»Beim E-Sport hat jeder die Chance, sehr, sehr gut zu werden«Es ist ein Happening. Anders kann man kaum bezeichnen, was am Wochenende in der
Barclaycard Arena ansteht, wenn zwölf der weltbesten Teams
beim Gaming-Turnier ESL One um 300.000 Euro Preisgeld spielen. Täglich bis zu 10.000 Menschen werden sich auf der Tribüne einfinden – um ihren E-Sport-Helden beim Daddeln des
Strategiespiels »Dota 2« zuzusehen. Die meiste Zeit werden sie dabei auf Leinwände starren. Warum? »Im Fußballstadion ist es nichts anderes, da schaut man auch den Spielern zu und fiebert mit«, meint
Christopher Flato von ESL One.
E-Sport zähle zum erweiterten Sportbereich. Es gehe nicht primär um die physische Belastung, aber um Reaktionsgeschwindigkeiten, hohe Konzentration, Teamkommunikation.
»›Dota 2‹ ist vergleichbar mit vierdimensionalem Echtzeit-Schach, nur in ganz Schnell«, so Flato. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis E-Sport in Deutschland auch offiziell als Sport anerkannt werde, wie es beispielsweise in Südkorea und Kanada schon der Fall sei. Im Mainstream angekommen sei der E-Sport bereits, und mehr noch, sagt er:
»Der E-Sport hat das Gaming sozialisiert.« Die Anhängerschaft sei riesig, die Events füllten Stadien in der ganzen Welt, Live-Übertragungen im Fernsehen würden von einem Millionenpublikum gesehen. Wichtig sei, dass der Konsum in die richtigen Bahnen gelenkt werde und eben nicht nur allein im dunklen Zimmer die Augenringe vorm Desktop kultiviert würden.
Christopher Lege von ESports and Friends trifft sich wöchentlich mit anderen Gamern in einer Hamburger Bar, um gemeinsam zu spielen und sich über Spieltaktiken auszutauschen. Er ist am Wochenende in der Arena dabei und sagt:
»E-Sport ist die moderne Form des Gesellschaftsspiels.« Was den E-Sport für ihn als Zuschauer spannend macht? »Die Spielgeschwindigkeit ist hoch, es ist permanent Action«; so beschreibt er eine Atmosphäre, in der mitgejubelt und mitgelitten werde. Schließlich beherrsche jeder Zuschauer selbst das Spiel, könne sich bei den Profis etwas abschauen und direkt zu Hause anwenden –
»beim E-Sport hat im Gegensatz zum traditionellen Sport jeder die Chance, sehr, sehr gut zu werden«. Das ESL One Hamburg wird vom 26. bis zum 28. Oktober in der Barclaycard Arena ausgetragen. Die Vorrundenspiele können online mitverfolgt werden.
St.-Pauli-Fanliebe in der Südsee Eine kleine Insel, irgendwo in der Südsee, das Meer rauscht – und
die Flagge des FC St. Pauli weht im Wind. Tausende Kilometer entfernt, am anderen Ende der Welt, hat
Tim Meyer, Exil-Hamburger und Fan der Kiezkicker, mit seiner Frau Lucile den
Fanclub »Sculls and Palms« gegründet.
Elbvertiefung: Wieso braucht die Südseeinsel Rarotonga einen FC-St.-Pauli-Fanclub?Tim Meyer: Weil die Cook Islands seit sieben Jahren unser Zuhause sind und Zuhause ohne den FC St. Pauli einfach nicht geht. Ich habe in Hamburg lange studiert, gelebt, gearbeitet. Die Liebe zum FCSP kam da ganz automatisch. Und als es mich dann in die Ferne zog, ist die Liebe eben einfach mitgeflogen.
EV: Gibt’s denn auf der Insel so viele Fans der Kiezkicker?Meyer: Um ehrlich zu sein: nein. Die Cookinseln sind sehr nah an Neuseeland und Australien – Fußball ist hier nicht so groß. Da hat Rugby einfach die größere Strahlkraft. Aktuell sind wir acht Erwachsene, vier Kinder und zwei Babys. Aber wir arbeiten dran und tragen unsere Shirts zu jeder passenden Gelegenheit. Bei einem unserer weiblichen Mitglieder weht die Flagge im Garten!
EV: Was habt ihr vor?Meyer: Wir wollen das Lebensgefühl vom Millerntor ein Stück weit für unsere zwei Kinder bewahren, vor allem als Identitätsstiftung und Heimatbegriff. Die sollen ja wissen, wo sie herkommen! Ich habe jetzt schon Gänsehaut bei dem Gedanken, eines Tages mit meinem Sohn Yann auf der Gegengeraden zu stehen, wenn die »Hells Bells« erklingen und er dann weiß und fühlt, warum wir da sind. Und wir wollen natürlich anderen Reisenden eine Anlaufstelle in der Ferne sein. Mit dem Jolly Roger, dem Totenkopf und den gekreuzten Knochen, auf der Brust in der hiesigen Hafenkneipe zu sitzen ist immer ein super Eisbrecher, und man lernt Leute von überallher kennen. St. Paulis inoffizielles Logo ist einfach international …
EV: Und die Public Screenings unter Palmen – wenn man sich das vorstellt …Meyer: Mit Screenings ist das so eine Sache, wir haben hier nur Internet über Satellitenverbindung, da geht in Sachen Streaming eher wenig. Aber wir lesen fleißig Spielberichte und bekommen Fotos von Freunden aus dem Stadion.
EV: Aber was ist mit dem Live-Erlebnis?
Meyer: Fußball gibt es hier auch, aber nur drei Monate im Jahr, am Ende der Rugby-Saison von Oktober bis Dezember. Da fiebern wir dann schon auch mit und nehmen die Kinder mit auf den Dorfacker. Fußball muss ja schließlich gelebt werden!
Was Familie Meyer sonst so auf Rarotonga erlebt, lesen Sie hier im Blog.