Meckpomm schert aus | Orbán vs. Steinmeier | Gastkommentar Konrad Wolf: Hochschulen und Berufliche Bildung | Umfrage: Warum twittern Sie nicht?

 
Wenn dieser Newsletter nicht richtig angezeigt wird, klicken Sie bitte hier.
 
   
 
Liebe Leserinnen und Leser,
haben wir zu viele Studierende? Gehören die wirklich alle an die Uni? Fragen, die sich am Semesterbeginn immer besonders akut stellen. Konrad Wolf, Wissenschaftsminister in Rheinland-Pfalz, votiert im heutigen Gastkommentar dafür, Hochschulen und Berufsbildung stärker aneinanderzuführen. Interessante Neuigkeiten gibt es außerdem aus Mecklenburg-Vorpommern: hier will man sich des Akkreditierungswesens entledigen. Und wenn Sie in diesen Tagen auch so viel über #Wisskomm nachdenken wie wir, dann nehmen Sie doch bitte an unserer selbstgebastelten Studie über (nicht) twitternde Wissenschaftler teil: in der Fußnote. 
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Akkreditierung: Mecklenburg-Vorpommern schert aus
Donnerschlag aus dem Norden. Mecklenburg-Vorpommern will sich einen neuen Hochschulvertrag geben. Das Ministerium will mit der Gesetzesänderung, die ab 2019 gültig sein soll, einen „Schwerpunkt auf bessere Arbeitsbedingungen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“ legen, sagte Ministerin Birgit Hesse: „Mir ist wichtig, dass wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf an unseren Hochschulen verbessern und sicherstellen, dass mehr Frauen Spitzenpositionen in der Wissenschaft erreichen können. Im Fokus stehen außerdem moderne Lehre und Forschung mit den Vorteilen der Digitalisierung“. Konkret bedeutet das zum Beispiel: Das Kaskadenmodell wird als gleichstellungspolitische Maßnahme im Gesetz verankert; die Verbeamtung im Mittelbau wird wieder eingeführt; das Hausberufungsverbot aufgeweicht. Die Universitäten werden in Sachen Promotion zur Kooperation mit den FHs angehalten, und ein Masterstudium wird auch ohne B.A.-Abschluss möglich sein. Aufsehenerregend aber ist folgende Änderung: Das Land will seine Hochschulen von der Akkreditierungspflicht entbinden. Die Hochschulen könnten demnach neue Studiengänge einführen und sie zugleich einem eigenen Qualitätscheck unterziehen, ohne die Akkreditierungsagenturen dafür bezahlen zu müssen. Eine clevere Sparmaßnahme und Ausweis der Hochschulautonomie? Oder irrwitziger Alleingang? Die Frage ist, ob die Hochschulen die neue Freiheit überhaupt wollen. Denn Abschlüsse einer nicht-akkreditieren Hochschule aus Meck-Pomm wären nicht bundesweit gültig (dies wiederum beruht auf einem Staatsvertrag der KMK von 2017), und das könnte Studierende abschrecken. Insgesamt also ein eher dialektischer Move. – Den Gesetzesentwurf finden Sie hier; er darf und soll diskutiert werden: bis zum 14. November darf man Stellungnahmen zu dem Entwurf im Ministerium abgeben.
  
 
 
German Intelligentsia
Wie erfolgreich ist Deutschlands Wissenschaft? Kommt drauf an, wen man fragt. Bill Gates krittelte soeben bei seinem Berlin-Besuch herum: das Potenzial hierzulande sei ungenutzt, Innovationen würden zu wenig gefördert, so berichtet die SZ. Andererseits aber erschien gestern der Global Competitiveness Report des World Economic Forum, und der behauptet das glatte Gegenteil: Deutschland belegt hier hinter den USA und Singapur Platz drei der weltweit wettbewerbs- und innovationsstärksten Nationen der Welt (ZEIT Online). Interessant auch die Einschätzung der Financial Times, die gerade über den Brain Drain der USA und Großbritanniens schrieb: „Good thinkers will move for money, a welcome, freedom of inquiry and the company of other minds. The US and UK are losing dominance in all those things. We’re moving into a multipolar intellectual world“, schreibt Simon Kuper. China, Autsralien, Kanada profitierten, meint er – und: Berlin: „Long-term, the most exciting rising new intellectual capital might be the very city that lost its intelligentsia under Hitler: Berlin. German intellectuals had already been congregating in the cheap, thrilling, bohemian capital, and foreigners are starting to follow.“
  
