| | Marlies Krämer in ihrem Wohnzimmer im saarländischen Sulzbach © Oliver Dietze/dpa |
Auf den ersten Blick wirkt Marlies Krämer unscheinbar. Randlose Brille, kinnlanges graues Haar, beigefarbenes Halstuch mit Blumenmuster. Wäre da nicht die rote Jacke, die förmlich schreit: "In mir steckt eine Aufmüpfige!" Ihre Trägerin verließ nach der Schröder-Wende die SPD und gründete den Ortsverband der Linken im saarländischen Sulzbach, dem sie lange vorsaß. Sie blieb auch in den Neunzigern ohne Personalausweis, weil sie sich weigerte, als "Inhaber" zu unterschreiben.
Erst nachdem der Bundesrat 1996 beschloss, dass die Formulierung "Unterschrift der Inhaberin/des Inhabers" in allen Ausweisen verwendet werden muss, unterzeichnete Marlies Krämer ihren Ausweis. Das brachte ihr unter anderem einen Fernsehauftritt bei Jürgen von der Lippes Wat is? zum Thema "Emanzipation der Sprache" ein. Die Frauenzeitschrift Emma kürte sie 1997 zur "Heldin des Alltags". Wenig später beschwerte sich die Feministin, dass es weibliche Namen nur für Wettertiefs gab. Seitdem werden Hochs und Tiefs abwechselnd männlich und weiblich benannt.
Nun hat die 80-jährige Feministin der Sparkasse den Kampf angesagt. Sie findet, dass auf ein Bankformular mehr gehört als nur "Kunde" und "Kontoinhaber". Als hätten nur die Männer das Geld und das Recht, Geschäfte zu tätigen. Wenn Frauen mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, sollen sie auch entsprechend angesprochen werden. Das generische Maskulinum sei diskriminierend, sagt Krämer. Es verstoße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Konsequenterweise hat die Saarländerin die Sparkasse Saarbrücken verklagt. Zunächst erfolglos.
Denn die Richterinnen und Richter am Amtsgericht ebenso wie am Landgericht Saarbrücken widersprachen ihrer Klage. In Zeiten, in denen das dritte Geschlecht vom Bundesverfassungsgericht anerkannt wurde, halten sie hingegen die alleinige Nutzung der männlichen Form für angemessen. Ihre Begründung: Das generische Maskulinum gebe es seit 2.000 Jahren. Und das sei auch gut so. Schließlich benutzten die Banken das generische Maskulinum geschlechtsneutral und meinten beide Geschlechter. Überhaupt sollen Texte nicht schwieriger werden, als sie ohnehin schon sind.
Marlies Krämer lässt sich nicht abspeisen mit der Erklärung, sie sei mitgemeint. Sie nimmt nicht mehr hin, dass ihr verfassungsmäßig legitimes Recht missachtet wird. Das Recht, als Frau in Sprache und Schrift erkennbar zu sein.
"Kontoinhaberin" statt "Kontoinhaber" – es geht eben nicht nur um eine Wortendung. Das Femininum kenntlich zu machen, bedeutet, die Welt zu verändern. Das wissen diejenigen, die sich falsch angesprochen oder angeschrieben fühlen, nur zu gut. Ich mache diese Erfahrung täglich, wenn ich in Mails mit "Herr Ozan" angeschrieben werde. Ich würde mein Gegenüber deswegen nicht verklagen. Aber ich nehme das auch nicht mehr so hin, wie ich es jahrelang getan habe. Ich will als Frau angesprochen werden, und Marlies Krämers Klage bestärkt mich darin. Ich kann aber auch diejenigen verstehen, die gegenderte Sprachkonstruktionen schwierig finden.
Müssen jetzt wirklich Abertausende Formulare neu gedruckt werden? Der Sparkassen- und Giroverband, der unter anderem 390 Sparkassen, sieben Landesbanken-Konzerne, Versicherungsgruppen und zahlreiche weitere Finanzdienstleistungsunternehmen unter sich vereint, teilt die Auffassung der Sparkasse Saarbrücken. Der Verband verteidigt das generische Maskulinum damit, dass man mittlerweile von einer zweistelligen Zahl von Geschlechtsidentitäten ausgehen würde. Und damit, dass das dritte Geschlecht vom Bundesverfassungsgericht anerkannt wurde. Deswegen greife das Gendering ohnehin zu kurz. Natürlich. Dann lieber den Mann für alle verwenden und damit als Norm markieren. Die Höherordnung des männlichen Genus in unserer Sprache weiter verfestigen. Marlies Krämer gibt nicht auf. Am 13. März soll nun das Bundesverfassungsgericht über die Sache entscheiden.
Warum sperren sich die Sparkassen eigentlich so? Es handelt sich schließlich nicht um Privatbanken, sondern um Anstalten öffentlichen Rechts, die in der Regel in kommunaler Trägerschaft stehen. Damit sind sie dem Grundsatz der Gleichstellung in besonderem Maße verpflichtet.
Ist die Sparkasse der Männerverein geblieben, der sie schon immer war? Schuften hier Frauen vor allem in den unteren Ebenen, nicht einmal als Beraterinnen, sondern als Assistentinnen von Beratern? Nun, zumindest der Präsident des Sparkassenverbands Saar ist eine Frau. Und Cornelia Hoffmann-Bethschneider ist ehemalige SPD-Landrätin, trägt knallrote Haare. Schade, dass auch sie den Laden offenbar nicht voranbekommt. Ob die Präsidentin der alten Dame in der roten Jacke wohl gratulieren würde, wenn die ihre Klage gewinnt? Vielleicht zerknüllt sie sogar die alten Formulare, reckt ihre Faust und ruft: "Die Kundin ist ab jetzt Königin! Wir entdecken ein neues Geschäftsmodell! Gegendertes Banking! Jungs, legt los! Ich will schwarze Zahlen sehen!"
Wenn das generische Maskulinum tatsächlich gegen das Recht auf Gleichbehandlung spricht, werden nicht nur 1.600 Kreditinstitute in Deutschland ihre Formulare ändern müssen. Dann wird sich hoffentlich einiges mehr ändern. Das wäre doch mal was. Didem Ozan ist freie Journalistin und Autorin. Gerade schreibt sie einen Roman über die Istanbuler Gezi-Proteste. Sie lebt in Münster, wo sie sich politisch engagiert. Sie ist Gastautorin von "10 nach 8".
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