Fünf vor 8:00: Sauberes Wasser darf kein Privileg der Reichen sein - Die Morgenkolumne heute von Petra Pinzler

 
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FÜNF VOR 8:00
25.01.2018
 
 
 
   
 
Sauberes Wasser darf kein Privileg der Reichen sein
 
Mehr Gerechtigkeit hat die große Koalition versprochen. Wenn sie es wirklich ernst meint, muss sie bei der Umweltgerechtigkeit anfangen. Das würde viele Probleme lösen.
VON PETRA PINZLER
 
   
 
 
   
 
   
Arme Kinder spielen seltener im Grünen als reiche, atmen also mehr Schadstoffe ein. Arme Männer sterben durchschnittlich zehn Jahre früher als reiche. Arme Familien leiden stärker unter Lärm, weil sie häufiger an viel befahrenen, lauten Straßen wohnen. Diese Liste ließe sich noch verlängern, doch die Unterschiede haben immer den einen gleichen Grund: Wer wenig besitzt, kann sich seltener eine saubere Umwelt und damit ein gesundes Leben leisten.
 
War doch schon immer so und früher sogar viel schlimmer – könnte man das mit ein bisschen Zynismus kommentieren. Immer schon sind die Reichen nach Berlin-Dahlem, München-Bogenhausen oder Düsseldorf-Oberkassel gezogen. Die Armen dagegen hausten früher in den dreckigen Elendssiedlungen, porträtiert von Heinrich Zille oder Käthe Kollwitz. Heute wohnen sie an den vierspurigen Stadtautobahnen. Immerhin mit Zentralheizung.
 
Muss das zwangsweise immer so bleiben? In einem Land, in dem CDU/CSU und SPD nun bald wieder über das Programm der kommenden Regierung verhandeln und ganz offensichtlich mehr Gerechtigkeit im Land durchsetzen wollen (jedenfalls sagen das die Sozialdemokraten), müsste dringend über solche Unterschiede diskutiert werden.
 
Schon weil die bisherigen Vorstellungen von einem gerechteren Land schlicht altmodisch sind. Sie konzentrieren sich darauf, den Etat des Arbeits- und Sozialministeriums zu erhöhen, auf ein bisschen mehr Rente, ein bisschen mehr Bildung, ein bisschen andere Arbeitsmarktpolitik.
 
Doch Gerechtigkeit, modern definiert, muss viel mehr sein: In einem gerechteren Land sollten alle Bürger in einer gesunden, grünen Umgebung leben können, sich saubere Luft, saubere Energie und sauberes Wasser leisten können. Damit sie länger gesund leben können, auch wenn sie nicht die Villa in Dahlem besitzen.
 
Umweltgerechtigkeit in konkrete Politik zu verwandeln, könnte eigentlich ein gefundenes Fressen für jeden Sozialdemokraten sein. Denn es würde den Klimaschutz endlich aus der grünen Ecke holen und die SPD müsste nicht mehr über EU-Klimaziele reden, und warum wir sie wieder nicht erreichen werden. Stattdessen könnte sie über etwas diskutieren, das gerade ihrer potentiellen Wählerschaft besonders nutzen würde. Allerdings müsste sie dann neu denken. Denn so etwas lässt sich eben nicht über die klassischen Verteilungsmechanismen erreichen.
 
Strompreise senken, Wohnungen besser dämmen
 
Wer saubere Luft für alle will, muss eine andere Verkehrspolitik machen – und endlich VW, Daimler und BMW dazu zwingen, ihre Autos sauberer zu machen. Wer will, dass die Trinkwassergebühren nicht steigen, was wieder die Armen überproportional trifft, muss den Landwirten das viele Düngen verbieten. Denn das vergiftet das Wasser, macht für die Wasserwerke die Arbeit immer schwerer und das Wasser damit für den Kunden immer teurer. Wer Energiegerechtigkeit will, muss die Strompreise senken, indem er beispielsweise die Stromsteuer streicht. Oder den Armen dabei helfen, weniger Energie zu verbrauchen, in dem er die Wohnungen besser dämmt, ohne dass die Mieten explodieren.
 
Auch diese Liste ließe sich beliebig verlängern. Passieren wird aber erst etwas, wenn die Chefs von CDU, CSU und SPD den Umweltschutz nicht länger als lästiges, teures Gedöns betrachten, das im Zweifel die Menschen viel kostet, ergo ihnen schadet, ergo Stimmen kostet. Das Gegenteil ist der Fall. Mehr Umweltgerechtigkeit nützt Menschen, denen es bisher nicht so gut geht. Und um die will sich die große Koalition doch verstärkt kümmern. Sagt sie jedenfalls.
   
 
   
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