Khashoggi und das MIT | Interview mit Ansgar Wucherpfennig | Dr. acad. Sommer: Was schützt vor dem Burn out? | #TwitterUmfrage

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
der Fall Khashoggi wirft auch Fragen für Universitäten auf: Will man mit Saudi-Arabiens aufstrebender, ehrgeiziger Wissenschaftsszene kooperieren oder nicht? (Das ist wichtig) In den Personalia geht es heute um Wissenschaftsfreiheit (Ansgar Wucherpfennig) und die Zukunft der Uni Göttingen (Ulrike Beisiegel). Dr. acad. Sommer berät heute im Grunde uns alle. Thema: Wie verhindere ich ein Burn Out? Und in der Fußnote finden Sie die Antworten auf unsere Twitter-Umfrage verlinkt.
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Khashoggi: Wie reagieren die Universitäten?
Nach der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi wird über den richtigen Umgang mit Saudi-Arabien diskutiert. Wo ist der Staat ein Partner, wo verletzt er politische, gesellschaftliche, kulturelle Werte? Auch die Universitäten dürfen sich diese Frage stellen, etwa das MIT. Dessen Präsident, Rafael Reif, schüttelte dem Kronprinzen Mohammed bin Salman und seinem Vertrauten Maher Abdulaziz Mutreb vor wenigen Monaten stolz die Hand, um eine engere Zusammenarbeit der Universität mit den Saudis zu besiegeln, dazu gehört u.a. des einflussreiche MIT Media Lab. (Deutschlandfunk) Das MIT reagierte jetzt mit einem Statement, das sich vor allem an die eigenen Universitätsangehörigen richtet: „President Reif has asked me, in my role as associate provost for international activities, to conduct a swift, thorough reassessment of MIT’s Institute-level engagements with entities of the Kingdom of Saudi Arabia so that we can determine a course of action for the Institute, and I will begin that work at once.“ (Inside Higher Ed) Auch für deutsche Universitäten stellt sich hier die Gretchenfrage: Wie politisch muss die Wissenschaft sein? Kooperationen mit Saudi-Arabien, aber auch mit Russland, China, Türkei sind selbstverständlich, häufig sogar ein Türöffner. Wenn aber Blut an den Kooperationsmillionen klebt, kommt auch die Wissenschaftsdiplomatie an ihre Grenze.
  
 
 
Landtagswahl in Hessen
Am Sonntag wird in Hessen gewählt. Die Fakten: Das Bundesland hat 5 Universitäten, 5 Fachhochschulen, 3 Kunsthochschulen, 3 Kirchliche Hochschulen, 3 Verwaltungshochschulen, 1 „Hochschule Neuen Typs“ (huch? – gemeint ist die Hochschule Geisenheim), 14 Private Hochschulen – insgesamt: 24. Rund 260.000 Studierende gibt es hier; knapp 3600 Professoren und Professorinnen. Wissenschaftsminister ist seit 2014 der Jurist Boris Rhein. Wenn Sie in Hessen wahlberechtigt sind, helfen Ihnen bei der Entscheidung die bewährten Wahlprüfsteine der Deutschen Gesellschaft Juniorprofessur weiter.
  
 
 
The Rise and Fall of Affirmative Action
Wie schafft es eine Universität, die Studierendenschaft möglichst divers zu gestalten? An vielen Universitäten in den USA lautet die Antwort seit langem: „Affirmative Action“. Beim Auswahlprozess werden also etwa African-Americans quotiert; und auf diese Zielgruppe wurde in den vergangenen Jahren auch immer besonders viel Wert gelegt. Jetzt aber meldet sich eine andere Gruppe zu Wort, die Asian-Americans. Einer von ihnen, Michael Wang, hat jetzt eine Beschwerde beim Bildungsministerium eingereicht, weil er glaubt, trotz bester Noten von den Yvy League-Unis benachteiligt worden zu sein. Wir empfehlen zu dieser wichtigen Debatte einen erhellenden Artikel aus dem New Yorker, der auch die historischen Hintergründe ausrollt: The Rise and Fall of Affirmative Action. (Achtung: Loooongread für die Mittagspause). Lesenswert nicht zuletzt für alle, die derzeit in Deutschland darüber nachdenken, wie Studienzulassungsverfahren, etwa in der Medizin, neu gestaltet werden können. 
  
