Sam Gyimah | Kodex guter Arbeit | 3½ Fragen an Winfried Schulze | Standpunkt Thomas Kerstan: Happy Birthday, KMK

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
Institutionen mit langen Namen neigen nicht gerade zur Wendigkeit. Beispiel: Kul-tus-mi-nis-ter-kon-fe-renz. Das wichtige bildungspolitische Gremium wird nächste Woche 70. Thomas Kerstan gratuliert (in der aktuellen ZEIT und im heutigen Standpunkt), und ein paar kritische Anmerkungen hat er auch. Und im Fragebogen sagt Winfried Schulze vom Mercator Research Center, wie man Deutschlands Dissertationen verbessern könnte.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
UK: Neuer Wissenschaftsminister
Die Personalrochade in Großbritanniens Kabinett (Guardian) bringt den Universitäten einen neuen Minister: Der bislang zuständige Jo Johnson übernimmt das Verkehrsressort, an seine Stelle rückt Sam Gyimah. Der 41-Jährige ist ein Oxford-Alumnus, hat bei Goldman Sachs gearbeitet und war zuletzt Staatssekretär für Justiz. Vor ihm liegt keine leichte Aufgabe: Er muss die Wissenschaft durch den Brexit führen. Der Guardian kommentiert: „He [Johnson] leaves the sector facing uncertainty and under intense scrutiny, partly as a result of his reforms, and partly for reasons out of his control. Universities minister is no longer the job it once was. In fact, in no small part thanks to Johnson, Gyimah may have inherited one of the trickiest junior ministerial jobs of the lot.“
  
 
 
Stiftungsprofessuren versus Forschungsfreiheit?
Stiftungsprofessuren sind kein Einzelfall mehr an deutschen Hochschulen. Dass sich eine Stiftung – oder ein Unternehmer – im ganz großen Stil ein Denkmal setzt, wie jetzt an der TU München, ist aber doch eher ungewöhnlich: Dort finanziert die Stiftung des Lidl-Gründers Dieter Schwarz fortan 20 unbefristete Professuren an der TUM School of Management (Pressemitteilung). Ob das die Forschungsfreiheit hinterrücks beschneidet, dieser Frage hat sich (nach der taz) ausführlich die SZ gewidmet.
  
 
 
Oprah Winfrey und Donald Trump
Zweimal USA. – Thema Nr. 1: Oprah for president? Nach Oprah Winfreys weltweit bejubelter Rede bei den Golden Globes (Youtube) wird spekuliert, ob sie 2020 als Präsidentschaftskandidatin antritt. Der Gedanke hat fraglos etwas für sich. Ob aber die von Donald Trumps antiszientistischer Politik geschundene Wissenschaftlerseele unter ihr Erholung fände? Winfrey hat obskuren Pseudowissenschaftlern und Impfgegnerinnen bereits eine Bühne bereitet, wie man etwa bei Vox nachlesen kann. Thema Nr. 2: DACA – das steht für „Deferred Action for Childhood Arrivals“. Kinder und junge Studierende, die illegal in den USA leben, können durch dieses noch von Obama unterzeichnete Dekret für zwei Jahre ohne Angst vor Abschiebung leben, sogar studieren. Lange war unklar, wie es mit diesen sogenannten „Dreamers“ weitergeht; jetzt kündigte Trump aber tatsächlich an, dieser Gruppe an „Undokumentierten“ einen Weg zur dauerhaften Aufenthaltsberechtigung zu bereiten. (New York Times) Christoph Drösser, unser Autor in Kalifornien, hat zwei junge Studierende in Berkeley getroffen, die von ihrem Leben in der Illegalität berichten; seinen Artikel lesen Sie in der neuen ZEIT (S. 65).
  
 
 
Medienwissenschaftler verabschieden Kodex guter Arbeit
Fair und verlässlich, so sollen künftig die Beschäftigungsverhältnisse in den Medienwissenschaften sein. Was das genau heißt, lässt sich im Kodex für Gute Arbeit nachlesen, den die Gesellschaft für Medienwissenschaften unlängst beschloss. Ein paar Kostproben: Lehrbeauftragte erhalten Sozialversicherungsbeiträge, Überstunden werden bezahlt oder zeitlich ausgeglichen und Daueraufgaben künftig wirklich nur von Beschäftigten auf Dauerstellen geleistet. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Der Kodex hat als langfristiges Ziel noch mehr auf Lager: „Spätestens nach der abgeschlossenen Promotion sollen unbefristete oder Stellen mit Entfristungsoption als Standard“ etabliert werden. Wer wissen will, wie es bundesweit um die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft bestellt ist, kann sich auf den Kodex-Check-Seiten der GEW informieren. Und die Böckler-Stiftung liefert einen Überblick zum Gender-Pay-Gap. Ein Blick in die Tabelle lohnt gerade jetzt. Seit Freitag haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in größeren Betrieben nämlich das Recht, zu erfahren, was Kolleginnen und Kollegen des jeweils anderen Geschlechts mit vergleichbarer Beschäftigung verdienen.
  
