Für gewöhnlich gilt der höchste kolumnistische Grundsatz, wonach unter keinen Umständen zwei Wochen hintereinander das gleiche Thema zum Gegenstand der Betrachtung gemacht werden darf. Was aber tun, wenn es in der Zwischenzeit nur zwei politisch relevante Ereignisse gab? Hubi Heil forderte wieder einmal irgendwas mit Rente, das aber leider niemanden sonderlich juckte. Also bleibt nichts anderes übrig, als sich erneut Markus Söder in der gewohnt zärtlichen Weise zuzuwenden, obwohl er schon vergangene Woche an dieser Stelle ausgiebig zärtlich betrachtet wurde. Es ist nämlich schon wieder etwas sehr Wichtiges passiert. Die CSU hat die sagenhaft in den Keller rutschenden Beliebtheitswerte des bayerischen Ministerpräsidenten genutzt und Plakate drucken lassen, auf denen Markus Söder in einer Gruppe von Menschen steht. Man kennt diese Leute nicht. Vielleicht soll das Bild folgende Botschaft symbolisieren: Markus Söder kennt Menschen. Auf dem Foto steht "Heimat" und darunter "Söder macht’s!", und diesen Slogan hat sich die SPD nun auf jede erdenkliche Weise im Internet sichern lassen. Die CSU vergaß das nämlich zu tun, und die SPD hat momentan viel Tagesfreizeit, um im Internet nach besitzlosen Sprüchen zu fahnden. Früher, als es der SPD noch gut ging und sie in Beitragszahlungen der Mitglieder schwamm, schaute sie im Internet nach Immobilien. Jetzt reicht es offenbar nur noch für herrenlose Domains. Die SPD in Bayern nahm den Wahlkampfslogan der CSU also in Geiselhaft. Wenn sie klug ist, ruft sie anonym bei der CSU an und fordert ein Lösegeld für die Freigabe. Übergabe an – Haha! Irrelustiger Gag – irgendeiner Datenautobahnraststätte. Sie haben ja viel Humor, die Digitaldemokraten.
Söder macht’s! Ja, was macht er denn? Wechselt er den Bürgern die Birne oder führt er kostenlose Sehtests durch? Auch muss man sich ganz schön konzentrieren, um das leicht schlüpfrige Moment nicht zu einem Bild fertig reifen zu lassen. Söder macht’s! Gehört das in die Öffentlichkeit? Der Apostroph ist ziemlich bemerkenswert, denn entgegen allen deutschen Traditionen, Sitten und Gebräuchen wird er richtig eingesetzt. Kein anderes deutsches Satzzeichen wird derart oft und gerne falsch verwendet. Die gesamte deutsche Imbissbeschilderung wäre ohne den Apostroph aufgeschmissen (Sandy’s Würstchenexpress, Kalle’s Kelle und so weiter), ja auch die deutsche Werbeindustrie hat erst nach dem sinnlosen Einsatz eines Apostrophs im Markennamen diverser Produkte Millionengewinne verzeichnen können, Beck’s, Super Dickmann’s und viele andere. Vielleicht würde Markus Söder viel mehr Erfolg haben, wenn er sich dazu hinreißen lassen würde, sich künftig so zu schreiben, Marku’s Söder. Aber was machen die Sozialdemokraten damit? Die SPD jedenfalls klaut der CSU ihren Spruch, beziehungsweise setzt sich drauf. Aber die CSU hat den Spruch auch geklaut. Nämlich von der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft, die jahrzehntelang für deutsche Milch von deutschen Bauern warb. Ihr Werbeclaim hieß "Die Milch macht’s". Dafür zahlten die Bauern eine Art Werbeabgabe. Vor diesem Spruch wuchsen ganze Generationen mit dem Spruch "Milch macht müde Männer munter" auf. Kann man sich auf einem CSU-Plakat irgendwie auch ganz gut vorstellen, "Söder macht müde Männer munter. Wie? Er macht’s einfach!!". Die vollkommene Transparenz, wonach selbst Parteimitglieder ihre Parteipolitik als Produkt auf dem Markt betrachten, für das es mit Werbesprüchen aus der Werbeindustrie zu kämpfen gilt, verblüfft. Dass sich die größte Partei Bayerns gar nicht mehr Mühe gibt, zu verschleiern, dass sie zwischen einer Volkspartei und einem Liter Milch gar keinen Unterschied mehr macht, ist doch sehr erfrischend. Jedenfalls, Söder macht’s! Wie bei der Tüte Milch spricht auch die Person auf dem Foto von sich in dritter Person. Für jemanden, der als volksnah gelten will, ist das aus erzählperspektivischer Sicht ziemlich ungekonnt. Aber eigentlich ist es auch alles ein bisschen egal. Denn die Wähler sind nicht blöd. Sie kennen den Unterschied zwischen Werben und Behaupten und politischem Konzept. Das ist jetzt ohnehin so eine Mode. Dass die Werbeagenturen sich auf das Vermarkten von Parteien spezialisiert haben, dort einfallen und nach längerem und kostspieligem Grübeln das Parteispitzenpersonal dazu überreden für "Mehr Gerechtigkeit" zu sein oder "Höhere Renten". Die Parteien vertrauen dann den Werbeagenturen und sind dann eben für mehr Gerechtigkeit oder höhere Renten. Der Zeitgeist ist, so zu tun, als ob Parteien Katzenfutter sind. Als ein AfD-naher Verein für die AfD warb, stand auf einem dieser Plakate: "Franz Josef Strauß würde AfD wählen." Man musste nicht lange nachdenken, bis man darauf kam, woher der Claim stammt: "Katzen würden Whiskas kaufen". Was aber macht die SPD jetzt mit ihrem Spruchklau? Die Wahrheit ist, dass sie damit ziemlich unoriginell verfährt. Wenn man auf den Spruch klickt, erscheinen politisch umstrittene Gesetze, für die die CSU steht. Das ist alles. Statt aus einer Schnapsidee einen geistreichen Coup zu machen, ist daraus eine Spaßbremsenaktion geworden. Es ging der SPD aus Mangel an einer gescheiten Strategie einfach nur darum, in den Zeitungen vorzukommen. Auch das ist in der Werbekommunikation ein gängiges Mittel. Erst mal Wind machen, Aufsehen erregen und darauf hoffen, wahrgenommen zu werden. Die bayerische Spitzenkandidatin der SPD, Natascha Kohnen, wirbt übrigens mit dem Slogan "Besser wohnen mit Kohnen".
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