 
 
Orbán vs. Steinmeier
Die ungarische Regierung beschneidet erneut die Wissenschaftsfreiheit. Nach einem Regierungserlass wurden die Gender Studies aus der Liste der zugelassenen Studiengänge gestrichen. Betroffen sind zwei Universitäten, an denen entsprechende Masterstudiengänge angeboten wurden, die ohnehin gescholtene Central European University sowie die staatliche Eötvös-Loránd-Universität. Die Regierung begründet diesen Schritt mit vermeintlich zu geringem Interesse auf Seiten der Studierenden und sagte außerdem: „The Hungarian government is of the clear view that people are born either men or women. They lead their lives the way they think best, but beyond this, the Hungarian state does not wish to spend public funds on education in this area“ (Reuters; SpOn; Inside Higher Ed). – Demokratien brauchen freie Universitäten und freie Gedanken: ein Grundsatz, den Victor Orbán offensichtlich gering schätzt. Anders Frank-Walter Steinmeier. Der Bundespräsident hält heute anlässlich des 200-jäährigen Jubiläums der Universität Bonn ebendort eine Rede, die wir ins Auszügen in der neuen Ausgabe der ZEIT veröffentlichen. Darin sagt Steinmeier: „Wenn Universitäten – neben ihrer zentralen Rolle in der Academia – auch Orte der Demokratie sind, sein müssen, dann reicht ihre Verantwortung weiter als bis zum Labor und Vorlesungssaal! Ich wünsche mir Hochschulen mit selbstbewussten Menschen und überzeugten Demokraten, die an der Universität arbeiten, in der Universität das Denken und Debattieren lernen und auch das: die aus der Universität heraus in die Gesellschaft wirken!“
  
   
   
   
Anzeige
 
   
   
   
 
 
   
 
 
 
 
Personen
 
 
   
  
Hofmann übernimmt TUM
Auf diese Personalie haben alle gespannt gewartet, gestern Abend kam die Meldung: Der Hochschulrat der Technischen Universität München hat Thomas Hofmann zum neuen Präsidenten gewählt. Der Chemiker ist bereits seit 2009 Geschäftsführender Vizepräsident für Forschung und Innovation. Er folgt auf TUM-Urgestein (und übrigens ebenfalls Chemiker) Wolfgang Herrmann, der die Universität 23 Jahre lang geleitet hat.

Schill leitet HWK
Das Hanse-Wissenschaftskolleg, eines von weltweit 25 Institutes for Advanced Study, hat eine neue Leiterin: die Informatikerin und Humanbiologin Kerstin Schill. Das HWK wurde 1997 als gemeinnützige Stiftung der Länder Bremen und Niedersachsen sowie der Stadt Delmenhorst gegründet und sitzt ebendort.

Koehler für mehr KI
Der Leitungskreis des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) verkündete gestern, wer die neue Geschäftsführerin des Zentrums wird: Jana Koehler. Die Informatikerin der Hochschule Luzern folgt auf Wolfgang Wahlster, der den Posten mehr als 20 Jahre innehatte. Das DFKI wurde 1988 gegründet; es unterhält Standorte u.a. in Kaiserslautern, Saarbrücken, Bremen.

Job: Exzellenz managen
Kaum wurden die Exzellenzcluster der Zukunft verkündet (ZEIT 41/2018), schlagen sie schon auf dem Stellenmarkt durch, zu besichtigen in der neuen ZEIT. Denn die Cluster brauchen nicht nur Profs, Postdocs, Hiwis, sondern auch Personal für die strategische Leitung. Beispiel Uni Konstanz: Das Cluster „The Politics of Inequality: Perceptions, Participation and Policies“ sucht eine Geschäftsführerin, eine Referentin für Wissenschaftskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit sowie eine Forschungs- und Datenmanagerin (m/w).
  
