Relaunch! | Proteste in Frankreich | Standpunkt Jan-Martin Wiarda: Islamische Theologie | Zeitreise in die Sechziger

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
zweieinhalb Jahre CHANCEN Brief. Zeit für eine kleine Frühjahrskur! Wir haben unseren Newsletter ein bisschen entschlackt und poliert. Aus der Flut an Meldungen, die uns täglich erreicht, wählen wir künftig unter Das ist wichtig noch stärker aus – Motto: Weniger, Wichtigeres, Nachhaltigeres. Die Dreieinhalb Fragen an..., die (Gast-)Kommentare und Dr. acad. Sommer wechseln sich künftig ab. Neu im Programm ist – immer donnerstags – die Fußnote, in der wir auf unsere Lieblingsfundstücke der Woche verlinken oder uns mit einem Mini-Einwurf zu Wort melden. Ein wenig aufgehübscht haben wir unser Outfit auch. Der Rest bleibt: Am Montag und Donnerstag, 6:15 Uhr, lesen Sie bei uns das Wichtigste und Interessanteste aus der Wissenschaftswelt. Und natürlich sind wir auch in Zukunft für Sie ansprechbar, unter chancen-brief@zeit.de.

Kommen wir zum heutigen Programm: In Frankreich wird gegen Macron demonstriert; Jan-Martin Wiarda kommentiert im Standpunkt die Gründung eines Instituts für Islamische Theologie in Berlin und den Streit mit Ditib (Hintergrund: Tagesspiegel). Und Anna-Lena Scholz hat sich in den sechziger Jahren festgelesen – wo genau, das steht in der Fußnote.
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Frankreich: Proteste gegen Hochschulreform
Universitäten sind in Frankreich Chefsache – nicht nur wirbt Präsident Emmanuel Macron um Europäische Unis, er hat auch für die heimischen Hochschulen eine Reform angestoßen. Die allerdings stößt nicht auf Gegenliebe; seit Tagen demonstrieren die Studierenden und besetzen Hörsäle. Die Reform sieht neue Zugangshürden vor, um die vielen Studierenden insbesondere der aktuell geburtenstarken Jahrgänge über ein zentrales Verteilungssystem auf die Hochschulen zu verteilen. Dabei sollen nicht nur Noten zählen, sondern auch Lebenslauf und Motivationsschreiben; außerdem geben die Lehrer Empfehlungen ab. Kritisiert wird nun, dass ein solches Verfahren eine scharfe soziale Selektion betreibe, die es im akademischen System Frankreichs ohnehin gibt; die politische und wirtschaftliche Elite rekrutiert sich nahezu ausschließlich aus den Grandes Écoles wie der ENA. (Le Monde; Le Figaro; Tagesspiegel; SpOn; Deutschlandfunk)
  
 
 
Promotion verschafft gute Jobchancen
Gute Nachrichten für Promovierte – jedenfalls für jene, die nicht die Professur als heiligen Gral vor Augen haben. Einer Studie des DZHW zufolge fassen Promovierte in unterschiedlichen Bereichen des Arbeitsmarkts sehr gut Fuß: 80 Prozent der Befragten aus dem Promotionsjahrgang 2014 sind unmittelbar nach Erhalt des Doktorhutes erwerbstätig; drei Jahre später sind es 90 Prozent. Fast ebensoviele sind dabei voll beschäftigt und haben ein monatliches Brutto-Durchschnittseinkommen von 5.700 Euro; 58 Prozent sind unbefristet beschäftigt. Wer dagegen in Forschung, Entwicklung und akademischer Lehre weiter tätig bleibt, ist häufiger befristet beschäftigt und verdient weniger. Die Ergebnisse finden sich in der neuen Ausgabe der Forschung & Lehre
  
 
 
Mehrsprachigkeit? An US-Unis eher nicht
In den USA gehen die Immatrikulationen für das Studium einer Fremdsprache deutlich zurück, berichtet QZ; die Zahlen stammen aus einem Bericht der Modern Laguages Association (PDF). Zwischen 2013 und 2016 sank die Zahl der Studierenden um 9 Prozent. Einen besonders großen Rückgang verzeichnen Altgriechisch, Hebräisch, Russisch und Latein. Einen großen Anstieg – um 45 Prozent – verzeichnet allerdings Koreanisch; auch in Amerikanischer Zeichensprache, Portugiesisch und Chinesisch gibt es immer mehr Studierende.
  
