Heute stehen Amerika und sein erratischer Präsident vor Gericht. Der Kläger ist ausgerechnet: Iran.
Dieser ungewöhnliche Prozess findet am Internationalen Gerichtshof in Den Haag statt. Der Iran hat die USA wegen der Verhängung von Sanktionen verklagt. Das verstößt, so sieht es Teheran, einerseits gegen das Atomabkommen von 2015, aus dem die USA im Mai ausgestiegen sind, und gegen einen Freundschaftsvertrag von 1955. Heute soll das Urteil gesprochen werden.
Das Bemerkenswerte an diesem Prozess ist nicht das Ergebnis, sondern die Tatsache an sich, dass die einstige Führungsmacht der demokratisch-liberalen Welt USA in Den Haag als Rechtsbrecher beklagt wird. Und das von einem Land, das so ziemlich das Gegenteil von einem Rechtsstaat ist.
Donald Trump hält sich für einen genialen Verhandler. Das Recht ist ihm dabei ziemlich piepegal. Seine Bully-Buddy-Methode ist, seine Rivalen einzuschüchtern und auch mal geheuchelt zu umarmen, damit sie tun, was er will. Das hat er mit Kim Jong Un aus Nordkorea versucht und auf ganz andere Weise mit dem islamistischen Regime im Iran. Viele im Westen, in Israel, sogar manche in Europa hoffen mit Trump, dass das was bringt: maximaler Druck und die taktisch ausgestreckte Hand. Aber die Erfolge lassen auf sich warten. Im Gegenteil: Bisher tun Trumps Rivalen so ziemlich das Gegenteil von dem, was er will. Trumps Methode scheitert. Aber was hilft dann?
Beispiel Nordkorea. Donald Trump versuchte auf dem Gipfel in Singapur, Kim Jong Un direkt von Mann zu Mann zu überzeugen. Er zeigte ihm einen Film, in dem zwei Nordkoreas präsentiert wurden. Ein leuchtendes, prosperierendes, wenn Kim Jong Un sein Atomwaffenprogramm aufgibt, und ein armes, ruiniertes Land, wenn er an der Atombombe festhält. Trump drohte maximal, machte aber zugleich ein großes Zugeständnis: Er ließ die gemeinsamen Militärmanöver mit Südkorea aussetzen, die Nordkorea als Bedrohung sieht.
Es hat alles nichts gebracht. Die Amerikaner kommen in den Gesprächen kein Jota voran, die Nordkoreaner wollen – Überraschung – ihre Bombe nicht für vage Prosperitätsträume abgeben. Nun fahren die Amerikaner wieder den Druck hoch. Die Militärmanöver sind nicht mehr ausgesetzt und können demnächst wieder losgehen. So weit waren Trumps Vorgänger mit den schwierigen Nordkoreanern aber alle mal gekommen.
Beispiel Iran. Hier sieht die Trumpsche Bilanz am trübsten aus. Mit dem Bruch des Atomabkommens will der US-Präsident die Mullahs zu neuen Verhandlungen zwingen. Nicht nur über ihr Atomprogramm, sondern über ihre Raketen mit immer längerer Reichweite, über ihre Expansion in der Region, die Bedrohung Israels. Passiert ist: rein gar nichts. Die Antwort Irans auf die Sanktionen ist die Klage gegen die USA vor dem Internationalen Gerichtshof.
Drohungen ohne Glaubwürdigkeit
Trotz miserabler Wirtschaftslage und großer Unzufriedenheit im Land bewegt sich der Iran bei den strategischen Fragen kein Stück. Teherans Standpunkt: Wir haben ein Abkommen, zu dem wir stehen, wir verhandeln nicht mit den USA! Warum sollte der Iran auch, wo die USA schon das erste Abkommen gebrochen haben. Die Weltmacht hat keine Glaubwürdigkeit mehr, niemand vertraut mehr auf das Wort oder die Unterschrift ihrer Regierung. Zugleich ahnen die Iraner, dass Trump strategisch zu konfus und zu feige ist, seine militärische Überlegenheit einzusetzen. Die Sanktionen verfehlen also vollkommen ihr Ziel.
Was helfen könnte, wäre eine radikale Änderung der amerikanischen Verhandlungstaktik. Die Einsicht, dass man mit Drohungen ohne Glaubwürdigkeit nicht weiterkommt. Also: die feierliche Beerdigung des Trumpschen "Art of the Deal".
Es gibt ein Beispiel, wie man mit Regimen vom Schlage Nordkoreas oder Irans erfolgreich weiterkommt. Das waren die sogenannten E-3-Verhandlungen Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens mit dem Iran, die später um die USA, Russland und China erweitert wurden. Zwölf lange Jahre dauerten die Verhandlungen, am Ende stand ein Vertrag, der Irans Abstinenz von der Atombombe für mindestens 15 Jahre garantierte.
So einen Vertrag wollen die Amerikaner jetzt mit Nordkorea. Mit dem Iran haben sie ihn gerade gebrochen.