| | | | von Manuel J. Hartung | | | Freiraum für die Mutigen Je kürzer eine Vereinbarung ist, desto mehr Raum lässt sie oft: den Verunsicherten für Fragen; den Verzagten für Abwehrkämpfe; den Mutigen für Gestaltungsideen. So auch beim von Union und SPD verabschiedeten Sondierungspapier. Auf seinen gerade einmal 28 Seiten enthält es ein paar unkonkrete Ein-Satz-Beschlüsse, die, wenn die Koalition zustande kommt, Bildung und Wissenschaft entweder nachhaltig verändern – oder wirkungslos bleiben. Zum einen heißt es, eine künftige Koalition wolle »einen nationalen Bildungsrat einrichten«. Einen solchen Rat gab es schon mal, es gibt ihn aus guten Gründen nicht mehr; vor vier Jahren haben Bertelsmann-, Bosch- und Telekom-Stiftung ihn neu auf die Agenda gesetzt. Was dieser Rat können soll, lässt die Sondierungsvereinbarung offen. Wird er ein Beratungsgremium, das bloß Papiere verfasst? Oder wird er Gestaltungsmacht und Geld haben? Sitzen darin vor allem Wissenschaftler? Oder gibt es eine Mischung aus Vertretern aus Forschung und Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft? Schlecht konzipiert, wäre der Rat vom Start weg irrelevant. Klug eingesetzt, kann dieser Rat zerfledderte Entscheidungsstrukturen überwinden. Er wäre ein Aufbruch. Zum anderen soll es eine »Agenda für Kultur und Zukunft« geben, die »eine Initiative für die Freiheit von Kunst und Wissenschaft« vorsieht und auf eine »Stärkung der Kultur- und Bildungspolitik, um die Werte unseres Landes im globalen Wettbewerb der Narrative erfolgreich zu vertreten«, abzielt. (»Wettbewerb der Narrative« war übrigens der Titel einer Tagung des Goethe-Instituts im vergangenen Jahr.) Noch nie war es so wichtig, eine ambitionierte Außenwissenschaftspolitik zu betreiben – aus Eigeninteresse und aus Verantwortung für die Welt. Durch den Brexit und die Regierung Trump sind die beiden stärksten Hochschulnationen der Welt geschwächt. In Ländern wie Ungarn oder der Türkei ist die Freiheit der Wissenschaft bedroht. Weltweit konkurrieren Gesellschaftsmodelle. Es geht nicht nur, wie der Kulturchef des Auswärtigen Amtes, Andreas Görgen, einmal sagte, um eine »mögliche Gestaltung der realen Welt«, sondern auch um »eine reale Gestaltung der möglichen Welt«. Die besten Köpfe nach Deutschland zu holen, die Anziehungskraft der Hochschulen auszubauen kann die Wissenschaft besser und das Land bunter machen. Aber nur dann, wenn die Mutigen den Raum, den Ein-Satz-Beschlüsse schaffen, mit vielen Ideen ausfüllen.
Dieser Kommentar stammt aus der aktuellen ZEIT (4/2018) | | | | |
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