   
   
   
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Ansgar Wucherpfennig im Interview
Die Verweigerung des Nihil obstat für den Theologen Ansgar Wucherpfennig, der seit 2014 Rektor an der Katholischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main ist und gerne weiterhin im Amt sein würde, hat für viel Aufmerksamkeit gesorgt; ebenso wie eine weitere Personalie an der Uni Bonn: hier soll Kardinal Woelki dem Dogmatiker Joachim Negel den Ruf verweigert haben (General-Anzeiger). Wucherpfennig sagt nun im Gespräch mit der ZEIT, es handele sich um eine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit, die einer Debatte bedürfe. Das Interview lesen Sie in den CHANCEN, S. 76.

Ulrike Beisiegel hört auf – nur wann?
Dem Ausscheiden der Universität Göttingen aus dem Exzellenzwettbewerb folgt jetzt eine Personaldebatte um Präsidentin Ulrike Beisiegel. Im Interview mit dem Göttinger Tageblatt hatte sie erklärt, dass sie 2020 aus dem Amt ausscheiden wolle, aus Altersgründen. Dass der Senat eher unfreundlich darauf dringt, Beisiegel müsse sich vorzeitig abwählen lassen – schon zu 2019 – scheint aber dafür zu sprechen, dass es innerhalb der Universität Unmut über Beisiegels Amtsführung gibt. Wilhelm Krull, Chef der VolkswagenStiftung und außerdem Vorsitzender des Stiftungsrates der Universität, stellte sich allerdings hinter Beisiegel; dem Göttinger Tageblatt sagte er, ihm sei es „schwer verständlich, was die Senatoren da gerade vom Zaun gebrochen haben.“

Job: Wissenschaftspolitikerin für die MPG
Im Sommer ging die Max-Planck-Gesellschaft mit einer Grundsatzfrage durch die internationale Presse: Taugt das Harnack-Prinzip noch? Auslöser waren Recherchen von Science und Buzzfeed über mutmaßlichen Machtmissbrauch an einzelnen Instituten. Auch die ZEIT 35/2018 widmete sich dem Thema. Dieses Hintergrundrauschen im Kopf, lesen sich die zwei Stellenangebote in der neuen ZEIT besonders interessant: Gesucht wird eine wissenschaftspolitische Referentin (m/w) und ein Referent für Strategieprozesse (m/w).
  
   
 
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Dr. acad. Sommer
 
 
   
 
   
Ich habe seit kurzem eine Professur und arbeite gern und viel. Mein Bekanntenkreis hält mir allerdings mit vielsagenden Blicken vor, dass ich auf meine Work-Life-Balance achten solle, da ich sonst direkt ins Burn Out steuere. Ich fühle mich derzeit physisch und psychisch sehr gut, spüre aber in Stressphasen, dass ich dieses Pensum nicht ewig so halten kann – und frage mich, ob meine Bekannten Recht behalten werden. Was tun?, – fragt eine Professorin der Physik