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
   
   
Anzeige
 
   
   
   
 
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Gastkommentar
 
 
   
von Konrad Wolf
   
 
   
Wie Hochschulen die berufliche Bildung stärken
In der öffentlichen Debatte wird immer wieder diskutiert, ob wir zu viele Studierende haben, dadurch die berufliche Bildung geschwächt wird und die Öffnung der Hochschulen diese Entwicklung noch verstärkt. Ich halte dagegen: Die Öffnung der Hochschulen stärkt die berufliche Bildung!
In den letzten Jahren haben sich die Möglichkeiten, ohne Abitur zu studieren, deutlich verbessert. Damit ist die Quote der Studienanfängerinnen und -anfänger ohne Abitur gestiegen – in Rheinland-Pfalz von 1,12 Prozent (2010) auf 2,97 Prozent in 2015. Damit liegt Rheinland-Pfalz im Ländervergleich auf dem vierten Platz und über dem Bundesdurchschnitt.
Wir haben schon früh den Weg der offenen Hochschulen eingeschlagen und sind ihn konsequent weiter gegangen: 1996 wurde der Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte möglich. Heute erfolgt mit einem Meisterabschluss oder einer vergleichbaren Qualifikation eine unmittelbare Berechtigung für das Studium aller Fächer. Zudem gehen wir neue Wege, z.B. mit dem Modellprojekt „Lehre plus HS“ der Hochschule Kaiserslautern und Handwerkskammer der Pfalz. Azubis können bereits während der Ausbildung ECTS-Punkten erwerben, die sie später für ein Studium oder für eine Fortbildung anrechnen können. So entsteht eine enge Verbindung der Hochschule mit Unternehmen und berufsbildenden Schulen.
Der offene Hochschulzugang führt dazu, dass der Wert beruflicher Bildung steigt: Berufsabschlüsse und -praxis werden beim Hochschulzugang anerkannt. Das bricht mit der klassischen Vorstellung des Schulabschlusses als einziger Weg zu einer Hochschulzugangsberechtigung und erkennt an, dass auch eine Berufsausbildung und Berufspraxis Kompetenzen vermittelt, die für ein Studium qualifizieren. Bildungswege sind keine Sackgassen mehr; Jede findet ihren Weg und Jeder findet seinen Weg!

Prof. Dr. Konrad Wolf, Minister für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Rheinland-Pfalz
   
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
»Ich bin der Papa« In Deutschland fehlen über tausend Schulleiter. Wer den Direktor Bernd Bruns begleitet, versteht, woran das liegt 

Gar nicht so schlimm? Ein Forschungsprojekt zeigt: Schulleiter sind davon überzeugt, dass sie ihren Job erfolgreich meistern Universität braucht Freiheit Vor 200 Jahren wurde die Uni Bonn gegründet. Welche Rolle spielen Hochschulen heute für die Gesellschaft? Von Frank-Walter Steinmeier Zum Abschalten Die Digitalisierung, heißt es oft, verändere alles. Aber was verbirgt sich eigentlich hinter diesem Begriff? Zwei Bücher bieten einen spielerischen Einstieg ins Thema »Häufig fehlt der Mut« Der Online-Modehändler About You ist eines der erfolgreichsten deutschen Start-ups. Tarek Müller hat es aufgebaut. Ein Gespräch über Pokerkoffer, Gründergeist und digitale Bildung

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
 
 
 
Fußnote
 
 
   
 
   
Viele von Ihnen sind bei Twitter. Viele aber auch nicht. Warum eigentlich? Das fragte vorgestern die Historikerin Charlotte Jahnz (@CJahnz) – sie twitterte: „Umfrage, die ich gerne mal lesen würde: den Großteil der deutschen Professorenschaft gesammelt fragen, warum er nicht twittert. Reichen auch fünf Sätze für jeden.“ Der Tweet wurde vielfach geliked, geteilt, diskutiert. Nur an den nicht-twitternden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ging das Ganze aus naheliegenden Gründen vorbei. Schade, ich würde nämlich auch gerne genauer wissen, in welchem Umfang und aus welcher Motivation heraus die deutsche Scientific Community soziale Medien nutzt oder meidet. Ich starte also hiermit meine eigene, kleine qualitative Studie: Schreiben Sie mir in maximal fünf Sätzen an chancen-brief@zeit.de, warum Sie nicht twittern! Ich teile Ihre Antworten (mit Namen oder anonym) dann für allgemeine Forschungszwecke auf meinem Twitter-Account.
Anna-Lena Scholz
   
 
   
 
 
   
#WeLoveAcademia

Ihr CHANCEN-Team


PS: Gefällt Ihnen der CHANCEN Brief, dann leiten Sie ihn gern weiter. Haben Sie ihn weitergeleitet bekommen, melden Sie sich ganz einfach und unverbindlich an – unter www.zeit.de/chancen-brief. Dann schicken wir Ihnen den Newsletter, solange Sie wollen, immer montags und donnerstags zu.
 
 
 
 
   
Anzeige
Jobs im ZEIT Stellenmarkt
Jetzt Branche auswählen und Suche starten: