1337 Zeichen von Peter Strohschneider | Geld, Geld, Geld | Fort aus Italien | Gastkommentar: Marcel Knöchelmann über Gerechtigkeit in der Wissenchaftspolitik

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
die Deutsche Forschungsgemeinschaft zieht die Ereigniskarte, Peter Strohschneider verkündet die Trennung von seiner langjährigen Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek. Die Wirtschaft und der Bund trumpfen mit Forschungsinvestitionen, und Italiens Wissenschaft verspielt ihre Zukunft (Das ist wichtig). Ansonsten auf der Hand: Bernd Sibler ist Wissenschaftsminister in Bayern (Personen), Marcel Knöchelmann fordert Gerechtigkeit in der Wissenschaftspolitik (Gastkommentar) und der letzte Schrei im wissenschaftlichen Zeitschriftenmarkt kommt aus Oxford (Fußnote).
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
1337 Zeichen von Peter Strohschneider
Was immer passiert, Ordnung muss sein. Und so trägt auch diese Mitteilung aus der Bonner DFG-Zentrale eben eine Nummer. „DFG-Pressemitteilung, Nr. 52, 12. November 2018“ – das ist die Kennung, unter der DFG-Präsident Peter Strohschneider die Öffentlichkeit am vergangenen Montagnachmittag folgendes wissen lässt: „Frau Professor Dorothee Dzwonnek hat auf Bitten des Hauptausschusses der DFG ihr Ausscheiden aus den Diensten als Generalsekretärin erklärt und macht damit den Weg für eine geordnete Nachfolgeregelung frei. (…)“. Exakt 1337 Zeichen braucht Peter Strohschneider insgesamt, um das Ende seiner jahrelangen Zusammenarbeit mit Dorothee Dzwonnek zu besiegeln und zugleich deren Leistung für die DFG zu würdigen. Die Botschaft beginnt so nüchtern wie sie endet, gekleidet ist sie in einfachste Sätze. Nach rhetorischen Kniffen ist dem sonst so redegewandten DFG-Präsidenten in der Angelegenheit wohl nicht zumute. Als er, der Literaturwissenschaftler, am 1. Januar 2013 die DFG-Präsidentschaft übernahm, war die Juristin längst Generalsekretärin. Dzwonnek war 2007 vom Hauptausschuss in das Amt berufen worden. Matthias Kleiner war damals noch DFG-Präsident. Kleiner ging 2012, Strohschneider kam, Dzwonnek blieb. Jetzt, nach sechs Jahren an der Seite von Strohschneider geht sie. Was ist geschehen? Was bedeutet der Bruch für die DFG? Was sagt er über ihre Verfasstheit aus? „Transparenz, bitte!“, hat unser Kollege und Autor Jan-Martin Wiarda seinen Blog-Beitrag zu dem Fall überschrieben. Ob es eine Causa Dzwonnek oder eine Causa Strohschneider ist, darüber orakeln jetzt viele in der Wissenschaftsszene. Nicht wenige wollen plötzlich auch längst etwas gewusst, zumindest aber von anderen gehört oder auch nur geahnt haben, dass es an der Spitze der Deutschen Forschungsgemeinschaft Missstimmung gab. Mit gut 750 Beschäftigten in Bonn, Berlin und den Büros in Indien, Japan, Lateinamerika, Nordamerika und Russland ist die DFG-Geschäftsstelle ein mittelgroßes Unternehmen. Rund 3,2 Milliarden Euro vergibt die Deutsche Forschungsgemeinschaft mittlerweile jährlich an Fördermitteln von Bund und Ländern, und jedes Jahr kommen drei Prozent dazu. Die DFG ist eine feste Größe im Wissenschaftssystem, die Forschung an Hochschulen ohne sie nicht denkbar. Jetzt steht sie vor einem Umbruch. Der DFG-Hauptausschuss mit führenden Wissenschaftsfunktionären, Politikern im Ministerrang und Ministerialen haben die Trennung von Dzwonnek abgesegnet. Das Ende des Strohschneider-O-Tons in Pressemitteilung Nr. 52 lautet so: „Die DFG spricht Frau Professor Dzwonnek ihren aufrichtigen Dank aus. Die DFG ist davon überzeugt, dass Frau Professor Dzwonnek auch zukünftig eine wichtige Rolle im Deutschen Wissenschaftssystem spielen kann.“
  
