Man sah es ihnen an der Nasenspitze an, wie unwohl sie sich fühlten. Aber brav hatten sich die fünfzehn Unternehmenschefs am Tische Donald Trumps versammelt, als dieser beim Weltwirtschaftsforum in Davos zum Abendessen bat. Kann einer, der für Hunderttausende Mitarbeiter in aller Welt verantwortlich ist, die Einladung eines amerikanischen Präsidenten überhaupt ausschlagen? Nein, da muss er wohl durch. Und darf sich über nichts wundern. Auch nicht über sich selbst.
Die
Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete in ihrem Wirtschaftsteil über den Abend in Davos bemerkenswert ausführlich unter der schönen Überschrift, die mindestens ebenso gut in die
taz gepasst hätte wie in die
FAZ: "Deutsche Konzernchefs huldigen Trump".
Ja, das taten sie. Zum Beispiel Siemens-Chef Joe Kaeser. "Ich arbeite für Siemens", stellte er sich bei Trump vor. Der lachte in die Runde: "Er arbeitet nicht nur für Siemens, er ist der Chef." Was sollte der arme Kaeser da machen? Er raspelte Süßholz, wenn auch offenkundig unter Schmerzen: "Nachdem Sie mit der Steuerreform so erfolgreich waren, werden wir die nächste Generation an Gasturbinen in den Vereinigten Staaten bauen."
Das gefiel dem Präsidenten.
"Thank you", sagte er.
"Fantastic!" Aber die
FAZ, wieder fast wie die
taz, nörgelte: "Gasturbinen – ausgerechnet. Genau das Produkt, für das Siemens in Deutschland gerade Fabriken schließt und Mitarbeiter entlässt." Bei Tische jedoch fiel der Fehltritt nicht weiter auf. Es ging jetzt einmal rund um die Tafel, alle durften Donald Trump loben und ihm viele, viele Investitionsmilliarden versprechen.
"Wir freuen uns darauf, Ihnen zu helfen" Bayer-Chef Werner Baumann etwa, der für die Übernahme von Monsanto warb. Oder SAP-Boss Bill McDermott, ein Amerikaner, der seinem Präsidenten jovial auf die Schulter klopfte und sich "für den Schwung" bedankte, den Trump in die Weltwirtschaft gebracht habe. "Wir freuen uns darauf, Ihnen zu helfen, wie wir nur können." Zufrieden fasste Trump den Abend mit den Worten zusammen, er habe "fünfzehn neue Freunde" gewonnen.
Warum nur müssen sich die Mächtigen in der Wirtschaft den noch Mächtigeren in der Politik oft so hemmungslos an den Hals schmeißen? Derselbe Joe Kaeser reiste im März 2014 nach Moskau, eben erst hatte Wladimir Putin die Krim besetzt. Er traf sich mit dem Kreml-Chef, um über die Geschäfte zu sprechen, so, wie es die Leute an der Spitze von Siemens seit 160 Jahren gehalten hatten, egal wer in Moskau regierte, ob Zar oder Kommissar. Sein Unternehmen lasse sich "von kurzfristigen Turbulenzen" wie der Krim-Krise nicht in seiner langfristigen Planung leiten, erklärte ein ob der Kritik an seiner Reise erstaunter Kaeser im ZDF-Interview.
Der damalige Bundeswirtschaftsminister
Sigmar Gabriel fand den Auftritt Kaesers in Moskau "ein bisschen schräg". Norbert Röttgen von der CDU, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, wurde staatsmännisch: "Kaesers Vorgehen zeigt, dass er entweder die geopolitische Bedeutung der Krise nicht verstanden hat oder dass er das Einzelinteresse seines Unternehmens über die Interessen nicht nur Deutschlands, sondern Europas und des gesamten Westens stellt."
Repräsentanten der politischen Kultur Und da war zur Stilkritik noch kein Wort gefallen. Die ist aber nicht ganz unwichtig beim Umgang mit den Autokraten und Populisten, den Diktatoren und Demagogen dieser Welt. Auch Unternehmenschefs stehen für die politische Kultur dieses Landes. Sie tragen nicht nur Verantwortung für die eigenen Gewinne, sondern auch für die Glaubwürdigkeit unserer liberalen Demokratie. Sie können nicht am Morgen gegen Nationalismus und Protektionismus wettern und am Abend sich beim Totengräber des freien Welthandels einschleimen.
Politik und Wirtschaft brauchen einander. Nur kann die Rollenverteilung nicht so aussehen, dass Politiker in schwierigen Ländern helfen, Türen zu öffnen und in der Öffentlichkeit den Kopf hinhalten für Menschenrechte oder Freihandel, während sich die Wirtschaftslenker wegducken.
Wer einmal eine Reise von Regierungsvertretern mit großer Wirtschaftsdelegation – sagen wir: nach China – begleitet hat, kennt die Erwartungen, die sich an die Politiker richten: Sie sollen für faire Investitions- und Handelsbedingungen sorgen, ansonsten aber bitte um den heißen Brei herumreden, ihn am besten komplett ignorieren. Demokratie, Dissidenten, Menschenrechte, freie Presse: Huhuhu! Verderben Sie die Atmosphäre nicht!
Man sollte nicht naiv sein. In manchen Ländern kann man nur Geschäfte machen, wenn man sich die Nase zuhält. Zu diesen Ländern aber gehören die Vereinigten Staaten nicht. Und auch in China ist der Kotau aus der Mode gekommen.
Deshalb: Kann man den eigenen Geschäften nicht mit etwas mehr Würde nachgehen? Mit etwas mehr Selbstbewusstsein? Muss man die Stiefel, von denen man nicht getreten werden will, auch noch lecken?