 
 
Mythos Professor
Sie war eine der prägenden Wissenschafts- und Bildungsjournalistinnen Deutschlands: Nina Grunenberg. 1992 bis 1994 leitete sie das damals neu geschaffene Ressort „Wissen“ bei der ZEIT, außerdem war sie stellvertretende Chefredakteurin. Grunenberg ist Ende Dezember verstorben. (Nachruf) Wir empfehlen Ihnen dieses lesenswerte Stück aus Ihrer Feder, erschienen 2011: „Mythos Professor. Trotz ständigen Abstiegs blieben sie immer oben: Eine kurze Geschichte der deutschen Hochschullehrer“
  
   
   
   
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Personen
 
 
   
   
Thomsen im Amt bestätigt
Die TU Berlin hat bei der gestrigen Wahl ihren Präsidenten Christian Thomsen im Amt bestätigt; auch Christine Ahrend bleibt 1. Vizepräsidentin. Damit geht die TU unter bewährter Führung in die nächsten jahre des Exzellenzwettberwebs – anders als die Kollegin in Dahlem, die Freie Universität: Noch-Präsident Peter-André Alt will HRK-Chef werden, sein Nachfolger soll der Mathematiker Günter M. Ziegler werden. (Tagesspiegel)

Capitant leitet DFH
Seit 1. Januar hat die Deutsch-Französische Hochschule (DFH) – ein Netzwerk von 186 Hochschuleinrichtungen aus Deutschland und Frankreich – einen neuen Präsidenten: David Capitant, Professor für Recht an der Universität Paris 1 Panthéon-Sorbonne.

Sack geht an die ESMT
Der Physiker Norbert Sack wird neuer Dean of Executive Education an der privaten Business School ESMT Berlin. Sack war zuvor beim Beratungsunternehmen Egon Zehnder für Führungspositionen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen zuständig.

Stipendium für Geisteswissenschaften
Die in New York ansässige Andrew W. Mellon Foundation fördert die Geisteswissenschaften – und zwar ganz konkret in Form eines neuen Stipendiums an der American Academy in Berlin. In den nächsten drei Jahren wird es dort pro akademischem Jahr zwei Fellows geben; die Fördersumme liegt bei 1,4 Millionen US-Dollar.

Job: WiMi am Hannah-Arendt-Institut
Am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden weiß man genau, was man will – eine spezifischere Stellenausschreibung ist kaum denkbar. Gesucht wird eine Persönlichkeit, die sich folgendem Forschungsgebiet widmet: „Zeithistorische Transformationsforschung in transnationaler Perspektive. Die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche in den spätsozialistischen Diktaturen (DDR und ostmitteleuropäische Nachbarländer) und die Entwicklung postkommunistischer Gesellschaften in Europa“. Wer ein Word-Dokument mit ebendiesem Arbeitstitel auf seinem Laptop abgespeichert hat, bewerbe sich doch bitte. Alle anderen dürfen wie jede Woche im ZEIT Stellenmarkt stöbern.
   
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Prof. Dr. Winfried Schulze

Direktor des Mercator Research Center Ruhr
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Kürzlich hat hier im Ruhrgebiet wieder ein neuer Jahrgang der Global Young Faculty seine Arbeit aufgenommen, junge WissenschaftlerInnen finden sich für eineinhalb Jahre in AGs zusammen und arbeiten an selbst gestellten interdisziplinären Themen. Funktionierende Wissenschaft hängt nicht nur von Geld, Computern und Hochleistungsgeräten ab, sondern immer auch vom Umgang der Menschen miteinander. Das gilt für die Zusammenarbeit am Lehrstuhl, im Institut oder in den Verbundformaten wie GRKs und SFBs, aber auch in der immer wichtiger werdenden Kooperation ganzer Universitäten. Finden die Richtigen zusammen, die sich gegenseitig motivieren, kann Großes entstehen, andernfalls drohen Reibungsverluste. Zusammenarbeit aber kann man einüben, auch den Blick über den Tellerrand des immer kleiner werdenden eigenen Fachs. Das müsste auch in der Ausbildung junger WissenschaftlerInnen seinen Platz finden!

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Ich sehe weiterhin ein Problem im Bereich der Dissertationen. Wenn wir wegkommen wollen von der leider zu großen Zahl schlecht betreuter, zuweilen auch plagiierender Dissertationen, kann diesem Missstand nur durch eine bessere Betreuung abgeholfen werden. Es mangelt an der kollektiven Verantwortlichkeit der Fakultäten für das Promotionsgeschäft.