 
 
Geld, Geld, und nochmal Geld
Es ist, als hätten sie sich abgesprochen und gemeinsam beschlossen, in der Kalenderwoche 46 (also der laufenden) nur gute Nachrichten zur Hochschul- und Wissenschaftsfinanzierung zu vermelden. Die größten Brocken aus dieser Serie: A) Der Stifterverband meldet für die Unternehmen im Jahr 2017 einen Anstieg der Forschungsinvestitionen von 9,3 Prozent auf 68,3 Milliarden Euro (Wirtschaftswoche). B) Der Haushaltsausschuss des Bundestags winkt für das Jahr 2019 eine Erhöhung des BMBF-Etats um drei Prozent durch. Wenn der Bundestag dem Votum zum Monatsende folgt, hätte Anja Karliczek im nächsten Jahr 18,1 Milliarden Euro zur Verfügung, 500 Millionen mehr als dieses Jahr. C) Nach jahrelangen Nullrunden kündigt die Bundesforschungsministerin die Anhebung des Bafög-Höchssatzes von derzeit 735 Euro auf rund 850 Euro monatlich ab Herbst 2019 an (WAZ, tagesschau). Und heute will D) das Bundeskabinett Milliarden-Investitionen in die Künstliche Intelligenz beschließen. Drei Milliarden Euro sollen bis 2025 in dieses Forschungsfeld fließen, und „mindestens 100 zusätzliche Professuren“ dazu geschaffen werden (Tagesspiegel).
  
 
 
Fort aus Italien
Die populistische Fünf-Sterne-Bewegung und die fremdenfeindliche Lega-Partei pfeifen weiter auf das, was die obersten EU-Haushaltswächter sagen. Mit dreimal so viel Schulden als Brüssel erlaubt will Italiens Regierung ein Grundeinkommen und einen frühen Renteneintritt finanzieren. Wissenschaft und Forschung stehen in Rom dagegen nicht wirklich auf dem Regierungszettel. Dabei leidet Italiens Wissenschaft seit Jahren an einem fortgesetzten Brain Drain (ZEIT, Tagesspiegel). „Fuga dei cervelli“, wie Brain Drain auf italienisch heißt,  ist dort ein stehender Begriff. Wenig attraktiv ist Italien auch für Forscher aus dem Ausland. Gerade einmal 350 der insgesamt 35.000 Wissenschaftler stammt aus dem Ausland, berichtet Times Higher Education unter Berufung auf eine italienische Studie.
  
   
   
   
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Personen
 
 
   
  
Bernd Sibler folgt auf Marion Kiechle
Für Hochschule und Wissenschaft in Bayern ist jetzt Bernd Sibler  verantwortlich. Der 47-Jährige CSU-Politiker übernimmt das Ressort von Marion Kiechle. Die Münchner Gynäkologieprofessorin hatte bei den Landtagswahlen im Oktober kein Mandat errungen. „Wir brauchen Querdenker, Problemlöser und Zukunftsgestalter“, erklärte Sibler in einer Pressemitteilung am Montag nach seiner Ernennung. Der Niederbayer ist ausgebildeter Gymnasiallehrer, lebt im Landkreis Deggendorf und war zuletzt für Schulen zuständig. Das Kultusressort hatte die CSU bei den Koalitionsverhandlungen überraschend an die Freien Wähler abgegeben. Es wird nun von Michael Piazolo geführt.
 
