50 Jahre Fachhochschulen | Karliczek: Kein Promotionsrecht, keine DTG | Standpunkt Jan-Martin Wiarda: Einen Hochschuldigitalpakt, jetzt! | Forever Young

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
das Statistische Bundesamt hat mal wieder eine neue Rekordmeldung in Sachen Studierendenzahl veröffentlicht – bei 2,9 Millionen sind wir inzwischen angelangt (dazu die HRK). Zeit, über das Hochschulsystem zu diskutieren, über die Aufgaben der Fachhochschulen etwa. Auch Anja Karliczek äußert sich hierzu (Das ist wichtig); derweil kämpft sie weiter um den Digitalpakt. Das nimmt Jan-Martin Wiarda im Standpunkt zum Anlass, gleich weiterzudenken – er fordert einen Digitalpakt für die Unis. 
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Universität, aber praktisch: 50 Jahre Fachhochschulen
Das große Jubiläumsfest wird unter dem Motto „Die machen Karrieren“ erst nächstes Jahr begangen – mit allem Pomp: Symposium, Campusfest und bundespräsidialem Schirmherr. Formal besiegelt aber wurde die Idee, mit den Fachhochschulen in Deutschland einen zweiten akademischen Ausbildungsweg einzuführen, schon 1968. Heute sind die FHs beliebter als je zuvor, jedenfalls bei den eine Million Studierenden (diese Zahl hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten verdoppelt). Einige FHs sind größer als manche Uni, viele sind forschungsstark, selbstbewusst sowieso – nicht zufällig haben sich fast alle 218 Fachhochschulen längst umbenannt in „University of Applied Sciences“. Die Grundfinanzierung allerdings hält mit dieser Entwicklung kaum Schrittt, die Personalnot ist groß. Über den Boom der Fachhochschulen und seine Folgen schreibt Anna-Lena Scholz in der aktuellen Ausgabe der ZEIT. Sie hat außerdem Anja Karliczek zum Interview getroffen und gefragt, wohin das Ausbildungs- und Wissenschaftssystem in Deutschland steuert. Kleiner Spoiler vorab: Dem FH-Promotionsrecht und der Idee einer Deutschen Transfergemeinschaft erteilt Karliczek eine Absage.
  
 
 
Crispr/Cas9. Und jetzt?
Die Welt diskutiert über Crispr/Cas9, nachdem in China ein Embryonenforscher behauptet, mit der Genschere das Erbmaterial von Zwillingen so verändert zu haben, dass sie HIV-resistent seien. So ist das mit der Forschung: So langsam und zäh sie häufig ist – kommt ein Durchbruch, katapultiert sie die Menschheit blitzschnell in die Zukunft. Es lohnt sich daher, dieses Video anzuschauen, in dem der Wissenschaftler He Jiankui erklärt, wie er bei der Behandlung vorgegangen ist und was seine Motivation und ethischen Überlegungen sind. Einordnungen finden Sie bei zum Beispiel bei der SZ, in der FAZ, bei ZEIT Online (auch in der Print-ZEIT); diskutiert wird bei Nature und im New Yorker. Auch der Deutsche Ethikrat und die Leopoldina äußern sich in einem Statement – sowie: Emmanuelle Charpentier, die am MPI für Infektionsbiologie in Berlin forscht und häufig als Erfinderin der Genschere bezeichnet wird, nachzulesen im Tagesspiegel.
  
 
 
Lex CEU: Stichtag 1. Dezember
In Budapest tickt die Uhr jetzt besonders laut. Der 1. Dezember steht bevor – und wenn vorher, in letzter Minute, nicht doch die Regierung einlenkt und ein Abkommen mit den USA unterschreibt, wird das Ende der Central European University in Ungarn endgültig besiegelt sein. Der Umzug nach Wien an den neuen Standort ist bereits beschlossen. Wie aber in all den Monaten zuvor ist der Protest auch in diesen Tagen sichtbar und reicht weit in die Bevölkerung hinein; Tausende demonstrierten vor dem Parlament für die Freiheit der Forschung und Lehre. (Tagesspiegel; taz
  
   
   
   
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Global Highly Cited Researchers
Für alle Freunde der Rankings: Clarivate Analytics, ein Datenanayse-Unternehmen (ehemals Thomson Reuters) hat soeben eine Liste der „Global Highly Cited Researchers“ veröffentlicht. Deutschland steht richtig gut da, auf Platz vier, und das hat sie vor allem der Max Planck-Gesellschaft zu verdanken.