Lektüre muss sein. Welche?
Ich habe mir in den letzten Jahren die regelmäßige Lektüre amerikanischer Zeitschriften im Bereich von Higher Education angewöhnt, dazu bietet der regelmäßige Bericht des New Yorker DAAD-Büros einen guten Einstieg. Wenn man wissen will, welche Gefahren der Universität drohen, wird man hier immer wieder fündig. Aber man kann auch daraus lernen, welche neuen Möglichkeiten sich im Bereich der Forschungsorganisation, der Studentenbetreuung und der Verbesserung der Lehre in den Vereinigten Staaten entwickeln. Und zur Erholung davon z.B. Jonas Lüscher: „Kraft“. Da freut man sich, dass der Verfasser statt einer Dissertation diesen Roman geschrieben hat.

Und sonst so?
Ich freue mich jeden Tag, weiterhin im Wissenschaftsbetrieb tätig zu sein, Nichts ist erfreulicher, als zu sehen, wie die jungen KollegInnen unter ganz neuen Bedingungen die Probleme angehen, vor denen ich selbst vor 50 Jahren stand. 
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Standpunkt
 
 
   
   
von Thomas Kerstan
Happy Birthday, KMK!
Die Kultusministerkonferenz (KMK) wird 70 – am Montag feiert sie im gediegenen Auditorium Friedrichstraße in Berlin, und wir gratulieren natürlich herzlich!
Ein paar kritische Anmerkungen hätten wir allerdings auch.
Denn die Bildungspolitik in Deutschland ist durch den immer rascheren Wechsel der Kultusminister personell aus dem Ruder geraten. Wo wird eigentlich noch nachhaltig und konzeptionell über Bildungs- und Wissenschaftspolitik von morgen nachgedacht? Von Fachpolitikern, die ein bildungshistorisches Wissen haben und nicht, kaum eingearbeitet, schon wieder auf den nächsten Posten weiterziehen? Die KMK ist jedenfalls kein solcher Ort.
Immerhin: Es regt sich etwas. Mein Kollege Martin Spiewak hat ehemalige KMK-Insider – die Staatsräte/Staatssekretäre Burkhard Jungkamp, Josef Lange und Michael Voges – über die Zukunft der KMK interviewt (ZEIT Online). In einem Offenen Brief appellieren sie an die Ministerpräsidenten, einen neuen Bildungsstaatsvertrag zu schließen. Sie fordern ein neues Statut der KMK, dass sie zu einem schlagkräftigen Instrument der Bildungspolitik macht und mehr bundeseinheitliche Regelungen einführt, zum Beispiel für die Inklusion, die Lehrerbildung und das Abitur. Zu letzterem hat vor kurzem nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht aufgefordert (ZEIT 53/2017).
Die Chancen auf eine Reform der KMK stehen gar nicht schlecht. So beklagt etwa die scheidende KMK-Präsidentin und Kultusministerin von Baden-Württemberg, Susanne Eisenmann, im Interview mit Jan-Martin Wiarda ein grundlegendes Konstruktionsproblem der KMK und schlägt unter anderem eine Stärkung des IQB vor.
Das wäre das schönste Geschenk zum 70. der KMK: der Beginn ihrer grundlegenden Umgestaltung.
   
   
Sie stehen woanders? Schreiben Sie uns! chancen-brief@zeit.de
– oder twittern Sie unter #ChancenBrief
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Feier ohne Glanz Was macht eigentlich die Kultusministerkonferenz? Sie wird 70 – höchste Zeit, endlich ein paar Wünsche an sie zu formulieren 

»Wir sehen die Defizite des Föderalismus« Sie waren die Strippenzieher der Kultusministerkonferenz. Jetzt fordern sie radikale Reformen. Fragen an Burkhard Jungkamp, Josef Lange und Michael Voges Die Angst der Träumer Tausende Studierende leben illegal in den USA. Unter Donald Trump wächst die Ungewissheit dieser »Dreamer« täglich. Besuch bei zweien, die nicht aufgeben

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
   
   
 
c.t.
 
 
   
 
Bücher für Walfische
Diesen reizenden Mailwechsel veröffentlichte die Universitätsbibliothek der TU Berlin kürzlich auf Twitter und kommentierte: „Wir freuen uns immer, wenn wir so charmante, lustige Anfragen zu Verlängerung der Leihfristen erhalten. Sofern uns das möglich ist, kommen wir diesen Bitten selbstverständlich nach. In diesem Fall hatte unsere antwortende Kollegin besonders viel Verständnis. ‪#HinterdenKulissen“


Quelle: Twitter / @UB_TU_Berlin
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Eine muntere Januarwoche wünscht Ihnen

Ihr CHANCEN-Team


PS: Gefällt Ihnen der CHANCEN Brief, dann leiten Sie ihn gern weiter. Haben Sie ihn weitergeleitet bekommen, melden Sie sich ganz einfach und unverbindlich an –  unter www.zeit.de/chancen-brief. Dann schicken wir Ihnen den Newsletter, solange Sie wollen, immer montags und donnerstags zu.
 
 
 
 
 
 
 
   
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