Matteo Salvini ist für viele Menschen eine Hassfigur. Er ist das Symbol für Kaltherzigkeit. Dabei ist die Öffentlichkeit mit ihm längt eine Symbiose eingegangen. Sie dürstet geradezu nach dem nächsten Tabubruch des italienischen Innenministers, nach seiner nächsten Hässlichkeit, seiner nächsten Untat – um sich wieder kräftig empören zu können. Wie fürchterlich Salvini ist! Unfassbar! In diesen Tagen gab es wieder ein Beispiel für diese seltsame Abhängigkeit der Öffentlichkeit von Salvini. Bei den Trauerfeierlichkeiten zu den Opfern des Brückeneinsturzes in Genua wurde Salvini abgelichtet, während er ein Selfie mit einem Trauergast machte. Es erhob sich sofort eine Welle der Empörung. Der Mann lässt sich zu Propagandazwecken selbst bei solch einem traurigen Anlass ablichten! Er hat vor nichts Respekt! Es ging völlig unter, dass Salvini auf Bitten einer Angehörigen der Toten sich fotografieren ließ und zwar nach Ende der Trauerfeierlichkeit. Aber wen interessiert das noch, wenn dieses Bild doch so prächtig in die Geschichte vom hässlichen Salvini passte? Ja, Salvini ist ein harter, ein gnadenloser Politiker. Es gibt wohl nichts, wovor er zurückschreckt. Man muss Salvini deshalb fürchten. Doch seine Härte deckt auch etwas auf, nämlich die Unfähigkeit Europas, eine einigermaßen vernünftige, koordinierte, eine europäische Migrationspolitik zu entwickeln.
Salvini hat die Häfen für Migranten und Flüchtlinge, die aus Libyen kommen, schließen lassen. Seitdem ist bei jedem Schiff, das auf Europas Küsten zusteuert, dasselbe Schauspiel zu sehen. Salvini sagt: "Nein, nicht zu uns!" Das Schiff dümpelt dann tagelang auf dem Meer, bis sich endlich ein oder mehrere europäische Staaten bereit erklären, die Passagiere aufzunehmen. Alle EU-Staaten ducken sich weg So war es im Juli mit der Aquarius (679 Menschen) und so war es im August bei der Open Arms (87 Menschen). Es ist ein unwürdiges Schauspiel. Salvini ist daran beteiligt, ohne Zweifel, denn er hat es in Gang gesetzt. Doch ist er nicht allein verantwortlich. In Wahrheit ducken sich alle Staaten weg, so gut es geht. Kaum taucht ein Schiff mit Migranten am Horizont des Mittelmeers auf, beginnt in allen Hauptstädten Europas das große Zittern. Die Verantwortlichen verstecken sich hinter eilige zusammen gezimmerten Argumenten. Salvini weiß das. Deswegen kann er die anderen bisher vor sich hertreiben. Freilich wird auch er an eine Grenze stoßen. Härte mag mitunter Schwächen der anderen aufdecken, doch auf Dauer kann sie Politik nicht ersetzen. Denn wenn sie auch einreißt, was nicht zu halten war, so baut sie doch nichts auf. In diesen Tagen dümpelt wieder ein Schiff mit Migranten und Flüchtlingen an Bord vor den Küsten Italiens: Die Diciotti (177 Menschen). Salvini hat ihm die Einfahrt in den Hafen verboten. Das Besondere dabei: Es handelt sich nicht um das Schiff einer NGO, sondern um ein Schiff der italienischen Küstenwache. Wenn nicht einmal die Küstenwache an den eigenen Küsten landen kann, dann entpuppt sich Salvinis fantasielose Härte als das, was sie eben auch ist: eine selbstzerstörerische Absurdität. |
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