Es soll wieder kesselnAusnahmezustand – nicht weniger erwartet die
Gemeinde Hasenmoor im Kreis Segeberg von Donnerstag bis Sonntag. Aber das kennen sie dort schon. Schließlich fuhr Comiczeichner und Werner-
Erfinder Rötger »Brösel« Feldmann mit seinem Motorrad »Red Porsche Killer« schon einmal ein
Rennen gegen seinen Kumpel, den Kieler Kneipenwirt Holger »Holgi« Henze, und dessen roten Porsche. Ziemlich genau 30 Jahre ist das her.
250.000 Fans kamen, zum Rennen und zum Festival drum herum,
mit Bands wie BAP und Torfrock. Und manche Besucher hinterließen den Ort des Geschehens, den Flugplatz Hartenholm und seine nähere Umgebung, so, dass es sich tief ins kollektive Hasenmoorer Gemeindegedächtnis eingegraben hat.
Diesmal soll alles anders werden, geordneter, weniger zerstörerisch, mit »nur« 50.000 Fans. Was das
Wacken Open Air damit zu tun hat und was außer dem Frieden der Anwohner noch alles auf dem Spiel steht, beschreibt
Florian Zinnecker auf den Hamburg-Seiten der aktuellen ZEIT. Derweil unternimmt die
Polizei in der Umgebung des Festivals bereits seit gestern sogenannte
Anhalte- und Sichtkontrollen, um »insbesondere der festivaltypischen Eigentumskriminalität« entgegenzuwirken.
China ganz nahVon Sonnabend an richtet Hamburg gute drei Wochen lang bei der siebten
»China Time« den
Blick gen Osten. Unter dem Motto »pulse of the city« dreht sich diesmal alles um
Urbanisierung, Stadtentwicklung und Zukunftstechnologien. Der
Künstler Ni Shaofeng ist mit zwei Ausstellungen beteiligt. Im
Kunstprojekt »Neue Acht Szenarien einer Stadt im Digitalzeitalter« hat er sich mit einem Künstlerkollektiv den Entwicklungen der
chinesischen Hafenstadt Qingdao angenommen und diese künstlerisch umgesetzt. In einer zweiten Ausstellung wird eine
Installation mit 10.000 Origami-Kranichen als Symbol des Friedens gezeigt. Wir haben ihn vorab gefragt,
was die Besucher erwartet – und warum sie eingeladen sind, selbst das Kunstfalten zu erproben. Elbvertiefung: Für die Ausstellung haben Sie stellvertretend für die Stadt Qingdao und wie sie funktioniert, acht Orte ausgewählt. Wie haben Sie das gemacht?Ni Shaofeng: Durch eine Art Orakelbefragung. In Qingdao haben wir einen daoistischen Tempel besucht und nach den Anweisungen einer Äbtissin Rituale durchgeführt. Wir haben eine Stadtkarte ausgebreitet und Bohnen ausgeworfen, so wurden durch das Zufallsprinzip 16 Orte ausgewählt, daraus haben wir bewusst acht gewählt, um sowohl die Fremdheit, aber auch die Unbegreifbarkeit von modernen Städten zur Geltung zu bringen.
EV: Qingdao und Hamburg sind beides Hafenstädte. Sind sie sich vielleicht näher, als man auf den ersten Blick denkt?Shaofeng: Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen Hamburg und Qingdao. Auch weil Qingdao durch seine Kolonialgeschichte eine enge Bindung zu Deutschland hat. In einem Villenviertel der Stadt sind viele Häuser im deutschen Baustil erbaut. Das ist ein chinesisches Blankenese. Und dann natürlich der Hafen. In der alten Stadt findet man viele hamburgähnliche Motive wie die Kräne. Fährt man aber ein Stück weiter raus, dorthin, wo der moderne Hafen entsteht, sieht man die Zukunft.
EV: Wie sieht die Zukunft denn aus? Shaofeng: Der neue Hafen entsteht dort auf 100 Quadratkilometern. Allein die Ausmaße sind unglaublich. Wenn man dort durchfährt, hat man das Gefühl, in eine utopische Welt einzutauchen. Man sieht nur wenige Menschen, ab und zu eine Maschine, automatisiert fahrende Autos. Es ist unglaublich, welche Zukunft da auf uns zukommt. In Qingdao ist die schon ein bisschen Realität.
EV: Urbanisierung und dynamische Prozesse in China sind die thematische Grundlage der Ausstellung. Weist der künstlerische Blick nach Qingdao auch in das künftige Hamburg?Shaofeng: Unsere Kunstwerke sollen wie ein Spiegel wirken. Die Hamburger sollen darin ihr eigenes Antlitz wiederfinden. Und dadurch vielleicht auch die schönere Seite von Hamburg entdecken. Eine Megacity, wie sie in Qingdao entsteht, ist faszinierend, aber sie hat auch Kehrseiten, die wir nicht unter den Teppich kehren wollen. Diese Vielfalt und die Widersprüche möchten wir präsentieren. Die Werke sollen zum Nachdenken darüber anregen, was die Zukunft bringt, in welche Richtung wir gehen. Wo geht China hin, und was können wir in Hamburg machen? Wo können wir Prozesse mitgestalten, wo haben wir Möglichkeiten, wo sind Grenzen?
EV: Zum Nachdenken soll auch eine weitere Ihrer Installationen anregen. »10.000 Kraniche freisetzen – Symbol für Frieden« wird am Donnerstag eröffnet. Was hat es damit auf sich?Shaofeng: Meine ursprüngliche Idee entstand aus der Diskussion darüber, ob Bücher als Wissensträger verschwinden werden. Ich wollte den alten Wissensträgern künstlerisch einen letzten Flug geben. Wie im Buddhismus, wo einmal im Jahr lebende Tiere gekauft und in die Freiheit entlassen werden. Außerdem wohnt den Kranichen eine Friedensbotschaft inne. Es gibt diese japanische Geschichte »Sadako«, die besagt, dass ein Mädchen, das die Atomstrahlung krank gemacht hat, anfing Kraniche zu falten, in der Hoffnung, dass sie, wenn sie 1000 Kraniche gefaltet hat, von der Krankheit geheilt wird.
EV: Auch die Besucher sollen Kraniche falten ...Shaofeng: ... und einer gemeinsamen Sorge und auch Hoffnung eine Gestalt geben. Denn wir Menschen sind eventuell dabei, unsere Zukunft zu zerstören. Deswegen wollen wir mit großer Vehemenz dazu aufrufen, mitzumachen und ein gemeinsames lebendiges Projekt daraus zu machen.