könnte mir vorstellen, dass bestimmte Teile schwer für ihn zu ertragen sind. Über anderes wird er sich sicherlich freuen.
EV: Muss alles umgeworfen werden, wenn es ihm nicht gefällt? Rüping: Wenn unser Abend einer Abnahme des Autors bedürfte, würde ich ihn gar nicht erst machen, insofern: Nein. Ich glaube aber auch nicht, dass es so weit kommen würde: Neulich habe ich länger mit ihm telefoniert und habe ihm die Grundzüge meines Ansatzes erklärt. Die fand er, denke ich, ganz sympathisch. Während des Telefonats saß er übrigens unter dem Zitronenbaum im Hotel Chateau Marmont – und damit an einem zentralen Ort seines Romans. | |
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