   
 
 
   
   
   
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Personen
 
 
   
Buchholz geht ans DZHW
Die Soziologin Sandra Buchholz, ehemalige Interimsdirektorin am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) in Bamberg, übernimmt künftig die Leitung der Abteilung „Bildungsverläufe und Beschäftigung“ am DZHW; zugleich wird sie in Kooperation an die Universität Hannover berufen.

Eils wechselt ans BIH
Das Berliner Institut für Gesundheitsforschung – BIH – hat einige Personalquerelen hinter sich (ZEIT 24/2017). Jetzt gibt es eine Personalie zu vermelden, mit der man im Bereich Digitale Gesundheit neue Wege einzuschlagen hofft: berufen wurde der Bio- und Medizininformatiker Robert Eils, der derzeit noch die Abteilung „Theoretische Bioinformatik“ am Deutschen Krebsforschungszentrum DKFZ leitet und Direktor der Abteilung „Bioinformatik und Funktionelle Genomik“ an der Universität Heidelberg ist. Eils wird zugleich Gründungsdirektor des neuen BIH-Zentrums Digitale Gesundheit.

Preise bei der DHV-Gala
Am Dienstag war es wieder soweit, der Deutsche Hochschulverband richtete seine jährliche Gala der deutschen Wissenschaft aus. Ausgezeichnet wurden in Berlin die „Wissenschaftsministerin des Jahres“, Isabel Pfeiffer-Poensgen (NRW), sowie der „Student des Jahres“, Philipp Humbsch. Die Entwicklungspsychologin und March for Science-Organisatorin Tanja Baudson wurde als „Hochschullehrerin des Jahres“ geehrt; das Krönchen als „Rektor des Jahres“ durfte sich Johannes Wessels von der Universität Münster aufsetzen. Und wir haben anlässlich der Feierlichkeiten auch ein Stück Torte gegessen, denn die ZEIT-Stiftung ist „Wissenschaftsstiftung des Jahres“.

Trauer um Leibfried
Der Bremer Sozialwissenschaftler Stephan Leibfried ist im Alter von 74 Jahren plötzlich verstorben. (Weser Kurier) Die Universität Bremen, wo Leibfried das „Zentrum für Socialpolitik“ aufgebaut hatte, würdigte ihn als Persönlichkeit, die sich „für interdisziplinäre Öffnungen, tragfähige Forschungsinfrastrukturen, Internationalisierung und innovative Nachwuchsförderung eingesetzt“ habe und „damit der nationalen Wissenschaftspolitik oft voraus“ gewesen sei. Leibfried war auch Sprecher der Arbeitsgruppe „Exzellenzinitiative 2.0“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften; die Junge Akademie sagte: „Er wird der Wissenschaftspolitik fehlen.“

Job: Medizinchefin
139 Professuren in der Medizin, das ist kein Pappenstiel. Deswegen sucht die Universität Düsseldorf jetzt eine Fakultätsgeschäftsführerin (m/w), die das akademische Medizin-Team orchestriert. Was von Ihnen dafür erwartet wird, lesen Sie im neuen ZEIT Stellenmarkt.
   
 
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Standpunkt
 
 
   