Liebe X,

herzlichen Glückwunsch, dass Sie so viel Spaß an Ihrer Tätigkeit haben!
Schon der Begriff Work-Life-Balance ist wenig gelungen, da er suggeriert, dass Arbeit außerhalb des Lebens stattfindet. Dabei stellt Arbeit oft einen sinnstiftenden Teil des Lebens dar. Die Perspektive auf das Leben als ein Ganzes kann helfen: In diesem Ganzen sollten Ihre vielen verschiedenen Facetten Ausdruck finden.
Genau so wichtig wie die Frage danach, womit Sie Ihre Zeit verbringen, ist die Frage nach Ihrer Energie: Was gibt Ihnen Energie? Was raubt Ihnen Energie? Diesen Energiehaushalt beruflich und privat in der Balance zu halten, das ist die Kunst.
Was können Sie tun? Machen Sie sich Gedanken über Ihre persönlichen Prioritäten und Handlungsspielräume:
In der Wissenschaft gibt es immer mehr zu tun, als zu schaffen ist: Was glauben Sie, tun zu müssen? Und was erwartet Ihr berufliches/privates Umfeld tatsächlich von Ihnen? Welche Erwartungen können und wollen Sie erfüllen? Welche Vorstellung zu Arbeitsethik, Genuss und Freude haben Sie?
Welche Aufgaben in Ihrem Berufsalltag machen Ihnen Spaß? Wofür können Sie sich begeistern? Wofür weniger? Welche dieser energieraubenden Dinge könnten Sie abgeben? Nehmen Sie sich die Zeit, bewusst „ja“ und „nein“ zu den an Sie herangetragenen Anliegen zu sagen.
Zeit und Energie sind begrenzte Ressourcen: Es hilft, sich gelegentlich die Frage zu stellen: Wenn ich diese Aufgabe jetzt nicht bis zur perfekten Vollendung bringe, wofür könnte ich die dann freiwerdende Energie/Zeit verwenden?
Unklarheit über Aufgaben/Zuständigkeiten/Projekte; permanenter Zeitdruck; unorganisierte Meetings; ein Bürostuhl, der nicht richtig passt: Mikrostressoren sind kleine alltägliche Dinge, die einzeln auftretend nicht schlimm sind – aber: die Masse macht’s! Halten Sie die Augen offen und schaffen Sie Abhilfe bei den Mikrostressoren, auf die Sie Einfluss haben.
Arbeit kann zum Rausch werden. Genießen Sie Flowerfahrungen, aber achten Sie auch auf die Signale Ihres Körpers und auf Bedürfnisse und Interessen außerhalb der beruflichen Sphäre.
Geistiger Leerlauf und Impulse aus den unterschiedlichsten Bereichen ist wichtig für die Kreativität, auch die von Wissenschaftler_innen. Gönnen Sie Ihrer Forschung diese Auszeiten!
Der Körper braucht Pflege und Aufmerksamkeit. Was tun Sie in diesem Bereich?
Eine regelmäßige Bestandsaufnahme ist oft schon die halbe Miete, denn danach gilt die Regel: tun Sie mehr von dem, was Ihnen gut tut und weniger von dem, was Ihnen Energie raubt. Und bei den Aufgaben, die Ihnen Energie rauben und die Sie trotzdem tun müssen: belohnen Sie sich!


Dr. Neela Enke, Scienza Science Coaching, Berlin. Coach, Trainerin und Mediatorin. Sie schreibt für das Coachingnetz Wissenschaft als Dr. acad. Sommer. Kontakt: www.scienza-berlin.de
   
 
   
 
   
Auch eine Frage an Dr. acad. Sommer? Schreiben Sie an chancen-brief@zeit.de, twittern Sie unter #ChancenBrief – oder hinterlassen Sie uns in diesem Kotaktformular anonym eine Frage!
   
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
   
   
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Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Was für ein Gebrüll! Aufgebrachte Mütter, alarmierte Experten: Der Dokumentarfilm „Elternschule“ hat einen Shitstorm ausgelöst. Was steckt hinter der Empörung?

