wer in den vergangenen Tagen Nachrichten gelesen oder gesehen hat, der könnte zu dem Eindruck kommen, dass in Chemnitz derzeit zwei Bevölkerungsgruppen einander bekriegen: die Linken und die Rechten. In der »Tagesschau« ist die Rede von »rechten Gruppierungen«, der »rechten Szene« sowie von »linksorientierten Gegendemonstranten«.
So. Und jetzt wollen wir einmal die Dinge beim wirklichen Namen nennen: Da marschieren keine rechten Gruppierungen, sondern Nazis, Rassisten und Rechtsextremisten. Und wer mir jetzt wieder mit dem »besorgten Bürger« kommt, der halt leider in der Masse untergehe, aber doch kein Nazi sei, dem kann ich nur sagen: Dann sollte der besorgte Bürger besser auf seinen Umgang achten.
Hingegen stellen sich mir alle Haare auf, wenn Gegendemonstranten als »linksorientiert« bezeichnet werden. Alles, was nicht rassistisch ist, ist automatisch links?
Meine Eltern haben mich nicht zu einem »linken« oder »linksorientierten« Menschen erzogen (auch wenn das sicher einige »Rechtsgerichtete« anders sehen), sondern zu jemandem, der auf Schwächere nicht herabschaut oder gar einprügelt. Zu jemandem, der das Gehirn einschaltet, anstatt dumpfe Parolen nachzugrölen. Und zu jemandem, dem es nie in den Sinn kommen würde, einen anderen Menschen für minderwertig zu halten, nur weil der eine andere Hautfarbe hat.
Ich würde das nicht als links bezeichnen, sondern als anständig.
Deshalb fühle ich mich auch nicht angesprochen, wenn von »linksorientierten Gegendemonstranten« die Rede ist. Und genau das ist das Problem. Gegen das, was derzeit in Chemnitz und anderen Städten geschieht, muss jeder anständige Mensch auf die Straße gehen, nicht nur jeder, der sich als links einordnen würde. Dazu gehören übrigens auch all jene, die sich politisch zum rechten Spektrum zählen, aber eben zum demokratischen rechten Spektrum. Das gibt es nämlich auch. Man kann rechts sein und trotzdem Demokrat. Ein
Christian Lindner beispielsweise darf diesem rechten Spektrum zugeordnet werden, trotzdem würde er es sich zu Recht verbitten, unter den Chemnitzer »rechten Gruppierungen« subsumiert zu werden.
Unsere treue Leserin
Renate W., Mutter von zwei mittlerweile sehr erwachsenen »Mischlingssöhnen«, findet: »Es wird ungemütlich in Deutschland.« Sie hege Fluchtgedanken, schreibt sie. »Aber wohin? Innerhalb Europas kommt man doch vom Regen in die Traufe.« Ich teile ihren Fluchttrieb. Kanada erscheint mir gerade sehr verlockend. Neuseeland soll auch sehr schön sein, habe ich mir sagen lassen. Gern auch eine kleine Insel irgendwo. Aber dann das Feld den Angstmachern überlassen?
Dann doch lieber auf die Straße gehen, und zwar nicht als »linksorientierte Gruppierungen«, sondern als Menschen, die aus der Geschichte gelernt haben. Am Sonntag um 14.30 Uhr an den Landungsbrücken zum Beispiel, auf der
Großdemonstration Seebrücke, unterstützt unter anderem von GEW, Caritas und Diakonie.
Lassen Sie uns die Auseinandersetzung umtaufen: die Anständigen gegen die Nazis. Mal schauen, wer am Ende in der Mehrzahl ist.
DB-Sicherheit soll Angreifer filmen dürfenDie Sicherheitsleute der Deutschen Bahn sollen sich selbst künftig sicherer fühlen. Dazu stattet der Konzern sie mit
Körperkameras aus, auch in Hamburg. In akut bedrohlichen Situationen sollen die Wachleute die Kamera einschalten – und
nach dem Einsatz wieder abschalten. Die sogenannten Bodycams seien vor allem zur
Abschreckung da, sagt der Sprecher der DB-Sicherheit,
Holger Bajohra. Was aber, wenn eine aggressive Person rein zufällig – soll ja vorkommen – nicht ganz zurechnungsfähig ist und sich von einer kleinen Kamera wider Erwarten nicht ernüchtern lässt? »Auch diese Leute haben ein Interesse, nicht gefilmt zu werden«, glaubt Bajohra. Ein Monitor an der Kamera, in dem die Gefilmten sich selbst sehen könnten, würde bereits viele von Tätlichkeiten abhalten. Falls doch nicht, könnten die Aufnahmen
als Beweismaterial dienen: Sie würden in verschlüsselter Form gespeichert und auf Nachfrage der
Bundespolizei zur Verfügung gestellt. »Entweder nutzt die Polizei das Material«, sagt Bajohra, »oder es wird automatisch gelöscht.« Rechtlich also kein Problem? Hamburgs Datenschutzbeauftragter
Johannes Caspar sieht das anders.
»Die Frage der Datensicherheit ist vollkommen unerheblich, wenn schon die Aufnahme selbst nicht erlaubt ist«, sagt er. Denn anders als bei der Polizei, die besondere Hoheitsbefugnisse habe, sei im Fall des DB-Konzerns nicht zweifelsfrei geregelt, ob und wann die Wachleute filmen dürften. »Die DB AG bewegt sich hier in einem
rechtlich unsicheren Bereich«, sagt Caspar. Über den diskutiert gerade die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit mit der DB-Konzernzentrale.