| HSV ohne Trainer, aber mit Hightech-Toilette in Laufweite
Arbeiten bei der Stadtreinigung Hellseher – oder knallharte Realisten? Diese Frage kann man sich angesichts einer Pressemitteilung vom Freitag stellen. Denn die Nachricht über die neue Hightech-Toilette an der S-Bahn Elbgaustraße (übrigens schon die siebte in der Stadt) beginnt mit den Worten: »Damit’s auch beim HSV mal läuft.« Wann das jemals wieder der Fall sein soll, dürften sich auch Spieler und Fans nach der 0:2-Heimpleite gegen den Tabellenletzten aus Köln am Sonnabend gefragt haben. Die Verantwortlichen um den Vorstandsvorsitzenden Heribert Bruchhagen haben gestern jedenfalls schon mal einen Schuldigen identifiziert und Trainer Markus Gisdol rausgeschmissen (oder anders formuliert, aber gleich im Ergebnis: freigestellt). Als Nachfolger soll wohl Bernd Hollerbach kommen. Wie schon so viele Trainer vor ihm war auch er bereits Spieler beim HSV. Fällt dem Dino nichts Neues ein? Anders als der Stadtreinigung, die die Vielseitigkeit der neuen Toiletten anpreist: Neben dem Klo gibt es einen Wickeltisch (»Me and my baby first«!), einen Druckluftspender für Fahrradreifen, drei Aufladestationen für E-Bikes und in den Sommermonaten einen Wasserspender zum Durstlöschen. Und für alle hartgesottenen HSV-Fans bietet das tolle Teil auch noch Raum, um sich nach Niederlagen kontemplativ zurückzuziehen und heimlich ein paar Tränchen zu verdrücken. Bis die automatische Vollreinigung... – nein, das ist nur ein Mythos.
»Ich will die Bilder den Neonazis vor die Nase stellen«
Eine Menschenmenge, schwarz gekleidet, Kapuzen auf den Köpfen, Sonnenbrillen vor den Augen, die Gesichter vermummt. Oder die Nahaufnahme einer Frau – ihr fehlen beide Arme. Oder ein ausgestreckter Mittelfinger, der mit einer Schere abgetrennt zu werden droht. Wer mit offenen Augen durch Hamburg geht, dem fallen an Mönckebergstraße, Jungfernstieg und Mittelweg oder vor der Kunsthalle schnell die Motive des zweiten »Anfachen Awards« auf, einer Kunstaktion, die unter anderem von der Behörde für Kultur und Medien, dem Diakonischen Werk und der ZEIT-Stiftung unterstützt wird. Noch bis Februar sollen 25 Gewinnerplakate internationaler Künstler zum Thema Toleranz öffentlich ausgestellt sein. Wir sprachen mit Initiatorin Julia Melzner.
Elbvertiefung: Frau Melzner, was genau wollen Sie eigentlich anfachen? Julia Melzner: Die Idee ist, Menschen zum Nachdenken über bestimmte Themen und zum Handeln anzuregen. Es soll ein Denkanstoß für alle sein, sowohl für die Künstler als auch für diejenigen, die die Plakate später im öffentlichen Raum sehen. Unsere Erwartung ist, dass sich die Leute mit ihren jeweiligen Toleranzgrenzen auseinandersetzen.
Elbvertiefung: Wie fallen denn die Reaktionen der Passanten aus? Melzner: Wir kriegen viel Resonanz, auch sehr unterschiedliche. Beim Aufhängen zum Beispiel sagten einige im Vorbeigehen, wie toll es sei, dass es so etwas gibt. Woanders hat uns eine vornehme Dame mit einem abfälligen Blick gestraft. Auch per E-Mail erreicht uns Feedback. Eine Dame schrieb uns beispielsweise, dass sie täglich auf dem Weg zur Arbeit an den Plakaten vorbeikomme. Die würden ihr so gut gefallen, ob es die auch zu kaufen gebe. Und was witzig war: An einer Stelle hat direkt nach dem Aufhängen ein Hund an ein Plakat gepinkelt. (lacht)
Elbvertiefung: Bestimmt wusste er nicht, was er tat. Das war aber sicher anders, als das Plakat, das eine Menge schwarz Vermummter zeigt, beschädigt wurde. Melzner: Ich denke, dass die Menschen in Hamburg einfach aufgrund der Geschehnisse rund um den G20-Gipfel äußerst sensibel darauf reagieren. An der Kennedybrücke wurde das Plakat mit diesem Motiv einfach zertreten, am Schauspielhaus abgenommen und zusammengefaltet, nun auch am Millerntor. Aber das ist okay, es muss nicht alles Harmonie sein. Die Motive sollen ja eben anfachen; zur Diskussion anregen.
Elbvertiefung: Das scheint zu gelingen. Wie setzen sich Menschen denn noch mit den Motiven auseinander? Melzner: Ein anderes Beispiel ist das Plakat von Michael Braley, der auf seinem Motiv ein Zitat von Voltaire in englischer und deutscher Sprache ineinanderfließen lässt. Daran hat jemand eine Rose befestigt.
Elbvertiefung: Für den diesjährigen Award gingen 671 Werke aus 43 Ländern bei Ihnen ein. Wo werden Sie die ausgewählten Motive noch ausstellen? Melzner: Die Plakate sind bereits nach Moskau und Tallinn geschickt worden, mit der Türkei sind wir im Gespräch, und weitere Länder sind geplant. Aber erst mal werden sie im Laufe des Jahres unter anderem noch in Frankfurt und Potsdam zu sehen sein. Wir wollen sie auch in Jamel ausstellen (ein Ort im Kreis Nordwestmecklenburg, der als »Nazidorf« immer wieder für Schlagzeilen sorgt; Anm. d. Red.) Ich will die Bilder gern den Neonazis vor die Nase stellen und vor allem deren Kindern. | |
|
|