Grenzenlos auf Kampnagel Am Mittwoch startet das
Internationale Sommerfestival auf Kampnagel, und
András Siebold steckt bereits mitten in den Vorbereitungen für 2019. »20 Meter entfernt steht die Sängerin Peaches, mit der spreche ich jetzt über das nächste Jahr!«, verriet uns der Kurator gestern nach dem Interview. Doch wir bleiben im Jetzt – und haben Siebold nach den diesjährigen Highlights gefragt.
Elbvertiefung: Herr Siebold, was ist Heimat für Sie?András Siebold: Ein sehr offener Begriff, den jeder für sich nach Belieben ausfüllen dürfen sollte. Hamburg ist für mich Heimat, weil ich hier lebe, auch Zürich, weil ich da geboren wurde. Ich könnte mir aber auch Havanna als Heimat vorstellen, wo ich gerade zum ersten Mal war, weil wir das Sommerfestival mit der Malpaso Dance Company aus Kuba eröffnen. Und nicht zuletzt Budapest, weil mein Vater von dort stammt.
EV: Im Rahmen des Sommerfestivals findet auch die Konferenz »Heimatphantasien« statt, dort wollen Sie sich kritisch mit Begriffen wie Nation und Heimat befassen. Warum gerade jetzt?Siebold: Das hat mit der aktuellen Debatte zu tun
, um die kommen wir nicht herum. Viele der Mitwirkenden stehen für postnationale Konzepte, so wie die Journalistin Havin Guneser, die über das autonome Gebiet Rojava in Nordsyrien sprechen wird, oder der singapurische Künstler Ho Tzu Nyen, der sich mit den in der Kolonialzeit entstandenen Grenzen Südostasiens beschäftigt. Die Debatte um Nation und Heimat wird nicht nur in Deutschland geführt..
EV: Auch über das relativ neue Bundsheimatministerium wollen sie sprechen…Siebold: ... weil auch das virulent ist. Es gibt immer mehr Menschen, die wieder Grenzen und Zäune errichten wollen. Aber es gibt auch viele Menschen, die für ein Überwinden nationalstaatlicher Grenzen plädieren. Dies kommt nicht mehr nur aus dem linken Spektrum, sondern auch von Wirtschaftswissenschaftlern oder Philosophen. Zugleich wird aus rechtspopulistischer Ecke die Angst davor geschürt. Eine interessante Zeit, um über diese Begriffe nachzudenken.
EV: Da erklärt sich das diesjährige Motto »Ein Festival, das Grenzen überschreitet« fast von selbst. Oder?Siebold: Ja, weil wir Grenzen im doppelten Sinne überschreiten, auch im künstlerischen. Wir zeigen Künstler von Singapur bis Südafrika, vielen Produktionen ist es inhärent, dass sie Menschen auf der ganzen Welt verbinden. Und wir trennen die einzelnen Kunstsparten nicht, bei uns machen auch bildende Künstler oder Musiker Theater. Wir reißen die Grenzen zwischen Hochkultur und Subkultur ein.
EV: Klingt spannend. Ein Beispiel?Siebold: Elisabeth Streb kommt aus dem New Yorker Post-Modern-Tanz, präsentiert bei uns aber eine Performance mit einer Mischung aus Akrobatik und Stunts. Das wird Leute begeistern, die sich gut unterhalten lassen wollen, aber auch solche, die sich im zeitgenössischen Tanz auskennen.
EV: Haben Sie weitere Tipps für unsere Leser?Siebold: Gisèle Viennes mit der Performance »Crowd«: ein atemraubendes Club-Spektakel, das man da erleben kann. Menschen tanzen und bewegen sich zwischen Ekstase und Wahnsinn. Das ist etwas für alle, die selbst mal in den Neunzigern um 10 Uhr morgens aus dem Club gekommen sind. Und ich empfehle auch »Das Haus der herabfallenden Knochen«, ein Musiktheaterstück über universale Folk-Tales der Hamburger Band Kante mit Khoi Konnexion. Das sind Musiker aus Südafrika, die sich als Nachfahren der Khoisan verstehen, die wiederum Opfer der Kolonialherrschaft waren.
Weitere Infos zum Programm des Internationalen Sommerfestivals finden Sie hier
Fähre 73: Frust in Wilhelmsburg Mit Pauken und Trompeten forderten engagierte Wilhelmsburger vor rund einem Jahr, die
Fährlinie 73 möge
auch am Wochenende zwischen Insel und Landungsbrücken fahren. Mit Chorkonzerten, Hafenquiz und Seemannsknoten-Workshops auf der Fähre
warb die Initiative »7x73« um Mitstreiter (
wir berichteten). Was wurde daraus? Nach wie vor verkehrt die Fähre nur werktags, weder
6174 Unterschriften noch die Lokalpolitik konnten daran etwas ändern: Den Antrag der SPD im Bezirk Mitte, zum
Musikfestival »48 h Wilhelmsburg« probeweise einen Wochenend-Fährbetrieb einzurichten, lehnte die Verkehrsbehörde ab. Zuvor war schon die Bezirksversammlung mit dem Bemühen um einen täglichen Fährbetrieb abgeblitzt.
Begründung: Man könne nicht mit genügend Fahrgästen rechnen, wirtschaftlich sei das nicht tragbar. »Die Beauftragung für zusätzliche Verkehre auf dem Wasser erfolgt durch die Verkehrsbehörde. Wir fahren das ein, wenn die Behörde anordnet, dass es zur
öffentlichen Daseinsvorsorge gehört«, sagt
Gabriele Müller-Remer, Geschäftsführerin des Fährdienstes HADAG. Zusatzkosten für eine Ausweitung des Betriebs müssten die
Steuerzahler tragen. Vorausgesetzt, das Geld kommt nicht am Ticketautomaten wieder rein. Genau daran aber glaubt die Initiative »7x73«.
»Die Argumente gegen die Ausweitung beruhen auf veralteten Zahlen«, sagt Aktivistin
Anna Baus. »Aber Wilhelmsburg hat sich entwickelt.« Nur: Solange die Verkehrsbehörde das anders sieht, warten die Wilhelmsburger vergebens auf Fähren am Wochenende. »Frustrierend«, findet Anna Baus. »Ich stand neulich am Wochenende
eine gute halbe Stunde vor dem Alten Elbtunnel in der Schlange.« Der Bedarf an einer Alternative zu Wasser sei im Stadtteil offenkundig. »Wir müssen das wohl noch deutlicher machen.«