Opus Primum-Förderpreis geht an Mareike Vennen
Die Berliner Kulturwissenschaftlerin Mareike Vennen erhält für ihr Erstlingswerk „Das Aquarium“ den Opus Primum-Förderpreis der VolkswagenStiftung. Die Auszeichnung ist mit 10.000 Euro dotiert.
  
 
Lutz Schröter wird Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
Die nach eigenen Angaben weltweit größte physikalische Fachgesellschaft hat einen neuen Präsidenten gewählt. Lutz Schröter folgt auf Dieter Meschede, der das Amt turnusgemäß im April 2020 abgibt.
 
TH-Brandenburg: Andreas Wilms löst Burghilde Wieneke-Toutaoui ab
Die Technische Hochschule Brandenburg hat sich für einen personellen Wechsel entschieden. Mit Andreas Wilms wählte der Senat den bisherigen Vizepräsidenten an die Spitze der Hochschule. Wilms setzte sich im ersten Wahlgang mit 13:8 Stimmen gegen Amtsinhaberin Burghilde Wieneke-Toutaoui durch (Märkische Allgemeine Zeitung). Sie gibt das Amt im kommenden April ab.
  
 
In eigener Sache: Maximilian Probst erhält Bloch-Förderpreis
Freude im ZEIT CHANCEN-Ressort! Unser Kollege Maximilian Probst wird heute mit dem Ernst-Bloch-Förderpreis ausgezeichnet.

Job: Juniorprofessuren mit Tenure Track
Die Universität Mainz und die Technische Universität Dortmund haben Juniorprofessuren mit Tenure Track zu besetzen. In Mainz kommen Experten für Geschichte und Kultur des Islam im östlichen Mittelmeerraum für die Stelle (von W 1 auf W2 mit Tenure) in Betracht, in Dortmund Wirtschaftswissenschaftler mit dem Spezialgebiet Marketing. Die Dortmunder Professur ist zunächst mit W1 dotiert, mit Tenure wird daraus eine W3-Stelle.
  
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
   
   
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Gastkommentar
 
 
   
von Marcel Knöchelmann
   
 
   
Gerechtigkeit in der Wissenschaftspolitik
Freier Zugang zu Wissen – das ist die Vision von Open Access. Demnach sollten wissenschaftliche Publikationen für jeden Leser ohne Kosten online zugänglich sein. Viele Verlage und wissenschaftliche Gesellschaften bieten das jedoch noch nicht oder nur gegen hohe Gebühren an. Dadurch stößt eine Initiative wie Plan S auf Abwehr. Hinter Plan S steht ein Konsortium aus mittlerweile 15 nationalen und internationalen Wissenschaftsförderorganisationen, die ihre finanzielle Förderung ab 2020 daran knüpfen, dass die Ergebnisse der geförderten Forschung Open Access publiziert werden. Wenn nun Verlage in ihren Fachzeitschriften nicht das richtige Open Access-Modell anbieten, dann fühlen sich Wissenschaftler um ihre Wissenschaftsfreiheit betrogen, denn diese Fachzeitschriften stehen für eine mögliche Publikation fortan nicht mehr zur Verfügung. So die Argumentation, bspw. derzeit zu lesen in einem von 950 Forschern unterzeichneten Appell an die Träger von Plan S.
Dies offenbart zugleich das eigentliche Problem: Es geht bei der Diskussion kaum um Open Access, sondern darum, dass Wissenschaftlern die Publikation in Journalen mit Top-Marken verwehrt werden könnte. Denn nur wer sich mit Top-Marken auf seiner Publikationsliste rühmen kann, wird Karriere machen, so der Duktus. Open Access wie auch Plan S versuchen genau solche künstlichen Barrieren aus Marken und Metriken aufzubrechen, um der Wissenschaft etwas Konkurrenzdenken auszutreiben und Kooperationssinn zu stiften.
Wenngleich keine deutsche Organisation Plan S mitträgt, muss Deutschland als Wissenschaftsstandort genau hier aktiver werden: Budgets für Open Access sollten zielgerichteter bestimmt werden, denn Open Access ist kein Produkt, dass Wissenschaftler sich teuer erkaufen müssen. Stattdessen können mithilfe der Budgets universitätseigene oder von Wissenschaftlern geführte Open Access-Verlagsangebote gefördert werden. Zudem müssen sich mehr Institutionen dem transparenten, qualitativen Urteil über Publikationen verpflichten und dies bei Anstellungen und Karriereentscheidungen auch Beurkunden. Und allen voran: Es fehlt an Aufklärung vor Ort, was Open Access fachspezifisch bewirken kann (mehr Gerechtigkeit und Transparenz) und was Open Access nicht heißt (Publikationsgebühren oder Qualitätseinbruch). Denn Offenheit passiert nicht durch mehr Geld, sondern durch ein gerechteres Paradigma.
Den Gedanken von Gerechtigkeit wieder in der Wissenschaftspolitik zu verankern, ist eine Kernaufgabe, die sich das neue Netzwerk für Wissenschaftspolitik in der SPD gesetzt hat. Wir laden alle ein, miteinander zu diskutieren, um den Wissenschaftsstandort Deutschland gerechter und fairer zu gestalten.
 
