AffenasthmaAmis wollen brettern, Franzosen wollen brettern. Was will der Deutsche? Er will Transparenz. Eine Verteidigungsschrift für den Daimler-Chef Dieter Zetsche VON MELY KIYAK |
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Wird jetzt eigentlich jede Schraube, die bei VW, BMW oder Daimler am Band ins Blech reingedreht wird, darauf untersucht, ob sie Spuren von Nüssen erhält oder zum dritten Geschlecht gezählt werden muss? Neuerdings haben wir ja nicht nur 80 Millionen Bundestrainer im Land, sondern auch 80 Millionen Ingenieure. Donnerstag ist die Bilanzpressekonferenz der Daimler AG. Niemand spricht über das gigantische Wachstum. Stattdessen seit Tagen wieder Abgase, Abgase, Abgase. Hört das nie auf? Dieter Zetsche bereitet in diesen Minuten wahrscheinlich alles vor. Geht noch einmal durch den Saal, zupft die Tischdecken gerade, prüft die Mikrofonanlage ("Hallo, hallo, ein, zwei, drei"), zwirbelt am Schnurrbart. Sobald man in diesem Land anfängt, Kohle zu machen, machen sie einem alles madig. Sind die Abgasfilter vegan? Sind die Auspuffe mundgeblasen? Nein, sind sie nicht! Na und? Die Kisten können schnell fahren. Die Japaner in ihren motorisierten Makis ließen aus Dank für solche Autos das Kaiserreich wiederauferstehen. Die Amis wollen brettern. Die Franzosen wollen brettern. Der Brite brettert für sein Leben gern. Was will der Deutsche? Er will Transparenz. Es ist jetzt schon klar, dass morgen wieder ein paar übereifrige Journalisten mit Fragen zu Nachhaltigkeits-, Umwelt- und sonstigem Chiasamenfirlefanz nerven werden. Zetsche ist aber Vorstandschef einer Aktiengesellschaft und nicht Kopierhilfe im Umweltministerium. Auch wenn es niemandem in den Kopf will. Zetsche muss nur das machen, wovon Daimler findet, dass er es machen muss. Eine Autofabrik ist dafür da, Autos zu bauen und zu verkaufen. Wenn irgendjemand findet, dass in Deutschland umweltfreundliche Autos gebaut werden sollen, ja, mein Gott, dann soll er sich für so ein Gesetz einsetzen. Und eventuelle Rechtsbrüche mit empfindlichen Sanktionen ahnden. Aber zu verlangen, dass ausgerechnet Zetsche sich den Kopf über asthmatische Affen zerbrechen soll, ist schon arg tantrisch gedacht. Genau das aber verlangt die Öffentlichkeit. Dass Zetsche nicht nur den Autokonzern beaufsichtigt und die Mitarbeiter und das Produkt. Sondern dass er auch durch den Harz wandert und ein Abgasuntersuchungsstarterkit bei sich führt, Luftproben nimmt und das Stethoskop an den Stamm einer Birke hält. Träumt weiter! Toblerone ist aber länger! Was hat die Automobilindustrie nicht alles versucht, um die Öffentlichkeit behutsam an das Thema Abgase heranzuführen. Übrigens auf eigene Kosten! Immer auf eigene Kosten. Steuerlich absetzbar, aber geschenkt! Die Kabarettisten in der ZDF-Sendung Die Anstalt beschrieben das aufwendige Verfahren der deutschen Automobilindustrie zu den Abgaswerten: "Es werden Autos getestet, die in der Wirklichkeit so gar nicht existieren, mit Fahrweisen, die es nicht gibt, unter Bedingungen, die nie stattfinden, was wiederum zu Messergebnissen führt, die in der Realität nicht vorkommen." Das war als Spott gemeint. Aber hat mal irgendjemand ein fahrendes Auto mit Auspuff zu einem emissionsfreien Goldfisch im Glas umgebaut? Das ist deutsche