Dealer im Park? »Licht allein hilft nicht«Der
Görlitzer Park ist einer der bekanntesten Drogenumschlagplätze in Berlin, darüber, wie der Handel eingedämmt werden kann, wird seit Jahren gestritten. Moment, ist das hier nicht ein Hamburg-Newsletter? Richtig, doch auch hier ist der
Umgang mit der Dealerszene ein Thema,
im Schanzenpark etwa nimmt das Geschäft zu. Eine private Bürgerwehr wird sich nun zwar nicht gründen (
wir berichteten), dafür will die Stadt
fünf neue Laternen im südlichen Teil aufstellen, um den Drogenhandel zu erschweren. Wird das klappen? Wie muss ein Park aussehen, damit die Dealer draußen bleiben? Geht das überhaupt?
Monika Herrmann, grüne Bürgermeisterin des Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, hätte da ein paar Vorschläge.
Elbvertiefung: Frau Herrmann, welche Maßnahmen gegen den Drogenhandel wurden für den »Görli« bereits ergriffen?
Herrmann: Es wurde schon vieles ausprobiert. Unter dem früheren CDU-Innensenator Frank Henkel gab es regelmäßige Polizeirazzien, allerdings ohne Erfolg: Kam die Polizei zur einen Seite in den Park rein, flitzten die Dealer zur anderen raus und standen nach einer halben Stunde wieder da. Ich habe dann gemeinsame Doppelstreifen von Ordnungsamt und Polizei und den Einsatz von Drogenspürhunden vorgeschlagen, doch auch das hat nicht lange funktioniert. Die Polizei klagte über das zu hohe Personalaufkommen, das Amt wollte nicht so viel Zeit investieren. Und die Hunde, die Drogenverstecke aufspüren können, wurden zu selten eingesetzt. Der Polizei fehlte jedes Konzept, die Beamten fühlten sich verheizt.
EV: Auch die »Taskforce Drogen« der Hamburger Polizei scheint den Drogenhandel auf St. Pauli und in der Schanze nicht eindämmen zu können. Dafür werden nun neue Lampen im Schanzenpark installiert. Herrmann: Das ergibt Sinn, auch wir sind mit einer Sicherheitsarchitektin der Polizei durch den Park gegangen, die auf Angsträume spezialisiert ist. Auf ihren Hinweis hin haben wir neue Wege und Sichtachsen geschaffen, Büsche runtergeschnitten und auch das Licht verstärkt.
EV: Was hat das bewirkt?
Herrmann: Die Atmosphäre im Park ist heute viel entspannter als noch vor ein paar Jahren, es gibt Sportgruppen, Spielemobile, der Park ist sauberer geworden, es wird nicht mehr jeder Passant aggressiv belästigt, sobald er den Park betritt – denn so war es noch vor etwa sechs Jahren, von da an wurden sogar Eltern mit Kindern gefragt, ob sie Drogen kaufen wollen. Die positive Entwicklung ist aber nicht nur auf mehr Licht zurückzuführen.
EV: Sondern?
Herrmann: Die Sanierung des Parks war nur eine Maßnahme unter vielen. Wir haben jetzt einen Parkmanager, der mehrere Tage mit einem mobilen Bauwagen-Büro vor Ort ist, außerdem sechs mehrsprachige Parkläufer, die bis 18 Uhr im Park präsent sind, alle Dealer kennen und darauf achten, dass die gewisse Verhaltensregeln einhalten – sich etwa von Kinderspielplätzen fernhalten, keine Jugendlichen ansprechen. Und die Stadtreinigung macht den Park täglich sauber, hat größere Mülleimer aufgestellt.
EV: Wie kommt all das bei den Anwohnern an? Ähnlich wie in der Schanze ist die Gemengelage in Ihrem Bezirk komplex …
Herrmann: Der Park wurde schon immer sehr stark von den Anwohnern frequentiert, es ist enorm wichtig, die Leute vor Ort einzubeziehen. Daher haben wir gemeinsam mit Anwohnern ein Handlungskonzept erstellt. Vor fünf Wochen hat sich außerdem ein Parkrat gegründet. Darin sitzen elf von Anwohnern gewählte Menschen aus dem Kiez, die die Interessen der Parknutzer ehrenamtlich vertreten. Sie beraten das Bezirksamt, aktuell etwa in der Frage, was mit einem leer stehenden Gebäude im Park geschieht: Sollen soziale Initiativen rein, ein Café ...?
EV: Und das funktioniert? Herrmann: Den Parkrat gibt es erst seit fünf Wochen, doch bisher läuft die Zusammenarbeit schon sehr gut. Es ist in jedem Fall ein Lernprozess für Politik und Verwaltung: Man muss auch bereit sein, Macht und administrative Kontrolle abzugeben, die Bürgerbeteiligung ernst nehmen. Dazu gibt es eine Kooperationsvereinbarung, in dem die Rechte und Pflichten für Parkmanager, Parkrat und Bezirksrat festgeschrieben sind.
EV: Und nun wird alles gut im Görli?
Herrmann: So einfach ist es leider nicht: Die Zahl der Dealer einzudämmen ist schwer: Kannst du einen aus der Situation rausholen, wird der nächste nachgeschickt. Daher konzentrieren wir uns darauf, Konflikte zu minimieren. Die Lage hat sich tagsüber entspannt, in der Nacht kommt es noch immer oft zu Überfällen. Doch um auch nachts Sicherheit zu schaffen, müssten wir dort eine permanente Polizeipräsenz aufbauen, den Park einzäunen. Dagegen sträuben sich viele Anwohner.
EV: Ganz ohne Polizei geht es also nicht?
Herrmann: Nein, natürlich nicht. Die Hardliner-Politik der letzten Jahre hatte erwiesenermaßen keinen Erfolg, doch wir reden hier über harte Kriminalität! Ein totales Laissez-faire bringt uns da auch nicht weiter. Doch wenn schon Polizeipräsenz, dann eine kluge, durchdachte, die eingebettet ist in weitere Angebote und Maßnahmen.
Hier finden Sie weitere Informationen zum Konzept für den Görlitzer Park.
Wirtschaftsbehörde: Ex-Siemens-Manager beerbt HorchGut vernetzt, sehr erfahren, ohne Parteibuch, 61 Jahre alt:
Michael Westhagemann soll neuer Hamburger Wirtschafts- und Verkehrssenator werden. Der Erste Bürgermeister
Peter Tschentscher (SPD) stellte Westhagemann gestern Abend als Nachfolger des scheidenden, ebenfalls parteilosen
Frank Horch vor. Dieser hatte im September seinen Rücktritt angekündigt, um sich intensiver um seine kranke Frau kümmern zu können.
Westhagemann sei »bestens vernetzt und kennt die Anforderungen der Zukunft«, erklärte Tschentscher nach einer Sondersitzung des SPD-Landesvorstands. Der studierte Informatiker Westhagemann bringt Expertise aus Tätigkeiten als Siemens-Manager für Norddeutschland, Vizepräsident der Handelskammer und Vorstandsvorsitzender des Industrieverbands mit und ist seit 2017 als selbstständiger Wirtschaftsberater tätig.
Schon am Donnerstag dürfte der Horch-Nachfolger in sein neues Amt gewählt werden. Dann kommt die Bürgerschaft zu ihrer nächsten Sitzung zusammen.