HTW: Neue Spitze
Die Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin hat eine neue Spitze: Ab kommendem Sommersemster wird die HTW von Carsten Busch geleitet; Vizepräsidentin für Forschung ist Stefanie Molthagen-Schnöring, und  Vizepräsident für Lehre Tilo Wendler.

Schüller jetzt in Göttingen
Diese Frau kann Kanzlerin: Válerie Schüller. 2016 war die 44-jährige Juristin Kanzlerin an der TH Bingen, 2017 wechselte sie an die Hochschule Mainz. Und nun wurde sie soeben ins Amt der hauptberuflichen Vizepräsidentin für Finanzen und Personal gewählt – an der Universität Göttingen. Ihr Vorgänger auf ebendieser Stelle, Holger Schroeter, ist als Kanzler an die Universität Heidelberg gewechselt.

Rat für Informationsstrukturen
Der Rat für Informationsstrukturen – das sind diejenigen, die sich um die Digitalisierung der Wissenschaft kümmern, beratend jedenfalls, und die sich daher zuletzt auch über die Bund-Länder-Vereinbarung zur Errichtung einer Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) freuten – hat seine Vorsitzenden im Amt bestätigt: die Philosophin Petra Gehring (TU Darmstadt) und den Soziologen Stefan Liebig (Direktor des Sozio-oekonomischen Panels)

Job: W1, W2, W3
Das Tenure Track-Programm von Bund und Ländern (vulgo „Wanka-Milliarde“) schlägt sich handfest in unserem Stellenmarkt nieder. TT-Ausschreibungen, wohin man schaut – Biostatistik (Magdeburg), Cultural Semiotics (Potsdam), Literatur- und Mediendidaktik (Paderborn), Zellbiologie (Jena), Mikrobiologie (Freiberg). Das nennt man dann wohl: Strukturwandel. Lohnenswerter Lektüretipp dazu: Eine Auswertung des Tenure-Track-Programms von Jule Specht und  Robert Kretschmer aus der gestrigen FAZ. 
 
  
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Standpunkt
 
 
   
von Jan-Martin Wiarda
   
 
   
