Alice Weidel sagt in Oxford ab | ExStra-Nachbeben | Geld für Kleine Fächer | 3 ½ Fragen an Stefan Altevogt

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
diese Woche möchte man sich mindestens vierteilen. Bis Samstag ist Science Week in Berlin, das internationale Klassentreffen für Liebhaber der Wissenschaft. Morgen diskutieren die HRK-Mitglieder in Lüneburg über den Hochschulpakt. Dasselbe Thema steht beim GEW-Kongress am Donnerstag auf der Agenda. Und am gleichen Tag beginnt in Wien die Tagung des deutschen und österreichischen Wissenschaftsrats zum Dauerbrenner „Begutachtungen“. Weitere Aufreger der Woche (Das ist wichtig): Die renommierte Oxford Union bittet Alice Weidel ans Rednerpult und erhält einen Korb. Enthüllungen zur ExStra-Entscheidung rücken die Exzellenzkommission in ein schiefes Licht. Im Fragebogen gibt Stefan Altevogt einen Buchtipp für alle, die das US-Hochschulsystem endlich besser verstehen wollen. Und im c.t. findet sich ein Update zur Wahl der/des Hochschulmanager/in des Jahres.
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Alice Weidel streicht Oxford-Termin
Wenige Tage vor ihrem umstrittenen Auftritt bei der Oxford Union dreht Alice Weidel bei. Am Wochenende sagte die AfD-Chefin den Termin bei dem renommierten akademischen Debattierclub mit Verweis auf Sicherheitsbedenken ab (Guardian, Telegraph, Stern). Am kommenden Mittwochabend sollte Weidel in Oxford ans Rednerpult treten, was international über Tage für heftige Diskussionen sorgte (NYT, Dlf, Stern, Telegraph). Knapp 300 Professoren, Wissenschaftler und Studierende protestierten in einem Offenen Brief dagegen. Doch es gab auch Befürworter: “I take the classic liberal position that it’s better to have the open debate, have them be challenged, and then often that ends up demolishing and exposing their position much more effectively than anything else,” erklärte Timothy Garton Ash in der NYT. Passend zu der Streitfrage: ein Podiumsgespräch morgen abend an der FU Berlin. Der Berliner Historiker Paul Nolte und der US-Moralphilosoph Jay Wallace (Berkeley) diskutieren dort über die Bedeutung und die Grenzen der Meinungsfreiheit an Universitäten in Zeiten des Populismus.
  
 
 
Nachbeben zur ExStra-Entscheidung
Gut einen Monat nach der millionenschweren ExStra-Entscheidung (ZEIT) geraten Informationen an die Öffentlichkeit, die die Exzellenzkommission und ihre darin vertretenden Wissenschaftler nachträglich in ein schiefes Licht rücken. Nach Recherchen unseres Autors Jan-Martin Wiarda (Blog) ist in dem „wissenschaftsgeleiteten Verfahren“ ein zweistelliger Millionenbetrag auf eine Weise vergeben worden, die Fragen aufwirft. Bei den Geldern geht es um die sogenannten Universitätspauschalen, die zwischen 500.000 und 1 Million Euro pro Jahr und Cluster variieren. Diese Strategie-Gelder für die Hochschulleitung können nach den vereinbarten ExStra-Vergaberegularien (PDF) Unis erhalten, die A) ein Cluster eingeworben haben und B) ein Konzept zur Verwendung der Unipauschale vorgelegt haben, das eine gesonderte Plausibiltätsprüfung besteht. „Von den 57 erfolgreichen Clusteranträgen haben 57 die Universitätspauschale bewilligt bekommen“, heißt es im Wiarda-Blog unter Berufung auf die DFG. Über diese bemerkenswerte 100-Prozent-Erfolgsquote hatte die DFG bei der Bekanntgabe der Förderentscheidung Ende September so wenig informiert wie der Wissenschaftsrat oder auch Vertreter der Politik. Dabei handelt es sich um keine Petitesse: Die Summen für die Unileitungen werden aus dem gleichen 385-Millionen-Topf geschöpft wie die Cluster-Gelder und fließen in der vereinbarten Höhe – anders als die Clusterfördersummen, die nach der überraschenden (und in der Bund-Länder-Vereinbarung nicht vorgesehenen) Ausweitung der Förderfälle ohnehin um ein Viertel gekürzt werden. Die Debatte über "transparente, wissenschaftsgeleitete Vergabeverfahren“ in Deutschland ist eröffnet.
  
 
 
