Es ist eine unserer großen zivilisatorischen Errungenschaften, dass Feindseligkeiten mit dem Tod enden, dass politische Gegner in der Trauer gar zueinanderfinden. Das gilt für wenige Gesellschaften so sehr wie für die Vereinigten Staaten, die eine beispielhafte Kultur entwickelt haben im anständigen Umgang miteinander, über politische Lager hinweg.
Einem ist dies alles fremd. Es ist das Unglück dieses Landes, dass Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten geworden ist. Die zurückliegenden Tage, in denen die Nation Abschied nahm von dem republikanischen US-Senator John McCain, haben dies noch einmal auf besonders beklemmende Weise gezeigt. Die Trauerfeiern wurden zur Schmach des Donald Trump.
Das eigentlich Schreckliche an Trumps Präsidentschaft ist ja nicht die oft unverantwortliche, inkompetente und erratische Politik. Schwerer noch zu ertragen ist das Vulgäre und Niederträchtige im Denken und Handeln eines Mannes, der die Vereinigten Staaten nicht nur immer weiter polarisiert, sondern der die Zivilisiertheit dieses Landes untergräbt.
Im Grunde ist es furchtbar, dass alle dankbar waren für das Fernbleiben des Präsidenten am Sarge John McCains. Der Senator selbst hatte es so gewollt. Seine Feindschaft zu Trump war ebenfalls kompromisslos. Noch im Juli hatte er das bizarre Treffen Trumps mit Wladimir Putin in Helsinki "eine der schändlichsten Aufführungen eines amerikanischen Präsidenten" genannt.
Wer im Weißen Haus sitzt, muss die Nation zusammenführen, ihre Risse heilen, den Hass überwinden. Trumps Vorgänger Barack Obama hatte das versucht. Als im Juni 2015 in Charleston neun schwarze Gemeindemitglieder in ihrer Kirche von einem weißen Rassisten erschossen worden waren, stimmte Obama bei der Trauerfeier das Lied Amazing Grace an und brachte das Land auf diese Weise zu einem ergreifenden Moment zusammen.
Ein paar dürre Worte der Würdigung
Und Trump? Der ließ schon einen halben Tag nach dem Tod John McCains die amerikanische Flagge über dem Weißen Haus wieder auf Vollmast wehen; selbst seine engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten den Präsidenten nicht dazu bewegen, das Leben und Wirken des Senators aus Arizona angemessen zu würdigen. Erst als die American Legion, ein Veteranenverband mit zwei Millionen Mitgliedern, protestierte, so könne der Präsident nicht umgehen mit einem Mann, der mehr als fünf Jahre in nordvietnamesischer Kriegsgefangenschaft war und dort gefoltert wurde, rang sich Trump ein paar dürre Worte der Würdigung ab und ließ die Nationalflagge wieder auf Halbmast senken.
John McCain war gesellschaftspolitisch ein Konservativer und außenpolitisch ein Falke, manchmal ein regelrechter Scharfmacher. Er machte schreckliche Fehler, etwa als er im Präsidentenwahlkampf 2008 die so unbedarfte wie reaktionäre Sarah Palin zur Vize-Präsidentschaftskandidatin nominierte. Aber er war ein aufrechter Demokrat und ein leidenschaftlicher Kämpfer für die Freiheit. Er konnte mitreißend reden, hatte die Gabe, ein Publikum zu begeistern, daheim ebenso wie auf internationaler Bühne.
In Trauer vereint – gegen Trump
In der republikanischen Partei, die sich unter Trump zu einem jämmerlichen Verein von Jasagern entwickelt hat, meldete McCain als einer der ganz wenigen bis zuletzt offenen Widerspruch an. An ihm scheiterte der Präsident mit seinem Plan, die Gesundheitsreform Obamas rückgängig zu machen. Trump hat das dem unerschrockenen Senator nie verziehen.
Die Trauerfeier in Washingtons Nationaler Kathedrale am vergangenen Samstag wurde, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb, zu einem "Hochamt des anderen Amerikas". Die beiden ehemaligen Präsidenten Barack Obama und George W. Bush – gegen die McCain in seinen beiden Präsidentschaftswahlkämpfen unterlegen war – würdigten seinen Mut und seinen Anstand.
"Amerika muss nicht wieder groß gemacht werden"
Am eindrucksvollsten aber war die Rede von McCains Tochter Meghan, die – ohne je dessen Namen zu nennen – mit dem Opportunismus und dem "billigen Geschwätz" Donald Trumps abrechnete. Make America Great Again? "John McCains Amerika muss nicht wieder groß gemacht werden, es war immer schon groß."
Roger Cohen nannte in der New York Times die Trauerfeiern der vergangenen Woche ein "Requiem für das amerikanische Jahrhundert". McCain verkörperte nicht nur den Herrschaftsanspruch, sondern auch den Internationalismus und den – oft genug fehlgeleiteten – Idealismus eines Landes, das den Höhepunkt seiner Macht überschritten hat. In der Trauer um ihn versammelte sich jenes Amerika, das an diesen Idealen festhalten und verhindern will, dass Trump zu ihrem Totengräber wird.
Der Präsident ging derweil Golf spielen.