Fünf vor 8:00: Die Noten sind für Trump nicht so wichtig - Die Morgenkolumne heute von Martin Klingst

 
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FÜNF VOR 8:00
22.10.2018
 
 
 
   
 
Die Noten sind für Trump nicht so wichtig
 
Ja, die Regierung von US-Präsident Trump bekommt von den Bürgern schlechte Noten. Trotzdem könnte sie als Sieger aus den wichtigen Halbzeitwahlen hervorgehen. Warum?
VON MARTIN KLINGST
 
   
 
 
   
 
   

In Deutschland sind immer mehr Wähler mit der großen Koalition unzufrieden und werden ihrer überdrüssig. Das drückte sich gerade drastisch in den Ergebnissen der Bayernwahl aus. Auch die Amerikaner geben ihrer republikanischen Regierung und Präsident Donald Trump schlechte Noten, eine Mehrheit wünschte sich eine andere Führung ihres Landes. Nur zwischen 40 und 45 Prozent der Wahlberechtigten finden, dass Trump einen guten Job macht, über 50 stellen ihm ein katastrophales Zeugnis aus.  
 
Angesichts dieser Stimmung müssten Amerikas Wähler den Republikanern bei den in zwei Wochen anstehenden Halbzeitwahlen eigentlich abstrafen. Doch Vorsicht – eine Niederlage der Konservativen ist noch lange nicht ausgemacht. Denn In Amerika funktioniert die politische Öffentlichkeit anders.
 
Im Senat wird es für die Demokraten schwer
 
Zunächst: In der übernächsten Woche, am Dienstag, den 6. November, wählen die Amerikaner wie alle zwei Jahre sämtliche 435 Abgeordneten des Repräsentanten neu. Und ebenso ein Drittel – dieses Mal: 35 – der insgesamt 100 Senatoren. Beide Häuser des Kongresses werden derzeit von den Republikanern beherrscht.  
 
Die Demokraten wollen das ändern. Gemäß einiger Prognosen könnte es ihnen zumindest gelingen, die Mehrheitsverhältnisse im Abgeordnetenhaus zu ihren Gunsten zu drehen. Im Senat wird es dagegen schwer.
 
Dort verfügen die Demokraten zwar über 49 Senatoren, und die Republikaner mit 51 Senatoren nur über die denkbar knappste Mehrheit. Doch die Ausgangslage für einen demokratischen Sieg im Senat ist bei dieser Halbzeitwahl schlecht. Warum? 26 der 35 neu zu wählenden Senatoren gehören zum Lager der Demokraten. Nicht nur müssen diese 26 am 6. November ausnahmslos bestätigt werden, die Demokraten müssen darüber hinaus den Republikanern mindestens zwei ihrer neun zur Wahl stehenden Senatoren abspenstig machen. Ein schwieriges Unterfangen.
 
Der Euphorie-Vorsprung könnte verpuffen
 
Laut Umfragen haben die Demokraten derzeit einen Euphorie-Vorsprung. In anderen Worten: Die Anhänger der Demokraten sind ein bisschen motivierter als die der Republikaner und darum geneigter, zur Wahl zu gehen. Offenbar lassen sich in diesen Wochen auch mehr Frauen und mehr junge Amerikaner als Wähler registrieren, was die Voraussetzung dafür ist, wählen zu können. Auch das ist eine gute Nachricht für die Demokraten, weil sie unter Frauen und jungen Wählern mehr Rückhalt genießen als die Republikaner. 
 
Doch dieser Euphorie-Vorsprung schrumpft von Woche zu Woche: die Republikaner holen auf. Scheinbar hat der erbitterte Streit um die Nominierung des konservativen Obersten Richters Brett Kavanaugh auch den Konservativen einen Schub verschafft.
 
Die Frage also ist: Welcher Partei wird es bis zum 6. November am besten gelingen, ihren potentiellen Wählern klarzumachen, was politisch auf dem Spiel steht?  
 
Auch hier sieht es derzeit nach einem Patt aus. So stacheln etliche demokratische Politiker vor allem ihre eher linken Wähler mit dem Versprechen an, im Falle einer demokratischen Mehrheit im Abgeordnetenhaus ein Amtsenthebungsverfahren sowohl gegen Präsident Trump als auch gegen den neuen Richter am Obersten Gericht Brett Kavanaugh in Gang zu setzen. Genau das wiederum wollen rechte Republikaner um jeden Preis verhindern. 
 
Viele Trump-Wähler sehen seine Versprechen als erfüllt
 
Außerdem: Was Demokraten besonders abstößt, zieht etliche Republikaner besonders an. Zum Beispiel Trumps ungehobelter Stil zu Hause wie im Ausland, seine rabiate, antielitäre Sprache und sein sein lautes Kampfgeheul.
 
Schließlich: Viele Trump-Wähler gutieren, dass der Präsident bereits einige seiner Wahlversprechen erfüllt hat. Dazu zählen das Einreiseverbot für Staatsangehörige aus einer Reihe muslimischer Staaten, die Steuersenkung, die Ernennung konservativer Bundesrichter, der Ausstieg aus dem Atomvertrag mit Iran, die Strafzölle auf Importe aus China, aus Kanada und der EU.  
 
Trumps Ohne-Rücksicht-auf-Verluste-Politik mag sich zwar eines Tages rächen. Aber derzeit sind die Auftragsbücher der Konzerne voll, es herrscht Vollbeschäftigung. Und besonders wichtig: Auch im Portemonnaie der Durchschnittsamerikaner kommt inzwischen etwas mehr Geld an.  
 
Dass Trump gleichwohl bei so vielen Amerikanern unbeliebt ist und eine Mehrheit der Wahlberechtigen findet, ihr Land sei unter ihm auf dem falschen Weg, zeigt, wie fragil diese Präsidentschaft bleibt.  
 
Aber auch 2016 hatten die meisten Amerikaner eine schlechte Meinung von Donald Trump. Dennoch wurde er gewählt. Gut möglich also, dass er trotz der schlechten Noten bei den Halbzeitwahlen in zwei Wochen wieder als Sieger dasteht – oder mit einem nur leicht blaugefärbten Auge davonkommt.

 


 
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Fünf vor 8:00 ist die Morgenkolumne von ZEIT ONLINE. An jedem Werktag kommentieren abwechselnd unter anderem Michael Thumann, Theo Sommer, Alice Bota, Matthias Naß, Martin Klingst und Jochen Bittner.