»Auf See kann man nicht rechts ranfahren«Seit über 150 Jahren gibt es die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS), die gestern ihre Jahresbilanz vorstellte. 2037-mal kämpften sich die Retter 2018 schon durch Wind und Wellen, um Menschen auf See zu helfen. Wir fragten
Christian Stipeldey von der DGzRS, wo die Untiefen lauern.
EV: Herr Stipeldey, mehr als 2000 Einsätze – sind Nord- und Ostsee so gefährlich?Stipeldey: Wer ein Problem auf See hat, kann ja nicht mal eben rechts ranfahren oder nach der nächsten Ausfahrt Ausschau halten. Mal sind es weniger, mal mehr, etwa dann, wenn die Wassersportsaison länger dauert oder in einem Jahr viele plötzliche Wetterwechsel die Menschen auf See überraschen. Wir haben heute mehr zu tun als vor 30 Jahren, weil der Schiffsverkehr in der Berufs- und Freizeitschifffahrt zugenommen hat.
EV: Unterschätzen Segler und Surfer die See?Stipeldey: Die meisten Wassersportler bereiten sich gut auf ihre Törns vor. Trotzdem kann es passieren, dass jemand die Orientierung verliert, vielleicht auch die Wetterlage einfach falsch einschätzt. Einem Skipper kann auch das Ruder ausfallen, oder Funkgeräte gehen defekt. Wirklich lebensbedrohliche Situationen erleben wir glücklicherweise eher selten. 2018 mussten wir bislang nur 37 Menschen aus akuter Seenot retten, sie wären ohne unser Eingreifen heute nicht mehr am Leben.
EV: Wo ist es besonders gefährlich?Stipeldey: Oft raus müssen wir vor Laboe, am Ausgang der Kieler Förde, wo die Großschifffahrtswege von und zum Nord-Ostsee-Kanal liegen. Außerdem an der Schlei-Mündung und in der Elbmündung vor Cuxhaven. Sehr anspruchsvoll auch für uns Seenotretter sind Flachwassergebiete, in denen Schiffe schnell auf Grund laufen und von gefährlicher Brandung zerschlagen werden können. Sand kann so hart sein wie Beton!
EV: Gestern haben Sie auch Ihren neuen 28 Meter langen Rettungskreuzer mit dem schönen Namen »Hamburg« vorgestellt, der 2020 in Fahrt gebracht werden soll. Warum brauchten Sie ein neues Schiff? Stipeldey: Die »Alfried Krupp«, das Vorgängerschiff der Station Borkum, ist 32 Jahre alt. Das ist wie mit einem Auto in dem Alter, das lässt sich nur mit viel Geld und Liebe am Leben halten. Zumal dieses Schiff schon viel erlebt hat: Es wurde in einer Orkannacht im Jahr 1995 stark beschädigt, zwei unserer Männer, der Vormann und der Maschinist, verloren bei dem Einsatz ihr Leben.
EV: Mehr Arbeit, neue Schiffe – und Sie bekommen keine Steuergelder, sondern leben von Spenden. Stört Sie das?Stipeldey: Überhaupt nicht, unsere Unabhängigkeit ist unser größtes Gut! Wann wir ein neues Schiff anschaffen, entscheiden wir selbst. Der Staat sitzt nicht mit am Tisch und kann uns auch keine Sparmaßnahmen diktieren. Das Spendenniveau ist seit Jahren stabil, wir bekommen viel Zuspruch aus der Bevölkerung. Aber um den Betrieb unserer 60 Rettungseinheiten am Laufen zu halten, brauchen wir jedes Jahr wieder zwischen 36 und 38 Millionen Euro.
Krimis zum AnhörenHeute beginnt auf Kampnagel das zwölfte
Hamburger Krimi-Festival, bei dem deutsche, aber auch skandinavische Autoren aus ihren Werken lesen. Wir haben den Programmleiter
Volker Albers um ein paar Tipps für Krimifans gebeten.
Der spektakulärste Fall? Dazu gehört sicher der Roman von
Sven Stricker, den er gemeinsam mit
Bjarne Mädel vorstellt. Die Geschichte spielt in einer Kleinstadt in Nordfriesland, in der es der Protagonist mit einer christlich-fundamentalistischen Verschwörung zu tun bekommt.
Ein historischer Krimi? Volker Kutscher stellt seinen neuen Roman aus der Gereon-Rath-Reihe vor, auf der auch die TV-Serie »Babylon Berlin« basiert. Und der neue Krimi von
Boris Meyn spielt im Hamburg der Zwanzigerjahre.
Der außergewöhnlichste Stoff? Der finnische Schriftsteller
Antti Tuomainen hat einen wunderbaren Krimi geschrieben. »Die letzten Meter bis zum Friedhof« ist sehr schwarzhumorig und hat einen originellen Zugang: Sein Held erfährt, dass er über Monate vergiftet wurde und nur noch einige Monate zu leben hat. Das bringt natürlich eine gewisse Freiheit zu agieren mit sich, denn er hat ja nichts zu verlieren.
Und nun bitte noch einen persönlichen Tipp! Das ist der Abend mit
Wolfgang Schorlau, der sehr politische Kriminalromane schreibt. Sein neuer Roman heißt »Der große Plan«, und es geht darin um die sogenannte Griechenland-Rettung. An diesem Abend wird auch der Filmproduzent
Raoul Reinert zugegen sein, der die ZDF-Verfilmungen von Schorlaus Romanen produziert hat. Er wird den Prozess, wie aus einem Buch ein Film entsteht, erklären.