„Es wird auch viel gelacht“ Dietmar Langer arbeitet seit 30 Jahren als Psychologe in der Kinderklinik Gelsenkirchen. Nach dem Film „Elternschule“ wird seine Station heftig kritisiert. Hier äußert er sich zu den Vorwürfen Im Westen was Neues Die Soziologin Jutta Allmendinger lebt und forscht vier Monate im Thomas-Mann-Haus in Los Angeles. Für uns hat sie die Erkenntnisse ihres Aufenthalts in Texten und Bildern dokumentiert „Ich war fassungslos“ Ansgar Wucherpfennig lehrt an der katholischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt. Nun bekam er Probleme mit dem Vatikan. Ein Gespräch über Glauben und die Freiheit der Wissenschaft

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
 
 
 
Fußnote
 
 
   
 
   
Letzte Woche hatte ich an dieser Stelle gefragt: Warum twittern Sie nicht? 16 Zuschriften habe ich erhalten – und sie, anonymisiert, auf meinem Twitter-Account geteilt (den Link kann man auch ohne eigenen Account öffnen). Herzlichen Dank an all jene, die mir geschrieben haben, ich habe mich über Ihre Rückmeldungen sehr gefreut! – Ein paar Gedanken, die mir dazu kamen:

1. Völlig okay, nicht zu twittern. In Sachen Wissenschaftskommunikation einen Rechtfertigungszwang zu konstruieren, halte ich für falsch. 
2. Viele der Begründungen beruhen m.E. auf einer verzerrten (weil: nicht praxiserprobten) Wahrnehmung des gesellschaftlichen Klimas der sozialen Netzwerke. Shitstorms sind, ehrlichgesagt, ein Randphänomen, das sich ausblenden lässt. Man muss auch nicht Donald Trump folgen. Die Freundlichkeit, Offenheit, Instruktivität und Präzision, in der auf Twitter (Fach-)Debatten geführt werden, beweist, dass Komplexität möglich ist – und dass die sozialen Medien (gerade für vereinzelte Kopfarbeiter) außerordentlich gemeinschaftsstiftend sein können.
3. Sind Wissenschaftlerinnen, die twittern, wirklich selbstdarstellerisch? Oder nehmen sie vielleicht einfach ihre Arbeit sehr ernst?
4. Wieso glauben Wissenschaftler, sie hätten nichts zu sagen? Wer ist denn der Adressat, den Sie ernst genug nehmen, dass er oder sie Ihre Aufmerksamkeit verdient? 
5. Missverständnis 1: Twitter ≠ 280 Zeichen! Zu sagen, man finde in der begrenzten Zeichenanzahl nicht genug Platz, ist ungefähr so, also hörte man auf zu sprechen, weil nicht alle Informationen in einen Satz gepasst haben. Präzision entsteht, auf Twitter wie auf jeder Fachkonferenz oder am Abendbrottisch, erst im längeren Gespräch. Also: Tweet für Tweet für Tweet.
6. Missverständnis 2: Man kommuniziert in den Sozialen Medien niemals in ein großes, schwarzes „Off“. Dafür müsste man mindestens eine fünfstellige Follower-Zahl erreichen. (Falls Ihnen das gelingt, sitzen Sie demnächst bei Anne Will mit einer Bauchbinde, auf der „Expertin“ steht.) Alles unter dieser Schwelle bleibt ziemlich gemütlich und persönlich: Man weiß, mit wem man kommuniziert, weil man miteinander interagiert.
7. Leider kein Missverständnis: Twitter kostet Zeit. Aber: Glauben Sie mir, auch jene, die twittern, arbeiten viel und hart und leben kostbare Lebenszeit. Mit wem, in welchem Format, in welchem Ausmaß man kommuniziert, ist in erster Linie eine qualitative Entscheidung, der die Organisation der eigenen Arbeit nachfolgt.
8. Warum sind Sie eigentlich nicht auf Instagram?
Anna-Lena Scholz
   
 
   
 
 
   
Eine schöne Restwoche wünscht Ihnen

Ihr CHANCEN-Team


PS: Gefällt Ihnen der CHANCEN Brief, dann leiten Sie ihn gern weiter. Haben Sie ihn weitergeleitet bekommen, melden Sie sich ganz einfach und unverbindlich an – unter www.zeit.de/chancen-brief. Dann schicken wir Ihnen den Newsletter, solange Sie wollen, immer montags und donnerstags zu.
 
 
 
 
   
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