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Als ich vor zwei Monaten den Vertrag zu meinem neuen Job unterschrieben hatte, machte ich mir einen Spaß, googelte im Internet „Brutto-Netto-Rechner“ und guckte, was ich am Ende des Monats in den unterschiedlichen Steuerklassen raushaben würde. Ich gab alle sechs Steuerklassen nacheinander ein. Als alleinerziehende Mutter – was ich bin – ist man in Steuerklasse 2. Als Single ohne Kinder ist man in Steuerklasse 1, und wenn man verheiratet ist – egal ob mit oder ohne Kinder – landet man als Hauptverdiener der „Familie“ in der Steuerklasse 3. Letzteres bezeichnet man als sogenanntes Ehegattensplitting. Der Hauptverdiener wird besser besteuert, der Zweitverdiener dafür schlechter. Als alleinerziehende Mutter ist man ja per Definition der Hauptverdiener, weil es eben keine andere Person im Haushalt gibt, die die Familie ernähren könnte. Man sieht meine Tochter und mich nur leider nicht als Familie an. Ein Ehepaar ohne Kinder aber schon. An Ungerechtigkeit eigentlich nicht zu überbieten Als ich jedenfalls die drei Ergebnisse erhielt, wurde mir schwarz vor Augen. Ich fragte mich, wieso ich dieses Brutto-Netto-Rechner-Spiel eigentlich nicht schon längst gemacht hatte, und begriff, dass es den meisten vermutlich wie mir ergangen war und deswegen so gut wie niemand die Ergebnisse kennt. Ich sah schwarz auf weiß, dass ich gerade einmal 60 Euro mehr als der Single ohne Kinder und 640 Euro weniger als der Hauptverdiener aus dem Ehegattensplitting bekam. 640 Euro weniger, obwohl dieser Hauptverdiener im Gegensatz zu mir sogar noch über einen Zweitverdiener verfügt. Dabei bekomme ich ja nicht einmal Unterhalt von dem Vater meiner Tochter. Und damit bin ich nicht so wahnsinnig alleine. 60 Prozent aller alleinerziehenden Frauen bekommen in Deutschland keine Alimente, sondern 150 Euro Unterhaltsvorschuss vom Staat pro Monat. Kein Mitleid Ich arbeite sehr gerne, sehr hart und sehr viel. Ich habe ein hohes Jahres-Brutto-Einkommen. Wirklich. Und damit bin ich eine privilegierte Alleinerziehende. Ich kann meine Tochter in eine Privat-Kita schicken, in der sie von morgens bis abends hervorragend betreut wird, damit ich meine 60-Stunden-Woche mit etwas weniger Schuldgefühlen meistern kann. Sie geht aber auch in diese Privat-Kita, damit sie englisch und hebräisch lernt, um mit ihrem Vater – der den Kontakt zu ihr vor eineinhalb Jahren völlig abgebrochen hat – irgendwann einmal sprechen zu können. Er ist nämlich kein Deutscher. Und damit ich mir in zehn Jahren nicht vorwerfen lassen muss, dass ich nicht alles dafür getan habe, dass diese beiden eines Tages Hand in Hand durch Tel Aviv schlendern und sich in Ettas zweiter Muttersprache oder ihrer ersten Fremdsprache unterhalten können, zahle ich 250 Euro im Monat extra.
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