von Jan-Martin Wiarda
Die Islamische Theologie gehört zu Deutschland
Auch wenn es immer noch einen Bundesinnenminister gibt, der behauptet, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, die Wissenschaftspolitik hat die Frage zum Glück längst anders beantwortet: Ja, die Islamische Theologie gehört an die Universitäten der Bundesrepublik. Als erstes gab diese Antwort übrigens eine Politikerin von Horst Seehofers Schwesterpartei, die damalige CDU-Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Ihr Ministerium finanzierte von 2012 an Islam-Zentren an den Universitäten Tübingen, Münster, Osnabrück und Erlangen.
Berlin war beim Start damals nicht dabei, und das scheint die selbsternannte Brain City nachhaltig gewurmt zu haben, zumal nirgendwo in Deutschland mehr Muslime leben als in der Hauptstadt. So erklärt sich die erstaunliche Hartnäckigkeit, mit welcher der Berliner Senat nun schon über Jahre hinweg die Gründung eines Instituts für Islamische Theologie verfolgt. Erst wollten die Berliner Unis nicht so recht mitmachen, dann sorgten sich die evangelischen Theologen um ihre Identität in einer möglichen gemeinsamen Fakultät. Und dann galt es noch zu klären, wer eigentlich „den Islam“ in Berlin vertritt und damit Kooperationspartner von Politik und Wissenschaft werden soll. Doch auch nachdem die fünf Islamverbände gefunden waren, ging der Streit weiter: Wer bekommt welche Rechte bei der Bestätigung oder Ablehnung der zu berufenden Professoren?
Bis Ostersonntag konnten die Verbände den mühsam ausgehandelten Gründungsvertrag unterschreiben, am Dienstag teilte Berlins Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD) mit: Haben sie nicht. Zumindest nicht alle. Tatsächlich unterschrieb offenbar bislang nur ein einziger Verband. Vor allem die vom türkischen Staat gesteuerte Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, kurz Ditib, will noch mehr Einfluss auf die Personal- und Studiengangsentscheidungen. Und was sie nicht will, ist ein Passus im Vertrag, demzufolge der Institutsbeirat evaluiert und gegebenenfalls neu besetzt werden kann. Doch ebenfalls am Dienstag verkündete Krach: Mehr Einfluss gibt es nicht. Zur Not starten wir das Institut an der Humboldt-Universität halt nur mit den Verbänden, die mitmachen wollen.
Der Schlagabtausch in Berlin ist, auch wenn das manche so sehen mögen, kein Beleg dafür, dass die Einbindung der Islamischen Theologie zum Scheitern verurteilt ist. Im Gegenteil: Das Hin und Her zeigt, wie grundlegend wichtig sie ist. Eine wissenschaftsgeleitete Theologie an den Universitäten, so prophezeite schon Annette Schavan, wird den Islam verändern. Genau das ließ sich in den vergangenen Jahren zum Beispiel in den erbitterten Konflikten zwischen Verbänden, Universität und Lehrstuhlinhaber Mouhanad Khorchide in Münster beobachten, und auch in Berlin waren einige Islamverbände zu bemerkenswerten Zugeständnissen bei der Institutsgründung bereit. Deshalb liegt Wissenschaftsstaatssekretär Krach richtig, wenn er jetzt Härte signalisiert und die Gründung des Instituts trotzdem vorantreibt.
Je lauter die die Stimme der Islamischen Theologie an deutschen Universitäten wird, desto mehr werden wir auch als Gesellschaft insgesamt von einem aufgeklärten Islam profitieren. Von einem Islam, der nicht nur zu Deutschland gehört, sondern irgendwann wie selbstverständlich auch gehört wird. Dieses Ziel ist den gegenwärtigen Streit mehr als wert.
   
 
   
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Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
 
 
 
Fußnote
 
 
   
   
 
   
Diese Woche habe ich mich erst bei Wired festgelesen – in einem Portrait über Virginia Trimble. In den sechziger Jahren lief sie als eine der wenigen Studentinnen über den Caltech-Campus in Kalifornien, später wurde aus ihr eine bedeutende Astronomin. Dann weitergeklickt, weitergelesen – und beim LIFE Magazine vom Oktober 1962 gelandet, das sich dem Zauber und den Massenuniversitäten des Bundesstaates Kalifornien widmete. Wer in ebenjenem Magazin auftauchte: Virginia Trimble, damals 18, über die es auf Seite 98 hieß: „a sophomore who might have hidden her astronishing brain behind her lovely face. But with an IQ of 180, she chose to major in astrophysics.“ Wenn Sie heute fünf freie Minuten haben, dann empfehle ich eine kleine Kaffeepause und das virtuelle Durchblättern besagter LIFE-Ausgabe!
Anna-Lena Scholz
   
 
   
 
 
   
Frühling, Frühling, Frühling! 

Ihr CHANCEN-Team


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