Freitext: Olga Grjasnowa: Was sagt ein Syrer über Israel?

 
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31.01.2018
 
 
 
 
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Was sagt ein Syrer über Israel?
 
 
Den aktuellen Antisemitismus vor allem mit Flüchtlingen in Verbindung zu bringen, ist falsch und gefährlich. Eine Erwiderung auf einen Text von Alexandra Berlin
VON OLGA GRJASNOWA

 
© Adam Berry / Getty Images
 

Angst ist keine gute Grundlage für Debatten. Auch ich habe Angst, Angst vor Katzen und davor, dass, wenn ich Neukölln die U-Bahn nehmen muss, der Aufzug schon wieder nicht funktioniert und ich einen Kinderwagen mitsamt zwei Kindern hinuntertragen muss.
 
Neukölln ist der Ort, an dem ich lebe – als Jüdin und mit einem syrischen Ehemann, wobei er noch viele andere Eigenschaften hat. Ein Stadtteil also, der oft als eine No-go-Area für Juden beschrieben wird und in dem dennoch viele Juden und Israelis leben, und das sogar sehr gern. Von „Flüchtlingen“ habe ich bislang noch keinen Antisemitismus erfahren. Allerdings frage ich mich oft, wie es sich für aus Syrien geflüchtete Menschen anfühlen muss, wenn ich auf der Straße Russisch spreche, denn immerhin fallen gerade russische Bomben auf ihr Land. Aber auch da gab es bisher keine Probleme.
 
Ich möchte nicht ausschließen, dass es unter ihnen Antisemitismus gibt. Sicherlich gibt es diesen. Vor ein paar Wochen bin ich aus Versehen in die Demonstration gegen die Entscheidung der Trump-Regierung, Jerusalem als die Hauptstadt Israels anzuerkennen, hineingelaufen und es war alles andere als schön. Die Stimmung war aufgeladen. Was mich am meisten irritierte, waren jedoch die Fahnen der Hisbollah, die ohne jede Scham oder Heimlichkeit geschwenkt wurden, was nicht mit Strafverfolgung seitens der nicht wenigen Polizisten geahndet wurde. Überhaupt wirkte der ganze Demonstrationszug wie eine einzige Drohgebärde der Hisbollah – und der Hisbollah sollten wir die Straßen ganz sicher nicht überlassen. Nur wurde das leider in der bisherigen Debatte nicht thematisiert.
 
Was genau heißt „Flüchtling“?
 
„Ich fühle mit den Menschen, frage mich aber auch, wie es gelingen kann, so viele Migranten zu integrieren. Sie haben Krieg und Elend überlebt – nun kommen sie in ein Land, in dem Asylunterkünfte brennen. Ich fürchte um die Flüchtlinge, ich fürchte um den Zusammenhalt in Deutschland. Um mich fürchte ich nicht“, schrieb vor Kurzem an dieser Stelle eine Autorin, die ihren Text unter dem Pseudonym Alexandra Berlin veröffentlicht hat, und merkt zudem an: „Ich weiß, dass die Integration von 900.000 Flüchtlingen eine Mammutaufgabe ist. Viele von ihnen sprechen kaum Deutsch, auch westliche Werte wie die Gleichstellung von Mann und Frau sind ihnen fremd.“
 
Ich glaube nicht, dass die Gleichstellung von Mann und Frau ein explizit westlicher Wert ist, denn wie kann man sich sonst erklären, dass das Frauenwahlrecht in Liechtenstein erst im Jahr 1984 und in dem Schweizerischen Kanton Appenzell Innerrhoden gar erst im Jahr 1990 eingeführt worden ist, und im letzten Fall nicht einmal freiwillig, sondern durch einen Beschluss des Bundesgerichts? Ich glaube, viele dieser Menschen sprachen zumindest Deutsch und andere relevante Landessprachen und waren auch sonst recht gut integriert. Ich könnte noch anführen, dass Frauen in Deutschland bis 1977 nicht ohne die Erlaubnis ihres Ehemannes arbeiten und kein eigenes Konto besitzen durften. Die Vergewaltigung in der Ehe ist in Deutschland erst seit 1997 verboten und die gegenwärtige #MeToo-Debatte zeugt davon, dass wir noch sehr weit von der Gleichstellung entfernt sind. Wissenschaftler veranschlagen, dass es bis dahin noch etwa 100 Jahre dauern wird.


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