Vor zwei Jahren zog der Präsidentschaftskandidat Donald Trump Tag für Tag über den damaligen Amtsinhaber Barack Obama her. Um 09.30 Uhr am 9. August 2016 twitterte er: "We need a President who isn't the laughingstock to the entire world" – "Wir brauchen einen Präsidenten, der nicht die Lachnummer der ganzen Welt ist." Immer wieder polterte er: "Die Welt lacht uns aus."
Am Dienstag vergangener Woche lachte die Welt ihn aus, als er seine Rede in der Vollversammlung der Vereinten Nationen mit dem prahlerischen Satz begann: "In weniger als zwei Jahren hat meine Regierung mehr erreicht als fast sämtliche Regierungen in der Geschichte unseres Landes." Unbändiges Gekicher und Gelächter war die Reaktion der Versammlung. Verdutzt warf Trump ein: "Hab diese Reaktion nicht erwartet, aber das ist schon okay."
Am nächsten Tag stellte er Dinge dreist auf den Kopf: "Die Fake-News behaupten, die Leute hätten mich ausgelacht. Sie haben mich nicht ausgelacht. Sie haben mit mir gelacht." Die New York Times widersprach: "Amerikas Präsident wird mittlerweile auf dem wichtigsten internationalen Forum verlacht."
Trumps Aufschneiderei hat viele hämische Kommentare hervorgerufen. Darüber ist fast untergegangen, was er sonst noch sagte – und nicht sagte.
Erwartungsgemäß nahm er das "brutale Regime der korrupten Diktatur in Iran" auf die Hörner und lobte sich für den Rückzug aus dem Nuklearabkommen mit Teheran. In Nahost und Mittelost, behauptete er, habe seine neue Herangehensweise "große Fortschritte und historischen Wandel" erbracht. Ein Faktencheck vermag das freilich weder für Afghanistan, den Irak und Syrien oder Jemen und Israel/Palästina zu bestätigen; Prahlerei also auch hier.
Chinas Wirtschaftspolitik griff Trump erneut scharf an; sie habe die USA drei Millionen Industriejobs gekostet; seit die Volksrepublik 2001 der Welthandelsorganisation beitrat, hätten 60.000 amerikanische Fabriken schließen müssen. Trotz "großer Hochachtung und Zuneigung" für seinen Freund Xi, könnten Chinas Marktverzerrungen nicht länger geduldet werden. In seiner Pressekonferenz am nächsten Tag ging Trump weiter: "Ich mag Präsident Xi sehr. Ich glaube, er ist mein Freund, aber vielleicht ist er auch nicht länger mein Freund." Dafür rühmt er den nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un: "He likes me, I like him." "Wir kommen gut zurecht miteinander." Die Abrüstungsgespräche stocken allerdings.
"Deutschland wird total abhängig von russischer Energie"
Über die Türkei, mit der er im Streit liegt, sprach Trump überhaupt nicht. Wohl lobte er die Emirate, Saudi-Arabien und Katar, aber schon fünf Minuten später beschimpfte er die OPEC-Staaten, die alle anderen über den Tresen zögen (ripping off the rest of the world) – wo doch, wörtlich, "die Vereinigten Staaten bereitstehen, ihr im Überfluss vorhandenes Erdöl, ihre saubere Kohle und ihr Erdgas zu exportieren". Moskau kam überhaupt nur am Rande einer Bemerkung über russische Energielieferung vor, deren Spitze sich wieder einmal – und wiederum fern der Fakten – gegen Berlin richtete: "Deutschland wird total abhängig von russischer Energie, wenn es nicht unverzüglich seinen Kurs ändert."
Wichtiger jedoch, und erschreckender, ist das, was Trump in seiner Rede zu den Grundsätzen seiner Weltpolitik sagte. Schon letztes Jahr hatte er die Themen "Souveränität" und "Unabhängigkeit" angeschlagen. Seitdem hat er gezeigt, was er darunter versteht. Er tut und lässt, was er will, ohne Rücksicht auf andere (siehe seine Sanktionspolitik zulasten Dritter). Er verabscheut und kündigt multilaterale Verträge (Transpazifische Partnerschaft, Klimaabkommen, Iran-Vertrag, Nafta) und verlässt sich lieber auf bilaterales strong-arming, auf Armdrücken also zwischen den USA und einzelnen Partnern. Auch verachtet er internationale Institutionen (Kürzung des US-Anteils am UN-Budget auf 25 Prozent, wobei er sich die Entscheidung darüber vorbehält, wohin das Geld geht, Ausscheiden aus der Unesco, dem Internationalen Gerichtshof und dem UN-Menschenrechtsrat, Angriffe aber auch auf die Welthandelsorganisation WTO). "America first" heißt für diesen Präsidenten "America alone".
"Sehr, sehr großes Hirn"
"Wir müssen unsere Souveränität und unsere geschätzte Unabhängigkeit schützen", verkündete Trump. Und fügte den rätselhaften Satz hinzu: "That is why America will always choose independence and cooperation over global governance, control and domination." Wie bitte? Man kratzt sich den Kopf. Was versteht Trump denn unter Kooperation anderes, als dass alle nach seiner Pfeife tanzen? Und was meint er eigentlich mit global governance – etwa eine Weltregierung, die es nun wirklich nicht gibt? Und wer wollte oder könnte schon Amerika seiner Kontrolle und Herrschaft unterwerfen? Das ist alles das Gefasel eines Präsidenten, dessen Agenda in den Worten des New-York-Times-Leitartiklers "atavistisch und noch immer ziemlich zusammenhanglos" ist.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier beschönigt zwar: "Die USA und die EU haben viel mehr gemeinsame Interessen als Gegensätze." Ein schöner Satz, der sieben Jahrzehnte lang richtig war. Unter Donald Trump hat er seine Gültigkeit verloren. Und wenn Altmaier beteuert, "wir schmieden gegen unsere Freunde keine Allianzen" – ist unser Bundesaußenminister Heiko Maas nicht gerade dabei, weltweit eine "Allianz der Vernünftigen" gegen das nach dessen eigener Einschätzung "stabile Genie" im Weißen Haus zusammenzuzimmern, das auf seiner letzten Pressekonferenz wieder einmal großmäulig sein "sehr, sehr großes Hirn" anpries?
Donald Trump ist unberechenbar. Es ist kein Verlass auf ihn. Nicht zum ersten Mal war er lächerlich. Doch zum Lachen ist das wahrhaftig nicht.