Ingenieurskunst vom Feinsten gewesen. Betrug, Betrug, hieß es überall. Als Duplo behauptete, dass es sich bei ihrem Produkt um die längste Praline der Welt handele, da ist auch keiner von den Schlaubergern aufgesprungen und hat gesagt: Toblerone ist aber länger. Wer saubere Dieselautos haben will, muss entweder auf den Diesel verzichten oder auf das Auto. Aber trügt der Eindruck, dass das außer ein paar Dinkelkräckerfressern niemand will? Daimler, Volkswagen, BMW und anfangs auch Bosch haben gemeinsam ein 1A-Forschungslabor spendiert. Und 125.000 Euro dafür springen lassen. Pro Konzern, nicht zusammen! Der Laden hieß EUGT. Weil alles, was mit EUG anfängt, seriös ist. Die Idee dahinter war, innovative und unabhängige Fahrtests als Forschungsanalysen der Öffentlichkeit und Politik für lau hinterherzuschmeißen. Was heißt schmeißen. Man hat eigene Leute in den Bundestag geschickt und es den Herren und den Damen – excusez-moi für die robuste Wortwahl – eigenhändig in ihre Hintern gerollt. Bis wieder irgendwelche Medien etwas daran auszusetzen hatten, zuletzt die Süddeutsche Zeitung, der NDR und WDR und auch der Spiegel. Dobrindt, bescheidener Kerl Was dann kam, kann man ohne große Übertreibung als Inquisition beschreiben. Von "Affäre" war die Rede. Natürlich ist die Europäische Union sofort eingeknickt und hätte fast Konsequenzen für Dieselmotoren durchgesetzt. Wenn, ja wenn Verkehrsminister Alexander Dobrindt sie nicht allesamt erfolgreich abgewehrt hätte. Daimler hatte ursprünglich mal die Idee, den Dobrindt als Abnickdackel für die Hutablage im Auto produzieren zu lassen, das wollte der aber nicht. Bescheidener Kerl. Bevor sich jetzt wieder irgendjemand aufregt: Dobrindt ist Verkehrsminister und nicht Umweltminister. Umweltministerin ist in Deutschland Barbara Hendricks. Das ist die, die neulich so einen Aufstand machte, weil der Landwirtschaftsminister Christian Schmidt im todesmutigen Alleingang für die Verlängerung der Glyphosat-Zulassung im Europaparlament stimmte. Glyphosat ist eine Art Bachblütentherapie. Sagt ja schon der Name: Blüte. Stichwort Nobelpreis Apropos Glyphosat. Nur so eine Randbemerkung, weil es gerade passt. Vorsitzender des EUGT, den manche als Lügenverein oder Lobbymafia zu diskreditieren versuchen, ist Professor Helmut Greim. So einen zu bekommen, ist nicht einfach. Der Mann muss eine immense Mehrfachbelastung wegstecken. Er ist ein unabhängiger Forscher in den Diensten der deutschen Automobilindustrie und saß im Vorstand der EUGT. Der EUGT war im Grunde genommen eine Art Antidiskriminierungsstelle der Autokonzerne. Der Verein wurde nach dem Bekanntwerden seiner bahnbrechenden Erfindungen aufgelöst. Jetzt bitte bloß nicht irgendwas als Schuldeingeständnis verstehen. Zeitliche Nähe ist zeitliche Nähe, mehr nicht. Außerdem ist Professor Greim auch unabhängiger Sachverständiger im Abgasuntersuchungsausschuss des Bundestages und, das ist jetzt wirklich ein Knaller, Sachverständiger des Parlaments für das Thema Glyphosat. Der Mann ist eine Koryphäe! Er ist nicht nur Botaniker und Insektenexperte, sondern auch Physiker und Chemiker. Ob mal jemand in Oslo einen dezenten Hinweis geben könnte? Stichwort Nobelpreis. Der "Ulysses" unter den Autos Neben der Mercedes-Benz-Arena, einem