Marcel Knöchelmann ist Doktorand am University College London und forscht zu Wissenschaftssoziologie und Publikationsverhalten in den Geisteswissenschaften.
 
   
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Berlin ist nicht Ibbenbüren Vor acht Monaten übernahm die CDU-Politikerin Anja Karliczek als Quereinsteigerin das Bundesbildungsministerium. Doch selbst in ihrer eigenen Partei fragt sich mancher, ob das der richtige Ort für sie ist

Ackern und den Mund halten Leiter der DAAD-Informationszentren haben viel Verantwortung, sind aber nur über einen befristeten Fördervertrag lose an den DAAD gebunden. Dagegen klagen jetzt die ersten Die dritte Mission Neben Forschung und Lehre setzen Hochschulen vermehrt auf gesellschaftliches Engagement. So entsteht ein neues Arbeitsfeld für Akademiker

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
 
 
 
Fußnote
 
 
   
 
   
No-Name-Debatte
Im wissenschaftlichen Publikationswesen gibt es eigentlich nichts, was es nicht gibt. Neben zahllosen Peer-Review-Zeitschriften tummeln sich mittlerweile so viele Pseudojournale auf dem Markt, dass einem längst die Augen tränen. Was soll da noch kommen, denkt man abgeklärt, um in diesen Tagen doch überrascht zu werden. Der letzte Schrei kommt aus Oxford. Dort plant ein internationales Forscherteam um den britischen Moralphilosophen Jeff McMahan das interdisziplinäre „Journal of Controversial Ideas“. Der Name ist Programm. Die Zeitschrift soll randvoll sein mit Aufsätzen zu strittigen, sensiblen Themen. "The need for more open discussion is really very acute. There's greater inhibition on university campuses about taking certain positions for fear of what will happen“, erklärte McMahan den Kerngedanken des wissenschaftlichen Debatten-Journals kürzlich in der Sendung „University unchallenged“ bei BBC Radio 4. Jeder einzelne Beitrag werde vor der Veröffentlichung von Gutachtern geprüft. 100 Prozent Wissenschaft für die Leser, und obendrauf gibt es diesen USP: Im „Journal of Controversial Ideas“ bleiben alle Autoren anonym, sie können sich angstfrei äußern. Solch eine No-Name-Debatte hat der Wissenschaft echt gefehlt. Mehr dazu bei Twitter.
Christine Prußky
   
 
   
 
 
   
Wir streiten gern,

Ihr CHANCEN-Team


PS: Gefällt Ihnen der CHANCEN Brief, dann leiten Sie ihn gern weiter. Haben Sie ihn weitergeleitet bekommen, melden Sie sich ganz einfach und unverbindlich an – unter www.zeit.de/chancen-brief. Dann schicken wir Ihnen den Newsletter, solange Sie wollen, immer montags und donnerstags zu.
 
 
 
 
   
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