Hinz&Kunzt wird 25: »All die Arbeit lohnt sich doch!«Nah dran, kritisch, sozial ist das Straßenmagazin
»Hinz&Kunzt« auch 25 Jahre nach dem Verkaufsstart. Trotzdem ist Chefredakteurin
Birgit Müller ernüchtert. Wir haben sie gefragt, warum.
Elbvertiefung: Frau Müller, Glückwunsch zum Fünfundzwanzigsten! Hätten Sie beim Verkaufsstart gedacht, dass es »Hinz&Kunzt« so lange geben würde?Birgit Müller: Überhaupt nicht, ich habe uns damals maximal zwei Jahre gegeben! Auch weil wir so naiv waren und tatsächlich glaubten, dass sich die Obdachlosigkeit in Hamburg binnen zwei Jahren überwinden ließe. Ein Trugschluss, wie wir heute wissen.
EV: Das Problem ist sogar größer geworden, inzwischen leben knapp 2000 Menschen auf Hamburgs Straßen. Mussten Sie Ihre Ansprüche runterschrauben?Müller: Wir hoffen immer noch auf eine Politik, die alles dafür tut, dass niemand auf der Straße leben und sterben muss. Aber ja, manche Maßnahme, die wir früher rigoros ablehnten, finden wir heute gut. Als uns damals eine Stiftung Wohncontainer für Obdachlose anbot, waren wir total entsetzt: »Menschen in Containern? Niemals!« Und heute? Freuen wir uns über jeden Container und verteidigen jede Brücke, unter der Obdachlose schlafen.
EV: Sie verkaufen rund 61.000 Magazine im Monat. Wie macht man ein Straßenmagazin, das die Leute nicht nur aus Mitleid kaufen?Müller: Unser Magazin soll viele Menschen ansprechen, auch jene, die müde vom Alltag sind und sich nicht runterziehen lassen wollen von traurigen Geschichten über soziales Elend. Also berichten wir auch über Kunst und Kultur, daher ja auch das »Kunzt«. Es bringt nichts, immer nur den Finger in die Wunde zu legen, das führt zu einem Gefühl der Hilflosigkeit. Wir suchen deshalb auch immer nach Lösungen und erzählen positive Geschichten, die hoffnungsvoll stimmen.
EV: Wie halten Sie selbst durch? Müller: Natürlich gibt’s Phasen, in denen ich resigniere. Aber dann passiert doch immer wieder etwas, das mir Hoffnung gibt. Mit Projekten wie »BrotRetter« oder der Aktion »Spende dein Pfand« am Flughafen konnten wir Obdachlose in Arbeit bringen. Und die Schicksale unserer Verkäufer sind oft so berührend, dass ich mir sage: Hey, all die Arbeit lohnt sich doch!
EV: Woran denken Sie da?Müller: Da wäre der Lkw-Fahrer Ralf, der die Trennung von seiner Familie nicht verkraftet hat und eines Tages einfach abgehauen ist. Zwei Jahre war er auf der Straße, bis seine Frau und die Kinder ihn gefunden haben. Oder zwei Obdachlose, die immer auf der Spitalerstraße Platte machen. Als neulich jemand vorbeikam, der selbst noch nicht lange obdachlos war und völlig orientierungslos herumirrte, haben die beiden gesagt: »Komm erst mal zu uns, wir passen auf, leg dich zwischen uns, da ist es warm.« Da ist nicht nur Härte auf der Straße, sondern auch Hilfe und Herzlichkeit.
EV: Was planen Sie für die nächsten 25 Jahre? Müller: Heute Abend feiern wir erst einmal in der Markthalle. Ganz Hamburg ist eingeladen, es gibt Musik von der Gustav Peter Wöhler Band, und Michel Abdollahi moderiert. 2020 beziehen wir unser neues Haus im Stiftsviertel, in dem auch 25 Wohnplätze für Obdachlose entstehen. Und wir planen die nächsten Geschichten – mit unseren 530 Verkäufern haben wir schließlich die besten Informanten.
Denkmalschutzpreise für Orgel, Kate und HausDas Rennen war knapp, am Schluss gab es drei Sieger. Der Hamburger
Preis für vorbildliche Denkmalpflege und Altbauerhaltung geht an die
Arp-Schnitger-Orgel in St. Pankratius in Neuenfeld, die
KunstKate in Volksdorf sowie das
Richard-Dehmel-Haus in Blankenese. Die Menschen hinter diesen Denkmälern wurden gestern Abend im Reimarus-Saal mit Bronzeplaketten geehrt. Vergeben werden die Preise alle drei Jahre von der
Patriotischen Gesellschaft, die sich allerdings bedeckt hält, wie die Gewinner ausgewählt werden. Entscheidend seien laut
Johann-Christian Kottmeier, dem Sprecher des Arbeitskreises Denkmalschutz, jedoch Zeugniswert, historische Bedeutung, Originalität, Nutzungskonzept oder Qualität der handwerklichen Ausführung. Voraussetzung für den erfolgreichen Erhalt eines Denkmals sei privates, persönliches Engagement. »Dort, wo sich die Zivilgesellschaft nicht oder nicht ausreichend eingemischt hat, sind
bedeutende Denkmäler verloren gegangen«, sagt Kottmeier und erinnert an den Ostflügel des Harburger Schlosses, der 1972 abgerissen worden war. Nun hofft der Arbeitskreis, dass den City-Hof am Rande des Kontorhausviertels nicht das gleiche Schicksal ereilt. Dessen Bedeutung, sagt Kottmeier, sei leider nur den wenigsten bewusst.