Gegen rechts: Freiheit für die KünsteSelten war sich die Kunst- und Kulturszene der Stadt so einig. »Die Kunst ist frei«, sagt Kampnagel-Intendantin
Amelie Deuflhard. Und das soll auch so bleiben. Deswegen haben sich jetzt mehr als 100 Hamburger Kulturinstitutionen und Verbände, von Kampnagel, Thalia Theater bis Bücherhallen, zusammengetan, um gemeinsam mit einer
»Hamburger Erklärung der Vielen« gegen rechte Tendenzen und die Einflussnahme auf Kunst und Kultur vorzugehen. Die Aktion kommt nicht von ungefähr. Schon jetzt gebe es, sagt Deuflhard, erste Anzeichen. So würden Kulturinstitutionen unter anderem gegen eine Flut von Kleinen Anfragen der AfD-Bürgerschaftsfraktion ankämpfen. »Solche Anfragen sind immer auch eine Anfechtung der Arbeit«, sagt Deuflhard. Alle großen Akteure der Stadt und viele kleine unterstützen schon jetzt die
bundesweite Kampagne des Berliner Vereins Die Vielen. Die Erklärung wird heute unter anderem vom Intendanten des Thalia Theaters,
Joachim Lux, und von
Bettina Steinbrügge, Direktorin des Kunstvereins, vorgestellt. Die Unterzeichner verpflichten sich nicht nur, in ihren eigenen Häusern wachsam zu sein, sondern auch entsprechende Aktionen, Veranstaltungen und Gespräche anzubieten. Und: Sie stehen künftig füreinander ein. »Damit zeigen wir, das wir Kulturschaffenden straighte Demokraten sind«, sagt Deuflhard. »Das ist keine total linke Erklärung, sie zielt auf die Mitte der Gesellschaft, denn die werden wir in der Zukunft verteidigen müssen.«
Wer sich mit den Kunst- und Kulturschaffenden solidarisieren will, kann hier ebenfalls unterzeichnen.
»Kandidieren für den Burn-out«Soll die Bürgerschaft ein Vollzeitparlament werden? Seit dem Ausstieg der Grünen-Politikerin
Stefanie von Berg wird diskutiert, ob Mandat und Beruf vereinbar sind. Was Parlamentsarbeit bedeutet, hat der Journalist
Werner Langmaack für sein Buch »Unser Teilzeitparlament – Wie die Hamburgische Bürgerschaft tickt« ein Jahr lang mitverfolgt.
Elbvertiefung: Herr Langmaack, warum waren Sie 2016 bei jeder Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft?Werner Langmaack: Ich mache mir Sorgen um unser freiheitlich-demokratisches System und wollte einen Beitrag leisten, um das parlamentarische Geschehen verständlicher zu machen. Ich wollte auch zeigen, dass durchaus interessant ist, was in der Bürgerschaft geschieht. Das ist keineswegs so öde, wie viele glauben.
EV: Wäre das aus Ihrer Sicht auch so, wenn Hamburg ein Vollzeitparlament bekäme?Langmaack: Der Charme des Hamburger Modells liegt ja darin, dass die Abgeordneten den Kontakt zum normalen Leben nicht verlieren sollen. Aus meiner Sicht wäre es ein Verlust, das aufzugeben.
EV: Aber ist das überhaupt zu schaffen? Die frühere Grünen-Abgeordnete Stefanie von Berg hat nach eigenem Bekunden täglich 16 Stunden gearbeitet. Langmaack: Dass Job und Parlamentsarbeit völlig unvereinbar wären, kann man aber auch nicht sagen. Frau von Berg hat offenbar einen sehr fordernden Job. Und sie scheint zudem sehr ambitioniert zu sein. Sie war Sprecherin für Schule, Berufs- und Weiterbildung und Religionen – das ist schon eine Menge Holz, wenn man den Anspruch hat, all diese Dinge wirklich zu durchdringen.
EV: Müssen Abgeordnete nicht genau das leisten?Langmaack: Es gibt auch Gegenbeispiele. Ole von Beust war als Bürgermeister bekannt dafür, sich nicht groß in Akten zu vertiefen. Der hat das alles etwas lässiger genommen. Auch muss man unterscheiden zwischen den kleineren und den größeren Fraktionen. Für die SPD-Fraktion leisten die Senatsressorts schon sehr viel Vorarbeit.
EV: Sie sind also für ein Teilzeitparlament, in dem die Abgeordneten ihre Verantwortung etwas lockerer sehen?Langmaack: Nein, ich sage nur, dass nicht alle Abgeordneten gleich gestresst sind. Ein Profiparlament könnte die Politikverdrossenheit eher schüren. Da sehe ich die Gefahr, dass – wie im Bundestag in Berlin – so ein Raumschiff entsteht, das über der Gesellschaft schwebt und keinen richtigen Kontakt zu den Wählern mehr hat.
EV: SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf schlägt höhere Diäten vor. Wäre das eine Lösung?Langmaack: Das ist zwar nachvollziehbar, aber zu schlicht. Die würden nichts an der Grundproblematik ändern, dass offenbar zahlreiche Abgeordnete so viel Material zu beackern haben, dass sie für den Burn-out kandidieren. Eine Entlastung wäre es beispielsweise, die Abgeordneten finanziell so auszustatten, dass sie sich eine Vollzeitkraft leisten können, die ihnen zuarbeitet.
EV: Wieso haben die Parlamentarier denn überhaupt so viel zu tun?Langmaack: Neben den Sitzungen in Bürgerschaft und Ausschüssen gibt es ja noch etliche andere Termine. Sie gehen zu parteiinternen Treffen, stimmen sich mit Interessenvertretern ab und müssen für ihre Wähler ansprechbar sein. Da passiert viel mehr, als gemeinhin kolportiert wird.