Kleine Fächer, Siemens und das pralle Uni-Leben
Apropos Geisteswissenschaften – es gibt für sie auch gute Nachrichten. Zumindest in Deutschland. Heute startet die Ausschreibung zur Förderinitiative „Kleine Fächer-Wochen“. Bei dem vom Bund finanzierten HRK-Projekt erhalten bis zu 15 Hochschulen maximal 50.000 Euro (Einzelvorhaben) beziehungsweise 60.000 Euro (Verbundvorhaben). Mit dem Geld sollen „die wissenschaftlichen Leistungen und die Alltagsrelevanz Kleiner Fächer öffentlich sichtbarer“ werden. Deutlich tiefer als der Bund greift Siemens in die Tasche. Rund 600 Millionen Euro will das Unternehmen investieren, um rund um seinem Spandauer Stammsitz einen Technologiepark zu entwickeln (Tagesspiegel, Wirtschaftswoche). Der Wermutstropfen für die Berliner Wissenschaft: Nur 70 Millionen fließen originär in die Forschung. Im Vergleich zu anderen Uni-Städten ist das aber ein Luxusproblem. In Darmstadt protestieren rund 600 Architektur-Studierende von der TU gegen die miese Ausstattung ihres Fachs (Frankfurter Rundschau). An der Universität Bonn sind unterdessen rund 30 Räume derart stark mit Quecksilber belastet, dass der Aufenthalt in den Zimmern bis auf weiteres – nein, nicht verboten, sondern lediglich zeitlich streng kontingentiert ist (Westfälische Nachrichten, Bild). Manche Räume dürfen nicht mehr als 2,5 Stunden, andere nicht länger als acht Stunden betreten werden. Gezählt sind voraussichtlich auch die Stunden, die eine Astronomie-Professorin noch an der ETH Zürich verbringen wird. Nach Schikane-Vorwürfen von Doktoranden war die Wissenschaftlerin im Frühjahr in die Schlagzeilen geraten. Jetzt leitet die ETH das Entlassungsverfahren ein (Süddeutsche Zeitung, Science).
  
   
   
   
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Die Zahl
 
 
   
 
   
5.114
Visaanträge für Studien- und Forschungsaufenthalte hat Deutschland seit 2015 abgelehnt. Im gleichen Zeitraum wurden 44.654 Anträge genehmigt. Wie aus der Antwort der Bundesregierung (PDF) auf eine Anfrage der Grünen weiter hervorgeht, variieren die Wartezeiten stark. Sie liegen zwischen wenigen Tagen und einem Jahr. 52 Wochen vergehen, bis über Visa-Anträge aus dem Iran entschieden ist. In Pakistan beträgt die Wartezeit zwischen 21 und 24 Wochen, in Serbien 25 Wochen und in Indien, Marokko sowie den Philippinen je 16 Wochen.
   
 
   
Quelle: Bundestag 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
 
 
3½  Fragen an…
 
 
   
 
   
Stefan Altevogt
Senior Program Associate, Nordamerika-Büro der Deutschen Forschungsgemeinschaft, New York

Was haben Sie zuletzt von jemand anderem gelernt?
Die Redaktion des Economist erinnerte uns zu seinem 175-jährigen Bestehen mit einer Reihe von Beiträgen an die Geschichte des Liberalismus. Das „manifesto for renewing liberalism“ machte dann Anfang September den Ernst der Situation für unsere freiheitlich-pluralistische Gesellschaft deutlich: Wenn das wichtigste Magazin für Herren in Nadelstreifen zu solch einem Stoßgebet greift, ist Holland in Not.
 
Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Die Effizienz einzelner Teile des Wissenschaftsbetriebs (Unis und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen) müsste vergleichbarer werden, damit neben bereits bestehender Kooperation noch ein bereichsübergreifender Wettbewerb möglich würde. Wettbewerb fördert Effizienz.
 
Lektüre muss sein. Welche?
„The Written World“ von Martin Puchner. Wenn man vor lauter Sachbüchern nicht mehr zur schönen Literatur kommt, dann doch wenigstens ein Sachbuch über das Schöne. Ansonsten: „A Perfect Mess“ von David Labaree, eine gute Einführung in die US-amerikanische Hochschullandschaft und die Frage, inwieweit Hochschulbildung privates oder öffentliches Gut ist.

Und sonst so?
Es verblüfft immer wieder, welcher Unsinn (Maaßen, Hambach, Verbrennungsmotor) mit Hinweis auf politische Gründe betrieben wird. Mein Großvater hätte gesagt: „Muss wohl Kunst sein.“
   
 
   
 
 
   
 
 
   
   
   
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Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Wenn die Klorollen fliegen Wie geht es zu an deutschen Schulen? Keiner weiß das besser als ihre Hausmeister. Hannah Knuth und Anna Mayr haben fünf von ihnen an einen Tisch gebeten 

»Auch ein kleiner Nazi kann ein guter Facharbeiter sein« Man hört verstörende Sätze an Sachsens Schulen. Lehrer sollen jetzt für den Umgang mit rechtsextremen Jugendlichen gestärkt werden. Aber das Projekt stößt auf unerwarteten Widerstand Mon Dieu ... Viele junge Lehrer, die Fremdsprachen unterrichten, haben nie im Ausland studiert. Weil das Geld knapp ist und aus Angst, ein Semester zu verlieren Mehr Praxis, bitte! Was Universitäten in Nahost und Nordafrika von deutschen Fachhochschulen lernen wollen

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
 
   
 
 
 
 
c.t.
 
 
   
 
 
Im Helmut-Schmidt-Haus tagte die Jury für den „Hochschulmanager des Jahres“, eine Auszeichnung, die CHE und ZEIT gemeinsam vergeben.  Wer der oder die Hochschulmanager/in des Jahres sein wird, wird am 5. Dezember in Berlin bekanntgegeben. –  In der Jury saßen (von links nach rechts)  Claudia Peus (TUM), Marion Schmidt (COGNOS), Margret Wintermantel (DAAD), Johanna Wanka (Ministerin a.D.), Hans-Hennig von Grünberg (HS Niederrhein), Ulrich Radtke (Uni Duisburg-Essen), Nathalie von Siemens (Siemens-Stiftung), Manuel J. Hartung (ZEIT), Frank Ziegele (CHE).
Foto: Lisa Mordhorst
 
 
 
 
 
   
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