Wie groß Donald Trumps Rückhalt in der amerikanischen Bevölkerung ist, wird sich in genau drei Monaten, am 6. November 2018, zeigen. Wie alle zwei Jahre werden am ersten Dienstag im November sämtliche 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses sowie ein Drittel des Senats neu gewählt. Diese Halbzeitwahlen, midterm elections genannt, sind immer auch ein nationales Stimmungsbarometer.
Fragt man die Deutschen, hat nur jeder Fünfte eine halbwegs gute Meinung von Trump, der republikanische Präsident ist diesseits des Atlantiks denkbar unpopulär. Hierzulande begreift man darum partout nicht, warum das in den Vereinigten Staaten anders ist und dort nach wie vor rund 40 Prozent der Wahlberechtigten Donald Trump für einen erfolgreichen Regierungschef halten – und sich diese Zustimmungsquote seit seinem Amtsantritt ziemlich stabil hält. Was die Deutschen wütend auf Trump macht – die Schutzzölle, die verbalen Entgleisungen, seine Abkehr vom Multilateralismus, seine Flirts mit Diktatoren und Despoten –, schert eben vier von zehn Amerikanern nicht oder nur wenig, sie finden das sogar gut.
Traditionsgemäß rangieren außenpolitische Themen bei amerikanischen Wählern unter "ferner liefen", für die Trump-Wähler gilt das allemal. Sie fokussieren sich auf Innen- und Wirtschaftspolitik, Steuersenkungen zum Beispiel, eine harte Linie in Einwanderungsfragen, die Ernennung konservativer Bundesrichter, den Ausstieg aus dem Klimaschutzabkommen, den Schutz amerikanischer Produktion, die Förderung von heimischem Öl und Gas – eben eine Politik des "America first". Aus Sicht seiner Anhänger hat Donald Trump hier in seinen ersten zwei Amtsjahren schon vieles eingelöst.
Dennoch sieht es für Trump und seine Partei bei den midterms derzeit nicht besonders gut aus. Eine nur 42-prozentige Zustimmung für die Politik des Präsidenten heißt eben auch, dass laut Umfragen 53 Prozent unzufrieden sind. Das sind schlechte Zahlen, und sie sprechen dafür, dass die Republikanische Partei im November einen Rückschlag erleiden könnte.
Zum Vergleich: Bei den Kongresswahlen 2010 meinten nur 44 Prozent der Amerikaner, der damalige Präsident Barack Obama sei ein guter Staatschef, mehr als die Hälfte war gegenteiliger Auffassung. Folglich verlor die Demokratische Partei krachend die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Die Mehrheit im Senat konnte sie zwar trotz herber Verluste knapp behaupten, büßte sie dann aber vier Jahre später ein, bei den Halbzeitwahlen 2014.
Weil Trump heute auf eine noch geringere Zustimmung stößt als damals Obama, ist das ein schlechtes Vorzeichen. Darum könnte die Republikaner, die derzeit sowohl die Mehrheit im Repräsentantenhaus als auch im Senat innehaben, in drei Monaten ein ähnliches Schicksal ereilen.
Doch Vorsicht mit vorschnellen Schlüssen. Die verbieten sich, wie man aus Erfahrung weiß, gerade in der Ära Trump – und sie verbieten sich bei den midterms im November 2018 auch aus einer Reihe ganz eigener Gründe.
Am 6. November steht nicht Donald Trump zur Wahl, sondern allein der Kongress. Bei solchen Halbzeitwahlen stimmen darum historisch weit weniger Amerikaner ab. Nur wenn, was bloß alle vier Jahre geschieht, zugleich auch der Präsident gewählt wird, beteiligen sich etwa 60 Prozent der Wahlberechtigten. Ist das wie bei den midterms nicht der Fall, sehen sich nur zwischen 40 und 50 Prozent bemüßigt, einen Stimmzettel abzugeben.
Trump hat es 2016 vorgemacht
Halbzeitwahlen sind immer auch Denkzettelwahlen, hier können es die unzufriedenen Wähler dem Präsidenten und seiner Partei mal so richtig zeigen. Darum motivieren die midterms vor allem die Gegner der jeweils amtierenden Regierung. Das war auch 2010 so, als Obamas unpopuläre Gesundheitsreform besonders viele Republikaner auf die Palme und ins Wahllokal trieb.
Auch gegen Donald Trump regt sich heftiger Widerstand, schon seit Anbeginn. Kaum war er vereidigt, ging am nächsten Tag über eine Million Frauen gegen ihn auf die Straße. Und nach einem Schulmassaker in Florida protestierte im Frühjahr mehr als eine Million vornehmlich junger Amerikaner gegen den Waffenwahn und Trumps Schulterschluss mit der Waffenlobby. Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass sich seitdem besonders viele junge Menschen als Wähler registrieren ließen.
Aber das muss noch nichts heißen. Blieben in der Vergangenheit viele Anhänger des regierenden Präsidenten bei Halbzeitwahlen oft aus Gleichgültigkeit oder Enttäuschung daheim, könnte es dieses Mal genau anders sein. Laut Umfragen jedenfalls scheinen Trump-Unterstützer wild entschlossen zu sein, im November zur Wahl zu gehen.
So wollen sie unter anderem mit ihrer Stimme verhindern, dass die knappe republikanische Mehrheit im Senat verloren geht. 51 der 100 Senatoren sind derzeit Republikaner. Auf diese Mehrheit kommt es nicht nur bei wichtigen Gesetzen an, sondern auch bei der Besetzung frei werdender Richterstühle an den Bundesgerichten. Für die von ihm vorgeschlagenen Kandidaten braucht der Präsident stets die Zustimmung einer Mehrheit der Senatoren.
Obwohl der politische Wind den Republikanern derzeit stark ins Gesicht weht, ist es trotzdem gut möglich, dass sie ihre Mehrheit im Senat halten – und vielleicht sogar ausbauen. Denn dank eines unglücklichen Zufalls sind die Demokraten dieses Mal in einer sehr viel schlechteren Ausgangsposition.
35 der 100 Senatoren müssen sich einer Neu- oder Wiederwahl stellen. Doch von diesen 35 sind nur neun Republikaner, 26 hingegen Demokraten (einschließlich jener zwei unabhängigen Senatoren, die traditionsgemäß mit den Demokraten abstimmen). Das heißt: Die Demokraten müssen am 6. November nicht nur fast dreimal so viele Sitze wie die Republikaner verteidigen, sondern darüber hinaus auch zehn besonders wackelige Senatorenstühle.
Denn zehn der 26 demokratischen Senatoren vertreten Bundesstaaten, die bei der Präsidentschaftswahl 2016 – oft mit überragender Mehrheit – für Donald Trump gestimmt haben. In West Virginia etwa betrug Trumps Vorsprung gegenüber seiner Gegnerin Hillary Clinton 40 Prozent. Gut möglich, dass die Wähler von West Virginia nicht noch ein weiteres Mal für sechs Jahre ihren demokratischen Senator Joe Manchin nach Washington schicken wollen, sondern lieber dem republikanischen Konkurrenten, einem strammen Trump-Anhänger, den Vorzug geben.
Am Ende wird es darauf ankommen, welcher Partei es am besten gelingt, ihre Kernwählerschaft zu mobilisieren. Nicht dort, wo Republikaner oder Demokraten sowieso uneinholbar vorn liegen. Sondern in jenen Wahlbezirken und Bundesstaaten, die noch umgedreht werden können, wo bereits ein paar Tausend Stimmen das Ergebnis in die eine oder andere Richtung kippen. Donald Trump und seine Republikaner haben 2016 vorgemacht, wie das geht.