Seit Tagen donnern sie die sommerlöchrigen Randspalten mit Meldungen voll, dass der bayerische Ministerpräsident Markus Söder in den Umfragewerten bei 37 Prozent liegt. Niemand weiß, was das konkret bedeutet, außer dass irgendwer irgendwas addiert oder subtrahiert und dabei eine Zahl herauskommt. Meistens telefonieren ein paar schlecht bezahlte Studenten auf Basis von Werkverträgen irgendwelche Leute mit Tagesfreizeit und Festnetz an und überfallen sie mit Fragen: Wie finden Sie Ihren Ministerpräsidenten? Ihnen ist aber schon bewusst, dass das Bier früher billiger war? War früher nicht ohnehin alles besser? Die Vroni oder der Josef antworten dann missmutig in den Hörer: "Ja, stimmt. Der Södermarkus könnt sich aah ahmal hier blicken lassen" und legen dann auf. Das wird mal drei genommen, durch Blumenkohl geteilt und mit dem Satz des Pythagoras durchpüriert. Auf diesem Weg kommen dann 37 Prozent zusammen. Es ist ungerecht. Denn außerhalb des politischen Parketts ist Söder außerordentlich engagiert. Wenn es sein muss, springt er in die kalten bayerischen Seen ("Halloooo. Ich schwimm in der Norikusbucht. Sen-sa-tio-nell!"). Oder geht ins Tierheim und hält den kleinen Welpen Idefix in die Kamera. Wohl wissentlich, dass beim Anblick des Fotos kaum zu unterscheiden ist, wessen hilfloser Blick mehr ins Herz trifft, und wer genau gemeint ist mit "Er sucht ein neues Zuhause". Gleichzeitig steckt in so einem Bild so viel Geschichtsbewusstsein drin, weil Söder in langen Traditionslinien denkt. Das letzte Mal, als ein politischer Influencer mit Hund posierte, stiegen dessen Umfragewerte ins Galaktische. Markus Söder begeistert immer dann am meisten, wenn er möglichst wenig Markus ist. Wenn er sich bei seinen Frankener Fastnachtskostümierungen als die ganz Großen der Weltbühne verkleidet, Mahatma Gandhi oder Marilyn Monroe, dann drehen die Pressefotografen am Rad. Berühmt sind auch seine Maskeraden aus dem fabelhaften Fantasymilieu, Gandalf aus Herr der Ringe, Shrek oder Edmund Stoiber; da erreichte er sagenhafte Sympathiewerte. Man kann als Faustregel so rechnen: Je weniger der bayerische Ministerpräsident zu erkennen ist, umso lauter der Applaus. Sobald er sich wieder in die Politik einmischt, sinkt er in der Wählergunst. Gibt er deshalb auf? Nein. Nimmt er es sich zu Herzen? Vielleicht. Söder ist ein Künstler Markus Söder gibt nicht viel, Markus Söder gibt alles. Genau das macht ihn zu einer der ganz Großen im Politbusiness. Ja, es ist ein Business, und Söder ist mit Abstand der Erfolgreichste darin, wenn es darum geht, mit ganz viel Aufwand ganz wenig zu erreichen. Natürlich könnte er es sich einfach machen und zum Wohl der bayrischen Bürger Politik betreiben. Auf diesem Weg große Zustimmungswerte zu erreichen, ist aber keine Kunst, sondern lediglich Handwerk. Der Söder ist aber ein Künstler. Bei der Klöckner beispielsweise läuft es eher umgekehrt. Die Agrarministerin erreicht mit sehr wenig sehr viel. Neulich wurde die Beliebtheit der Minister im Netz gemessen und sie lag ziemlich weit vorne. Dabei ist sie einfach nur gegen die Burka und posiert gerne vor schweren Landmaschinen auf dem Acker. Fazit: 20.000 Follower mehr als der bayerische Ministerpräsident. Wer sich durch Klöckners Fotochronik auf Twitter durchscrollt und mit dem Gedanken spielt, die Abbildungen in einem Bildband zu veröffentlichen, kann sich das allenfalls bei Verlagen wie Dumont oder Taschen vorstellen. Massenpublikumsverlage ohne ambitionierten Sinn für drucktechnische Finessen. Klöckner auf dem Kartoffelacker, Klöckner auf dem Rübenacker, Klöckner auf dem Maisacker. Standarddruck allenfalls. Der Söder hingegen gehört in eine dreibändige Ausgabe im Schmuckschuber. Für so etwas kommt nur Steidl aus Göttingen infrage, der namhafte Fotokünstler aus aller Welt verlegt. Neulich erst veröffentlichte Söder ein Foto von sich, wo er lässig mit hochgekrempelten Hosen auf einem Steg auf dem See sitzt. Man sah es und dachte: Menschenskind, da lümmelt er. Wie Gunter Sachs, bloß ohne Saint Tropez. Die Botschaft des Bildes? Keine. An dem Tag war er einfach nur Markus aus Nürnberg. Ein Klimaflüchtling. Es war heiß, er floh auf eine Seebrücke ("Hier lässt es sich leben"). That’s it. Man muss nicht jedes Foto politisch aufladen. Söder und sein Volk. Das will einfach nicht zusammengehen. 50.000 Bayern gingen vor zwei Wochen in München auf die Straße. Sie wollen eine sanfte Sprache in der Flüchtlingspolitik. Söder aber will "sanften Naturtourismus". Davor gingen fast 40.000 Bayern auf die Straße, weil sie gegen das neue Polizeiaufgabengesetz waren. Beim Schutz der Artenvielfalt wäre Söder sofort dabei gewesen. Das macht die öffentliche Beurteilung eines Politikers so unfair. Es wird nie danach gefragt, ob man die Ziele des Politikers verwirklicht sieht, sondern ob die Bürger ihr eigenes Begehr als befriedigt betrachten. Und was die Rankings betrifft: Letztlich handelt es sich um eine Sortierung nach spezifischen Kriterien. Ändert man die Kriterien, ändert sich die Reihenfolge. Ist es Söders Schuld, wenn die Bürger für politische Ziele sind, die der Ministerpräsident nicht mittragen kann? Er ist nun einmal gegen Flüchtlinge, für geschlossene Grenzen. Mein Gott, man wird doch nicht bayerischer Ministerpräsident, um für eine humane und gerechte Welt einzutreten.
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