Konzert- und Veranstaltungsort am Berliner Spreeufer kann man übrigens gerade in Riesenschaufenstern das neueste Werk von Daimler begutachten. Ein Auto, so groß, dass ein SUV daneben wie eine Ameise wirkt. Wäre Zetsche ein mittelmäßiger Schriftsteller, hätte er nach so viel Kritik eine Schreibblockade. Hat er aber nicht. Was da jetzt rausgehauen wurde, ist der Ulysses unter den Autos. Man kann ohne Übertreibung sagen, die neue Generation deutscher Autos spielt in der Liga der Leopard-II-Panzer. Und das ist das Spektakuläre. Nicht nur die Automobilindustrie wächst, sondern auch das Auto! Weil ja auch die Kunden immer größer und schwerer werden. Zu Napoleons Zeiten maß der Autofahrer höchstens 150 cm. Vergangene Woche war es, als Zetsche die Käsebrötchen für das morgige Presse-Buffet schmierte, da kam ihm zu Ohren, dass das von Daimler mitgesponserte und ins Leben gerufene EUGT wohl auch an Tier- und Menschenversuchen beteiligt war. Was jetzt wieder zu einem Riesenhype aufgebauscht wird, ist einfach zu erklären. Nachdem die deutsche Automobilindustrie durch die Umweltschutzmafia geradezu gezwungen worden war, zu beweisen, dass hinten saubere Almluft aus den Auspuffs herauskommt, bestand Plan B darin, zuzugeben, dass hinten nicht Vitamin C und wertvolle Cerealien herauskommen, sondern Stickoxide. Und zwar völlig unbedenkliche Stickoxide. Hätte man für die erforderlichen Untersuchungen Tofu als Testpersonen nehmen sollen? Dann hätte es doch wieder geheißen: "Manipulation!" Es weiß doch jedes Kind Da die Hürden für Menschenversuche in den USA sehr hoch sind, konnte man dort leider nur an Affen forschen. Da die Auflagen für Menschenversuche in Deutschland traditionell etwas geringer ausfallen, durfte die Uni Aachen 25 gesunde Menschen Stickstoffdioxid, das ist das, was der Volksmund meint, wenn er Dieselabgas sagt, einatmen lassen. Hätte Zetsche die Nase selbst in den Auspuff stecken sollen? Natürlich war er empört, als man ihn damit konfrontierte. Obwohl die Versuche von EUGT beauftragt und bezahlt, von Daimler mitgegründet und mitfinanziert wurden. Zetsche hätte auch seinen Umweltbeauftragten fragen können, aber bei Daimler herrschen flache Hierarchien. Da rennt man nicht jedem Mitarbeiter hinterher und schaut, ob er die Stempelkarte auch wirklich reingesteckt hat, oder ob er das Piepsignal mit dem Mund simuliert. Obwohl die Uni Aachen wissenschaftlich unabhängig nachgewiesen hat, dass das Schnüffeln von Abgasen spurlos an den Atemwegen vorbeigeht, hat Zetsche das getan, was getan werden muss, sich nämlich distanziert. Vor allem von dem Ergebnis. Weil doch ganz klar ist, dass Laborbedingungen nicht echte Bedingungen sind ("..von Autos, die es nicht gibt, unter Bedingungen, die es nicht gibt.."). Weiß doch jedes Kind, dass Dieselabgase gesundheitsschädigend sind. Unter uns Mittelständlern: Wenn sich irgendjemand in der Bundesregierung für Abgaswerte interessiert oder die Gesundheit der Bürger, oder unbändige Lust auf eine nachhaltige Umweltpolitik hat, ja, soll er doch gefälligst eigene Gutachter berufen und bezahlen! Wenn es irgendjemanden da oben interessiert, was aus einem deutschen Auspuff da unten tatsächlich herauskommt, dann soll er es selbst messen.
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