Macht's noch einmal, bitte 
Dass man den Tag nicht vor dem Abend loben soll und den Bundestag nicht vor dem Bundesrat, wird in Sachen Grundgesetz-Änderung gerade deutlich. Nachdem sich die Fraktionsspitzen von Regierung und Opposition am vergangenen Freitag auf einen Grundgesetz-Kompromiss geeinigt hatten, glaubte Bildungsdeutschland wieder ein bisschen an sich. Wir können es also doch: Kompromisse schließen. Den Föderalismus zum Laufen bringen. Und uns der Digitalisierung in der Bildung stellen.
Doch plötzlich ist der Streit wieder da. Die Zustimmung der Länder scheint nicht mehr sicher und der davon abhängende Start des Digitalpakts Schule zum 1. Januar 2019 auch nicht. Übertreibe ich den Optimismus, wenn ich in dieser Situation gleich noch einen zweiten Digitalpakt forderte? Mag sein, aber die aus meiner Sicht wichtigere Frage lautet: Wann, wenn nicht jetzt?
Also: Was für die Schulen nach zwei Jahren Zitterpartie hoffentlich bald und trotz allem gelingt, brauchen wir gleich nochmal. Wir brauchen einen Digitalpakt Hochschule. Bund und Länder müssen sich zusammentun, um auch die Hochschullehre ins Zeitalter der Digitalisierung zu katapultieren. Das eigentlich Erstaunliche ist ja, wie geduldig Lehrende und Lernende die analoge Realität bislang hingenommen haben.
Um es ganz deutlich zu sagen: Vorlesungen mit Powerpoint oder online verfügbare Kursliteratur sind keine Digitalisierung der Hochschullehre. Die ergibt sich erst, wenn die bestehenden Formate in der Breite hinterfragt, angereichert und neu gestaltet werden: durch interaktive Elemente, durch Feedback-Systeme, durch eine Mischung aus Online- und Präsenzinhalten. 
Ja, klar: Es gibt Förderprogramme des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), die Forschung, Forschung und nochmal Forschung zu den unterschiedlichsten Digi-Lehrveranstaltungen finanzieren. Es gibt das honorige Hochschulforum Digitalisierung, in dem sich viele Hochschulleitungen und wenige Vollzeit-Hochschullehrer austauschen und Konzeptentwicklung betreiben. Und als vergangenes Jahr erste Überlegungen zur Zukunft des Hochschulpakts angestellt wurden, kam dabei hin und wieder auch das Stichwort „Digitalisierung“ vor.
Aber das war’s dann auch. Dabei wäre ein Digitalpakt Hochschule sogar günstiger zu haben, weil die notwendige Technik, die Breitbandanschlüsse und die W-Lan-Qualität in den Hörsälen und Seminarräumen der Republik längst Standard sind. Überhaupt nicht Standard sind großzügige Förderprogramme für Lehrende, die die neuen Lehrformate in den Hochschulalltag einbauen, sie sinnvoll mit den bestehenden Curricula verzahnen wollen. Wir brauchen einen Digitalpakt Hochschule, der die Digitalisierung der Hochschullehre in der Breite ermöglicht und die Spitze fördert.
Konkret liefe das auf zwei Förderlinien hinaus. Die erste: die Projektförderung für technisch anspruchsvolle Lehrveranstaltungen mit dem Potenzial, eine breite Ausstrahlung in der Hochschule zu haben. Die zweite: ein Strategiewettbewerb für ganze Hochschulen mit 10, 15 Gewinnern, die ein in sich stimmiges Digitalisierungskonzept präsentiert haben. Und stimmig heißt: Nicht allein die Hochschulleitungen dürfen dahinterstehen, den Kern müssen die Lehrenden selbst beigesteuert haben. Ja, das klingt nach einem aufwändigen Prozess. Zu Recht. 
Nutzen wir die hoffentlich bald zurückkehrende DigiPakt-Euphorie von Bund und Ländern. Die Botschaft an die Bildungspolitik lautet: Macht’s nochmal. Und zwar sofort.
   
 
   
 
   
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Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Universität, aber praktisch Vor 50 Jahren wurden die Fachhochschulen gegründet – und haben nun eine Million Studierende. Wohin treibt sie dieser Boom? 

»Gleichwertige Wege« Sollen Kfz-Mechaniker einen Bachelor bekommen und Fachhochschulen das Recht, den Doktortitel zu verleihen? Ein Gespräch mit Bundesbildungsministerin Anja Karliczek Lieber Papa… Als Marie Sußebach in der fünften Klasse war, bekam sie einen Brief von ihrem Vater, dem ZEIT-Redakteur Henning Sußebach (ZEIT Nr. 22/11). Er schrieb von seiner Sorge, der Irrsinn um das Turbo-Abitur werde seine Tochter zu sehr belasten, ihr keine Zeit für Freunde und Gitarre lassen. Jetzt hat Marie Abitur und antwortet ihrem Vater Sind Studiengänge nur für Frauen sinnvoll? In naturwissenschaftlich-technischen Berufen gibt es nur wenige Studentinnen. Extra-Programme an Fachhochschulen sollen das ändern. Vier Expertinnen über das Für und Wider

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
 
 
 
Fußnote
 
 
   
 
   
Für meinen Artikel über deutsche Fachhochschulen habe ich mit vielen FH-Professorinnen und -Professoren gesprochen. Ihnen allen habe ich dieselbe Frage gestellt: Wie sind die denn so, die Studierenden von heute? Aufgeschlossen, hörte ich da. Neugierig. Effizient. Verantwortungsbewusst. Auch ein paar kritische Worte gab es, klar (Stichwort „Studierfähigkeit“ nach dem Abi). Aber insgesamt fand ich auffällig, wie ernst die Lehrenden ihre Studierenden nehmen, auch wie pragmatisch sie umzugehen versuchen mit allem, was sich derzeit so verändert (der stete Blicks aufs Smartphone…). Von Uni-Profs kenne ich das häufig anders, da wird mehr geschimpft und gelästert – manchmal zurecht, manchmal aber auch aus mangelnder Empathie für eine Generation, die doch entschlossener als je zuvor an die Hochschulen strömt.
Anna-Lena Scholz
   
 
   
 
 
   
Forever young –

Ihr CHANCEN-Team


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