was ist der Unterschied zwischen französischen und hamburgischen Krähen? Die einen werfen Abfall in Mülleimer (siehe unseren
gestrigen Newsletter), die anderen holen ihn wieder raus. So beobachtet nicht nur von unserem ZEIT-Wissen-Kollegen
Max Rauner, sondern auch von Leserin
Doris H.-M., die sich oft gefragt hat, wieso ihre Mitmenschen es nicht schaffen, in die roten Abfalleimer zu treffen, sondern immer daneben. »Bis ich dann am Grindel beobachten konnte, wie eine Krähe selbigen Eimer sorgfältig ausräumte, um an die sich darin befindenden Essensreste zu gelangen.« Was einmal mehr beweist, wie intelligent diese Tiere sind. Max Rauner fordert deshalb spezielle Mülleimer, die dem Zugriff der Vögel standhalten. »Bin aber nicht sicher, welchen Anteil die Krähen am Müllaufkommen in den Parks haben.«
Vielleicht brauchen wir jedoch Mülltonnen, an die überhaupt kein Tier herankommt, so wie es sie in manchen kanadischen Städten gibt, wo die Tonnen sogar gegen Bären abgesichert sind. (Und wo deshalb so mancher Tourist kläglich daran scheitert, ein simples Taschentuch wegzuwerfen.) Denn nicht nur Krähen stürzen sich auf Essbares, in Altona haben Essensabfälle zu einer Ratteninvasion rund um die Trinitatiskirche geführt, wie das
»Elbe Wochenblatt« berichtet. Überall würden die Nager herumlaufen, klagen Anwohner, rund um Mülltonnen, auf Spielplätzen, im Blumenbeet. Manchen Kindern versuchen sie sogar das Essen direkt unter der Nase wegzuschnappen.
Angelockt werden die Ratten – wie die Krähen – von Abfall: »Touristen aus St. Pauli schmeißen ihre Essensreste einfach ins Gras«, klagt Anwohner
Michael Osha im »Wochenblatt«. Weshalb auch das Institut für Hygiene und Umwelt der Gesundheitsbehörde, bei dem jede Rattensichtung gemeldet werden muss, an die Bevölkerung appelliert, bei Rattenbefall auf das Vogelfüttern und Kompostieren von Essensresten zu verzichten sowie »unbedingt für die geschlossene Aufbewahrung Ihrer Abfälle« zu sorgen.
Aber auf keinen Fall – und da sind wir wieder bei unserem gestrigen Thema – Essensreste in Plastikbeuteln verpackt in die Biotonne werfen! Denn auch das hat Doris H.-M. schon beobachtet. Und das waren dann wirklich Menschen.
Morgen begrüßt Sie hier wieder meine Kollegin
Annika Lasarzik.
Staatsarchiv schreddert historische QuellenVon manchen Menschen bleibt nur Papier: eine Todesbescheinigung etwa, ausgestellt von einem Arzt, angefüllt mit einem Leben. Geburt, Wohnort, Erkrankung, Tod.
Das Staatsarchiv Hamburg hat vor Kurzem Abertausende solcher Dokumente zerstört, mehr als 45 Aktenmeter aus den Jahren 1837 bis 1953, zum Schrecken von Historikern wie
Sybille Baumbach. Die Hamburgerin arbeitet für die israelische Gedenkstätte
Jad Vaschem und dokumentiert das Leben von Opfern des Nationalsozialismus. »Hier wurde uns eine wichtige Quellen-Gattung entzogen«, sagt sie. Besonders
als Beleg für Forschungen Hinterbliebener seien die Papiere unersetzlich gewesen. Zwar unterstellt sie keine »absichtsvolle Zerstörung des Kulturguts«, vermutet aber, dass »da jemand nicht die Bohne nachgedacht hat«. Das
Staatsarchiv entgegnet, die Unterlagen seien »nicht archivwürdig« gewesen und die enthaltenen Informationen auch in anderen Quellen wie Sterbeurkunden einsehbar. Zum anderen sei »aufgrund des schlechten Zustands ein Erhalt auf Dauer« nicht möglich gewesen. »Reine Schutzbehauptung«, protestiert Baumbach. Der Zustand der Dokumente war ihr zufolge einwandfrei, nur die Verpackung zerfallen. »Das hätte man für viel Geld neu einpacken müssen – also weg damit«, ärgert sie sich. Sterbeurkunden enthielten außerdem bei Weitem nicht alle Informationen, die auf früheren Todesbescheinigungen zu finden seien. Baumbach vermutet, dass
Platzmangel im Archiv die rabiate Aktion ausgelöst hat. Die Kulturbehörde, der das Staatsarchiv angehört, bedauert mittlerweile das Vorgehen. »Es wäre besser gewesen, mit Initiativen im Vorfeld das Gespräch zu suchen«, sagt Pressesprecher
Enno Isermann. In den nächsten Tagen wolle man das nachholen. Die historischen Dokumente wird das nicht mehr ersetzen.