Freitext: Heinz Helle: Es geht ihnen nicht um Deutschland

 
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11.10.2018
 
 
 
 
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Es geht ihnen nicht um Deutschland
 
 
Alexander Gauland, Björn Höcke, Alice Weidel und all die Neuen Rechten: Was wollen sie eigentlich verteidigen? Sie scheinen nichts an Deutschland zu schätzen, sie scheinen es noch nicht einmal zu kennen.
VON HEINZ HELLE

 
Kurz vor einer AfD-Demonstration am 1. September in Chemnitz (© Sean Gallup/Getty Images)
 

Ich frage es mich jedes Mal, wenn ich diese Bilder sehe von wütenden Leuten mit schwarz-rot-goldenen Fahnen oder mit schwarz-weiß-roten, wenn ich in Videos sehe, wie sie ihre Fäuste recken und ihre Ärsche zeigen, wenn ich sie schreien höre, wenn ich sie auf die Straße springen sehe, zu dritt, um einem Mann hinterherzujagen, der etwas dunklere Haut hat als sie.
 
Ich frage es mich, wenn ich lese und höre, was gewisse Politiker so sagen zu diesen Bildern oder einfach so, weil ja Wahlkampf ist oder Donnerstag oder Herbst.
 
Ich frage es mich, wenn ich an der Supermarktkasse mein Portemonnaie öffne, um zu bezahlen, und neben der EC-Karte und dem Führerschein blitzt plötzlich ein schmaler Streifen Personalausweis auf und da steht neben dem Wort Bundesrepublik das Wort Deutschland, einfach so, als wäre nichts gewesen.
 
Ich frage mich dann, ob einer der vielen Empörten, die sich neuerdings vorgenommen haben, dieses Land zu lieben und zu verteidigen bis zum Ende, gegen Linke und Grüne, den Islam und die Medien, gegen Umvolkung, Merkel und Altparteien, ob jemand von diesen Leute zufällig einmal versucht hat, sich vorzustellen, wie das ist, wie viel Mühe es kostet, wie viel Zeit, Kraft und Geduld, einen Menschen großzuziehen, ihm Laufen, Reden und Lesen beizubringen, und dann wird er angeschrien, geschubst und geschlagen und irgendwann sogar erschossen, nur weil etwas an ihm anders ist, der Name zum Beispiel, die Sprache oder die Uniform?
 
Ich frage mich, ob all diejenigen, die jetzt endgültig keine Lust mehr haben, die deutsche Vergangenheit zu bewältigen, wirklich einmal versucht haben, sich bildlich vorzustellen, wie viele Menschen im Dreck lagen in Europa im Mai 1945, geliebt und vermisst und verzweifelt erwartet, während sie langsam von Maden gefressen wurden, von Würmern und von Bakterien? Ich frage mich, ob sie es schaffen, den Schritt zu denken von 1 zu 50? Und dann den zu 50 Millionen?
 
Ich frage mich, ob Alexander Gauland, ehe er von Stolz sprach, von Pflicht und Soldaten, zufällig einmal Walter Kempowski gelesen hat, Das Echolot, den Teil über Barbarossa, und darin vielleicht den Tagebucheintrag des jungen russischen Offiziersanwärters, der mit seinen Kameraden im Wald liegt und voller Freude von Lagerfeuern schreibt, von den Sternen am Himmel der Sommernacht, als Sturzkampfbomber ohne Kriegserklärung über die Verbündeten herfallen, brave deutsche Soldaten, die nur Befehle befolgen, und eine Gruppe Heranwachsender bis auf wenige Ausnahmen in dampfende Fleischfetzen verwandeln?

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