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eben zog die Bahn ihren wahrscheinlich abgefahrensten viralen Werbespot aller Zeiten nach nur einem Tag zurück – einen Streifen, in dem als Spermien und Eizellen verkleidete Darsteller auftreten und sich auf die Vereinigung – ja, die – einstimmen wie Sportmannschaften vor einem Match. Genau, wir dachten da an Woody Allens »Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten«, und diese Anspielung war wohl auch intendiert. »An alle in Fernbeziehungen, Nahbeziehungen, Ab-und-zu-Beziehungen: Macht euch bereit und kommt mal wieder zusammen«, lautete nämlich die Botschaft des Clips, der ans Bahnfahren erinnern sollte. Warum gerade jetzt? Weil im Herbst die meisten Kinder geboren werden und die rechnerisch fruchtbarste Zeit des Jahres demnach ungefähr – jetzt ist. Doch bevor die Social-Media-Gemeinde der Bahnfahrer ihren Augen und Ohren so richtig traute (ich bekam Anfragen, ob der Spot nicht in Wahrheit von Bahn-Satirikern stamme), verschwand der schräge Streifen wieder. Auf Nachfrage von Nils Jacobsen vom Branchendienst Meedia erklärte ein Bahn-Sprecher auf Twitter, man habe sich »kurzfristig aufgrund der aktuellen Wetterlage dazu entschlossen, das Video zu löschen«. Man wolle nicht »noch für mehr Frust sorgen«, hieß es unter Bezug auf die Beeinträchtigungen vor zwei Tagen durch das Sturmtief »Burglind«, schließlich »dauert es heute mitunter etwas, bis unsere Fahrgäste nach Hause kommen«. Nachvollziehbar, dass viele Bahnreisende dann zu anderem keine Lust haben. Doch obwohl die Bahn meldet, es gebe im Fernverkehr keine Beeinträchtigungen mehr durch »Burglind«, war der animierende Spot bis Redaktionsschluss noch nicht wieder online. Verschwinden lassen soll die Bahn in Hamburg noch etwas anderes: die Bahnsteigkarte. Vielleicht wussten Sie es gar nicht, aber seit 1966 benötigen Sie hier, wenn Sie keine Fahrkarte dabeihaben, zumindest ein solches Ding für 30 Cent, um einen Bahnsteig betreten zu dürfen, etwa um Ihre Mutter mit dem schweren Koffer abzuholen. Haben Sie kein Ticket und laufen beim Verlassen des Bahnsteigs in eine Kontrolle, sind Sie ein Schwarzfahrer (es sei denn, Ihre empörte Mutter faltet den Kontrolleur zusammen). Diese Zustände von anno dunnemals, fordert die Hamburger CDU, sollen nun vorbei sein. Ein Antrag liegt schon bei der Bürgerschaft. Allerdings, sagte der CDU-Verkehrspolitiker Dennis Thering der Deutschen Presse-Agentur, gehe er davon aus, dass SPD und Grüne den Vorstoß ablehnen werden, da er schließlich aus der Opposition stamme. Falls dies so sein sollte, bleibt der Reformidee zumindest noch das, was auch dem Eizellen- und Spermienspot beschert war: Ein bisschen Öffentlichkeit.
Gewalt unter Flüchtlingen: »Prävention wichtiger als Abschiebung« Neigen junge Flüchtlinge zu Gewalt? Eine Studie des Kriminologen Christian Pfeiffer hat für Aufsehen gesorgt: 2014 und 2016 stieg die Zahl der Gewaltstraftaten in Niedersachsen demnach um 10,4 Prozent, über 92 Prozent der Taten seien Geflüchteten zwischen 14 und 30 Jahren zuzurechnen, besonders solchen aus den nordafrikanischen Staaten Marokko, Algerien und Tunesien. Cornelia Gunßer vom Hamburger Flüchtlingsrat betreut seit über zwanzig Jahren junge Flüchtlinge. Was sagt sie zur Studie? »Richtig ist, dass junge Geflüchtete dann eher zu Frust und Wut neigen, wenn sie keine Zukunftsperspektive in Deutschland haben. Zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommt es aber vor allem zwischen Flüchtlingen, das beobachte ich auch bei meiner Arbeit.« Ein zentrales Problem sei, auch in Hamburg, die Unterbringung: »Wenn junge Männer aus unterschiedlichen Ländern oder Religionen ein Zimmer teilen müssen, kommt es schnell zu Streitereien. Viele sind von der Flucht traumatisiert. Und wer den ganzen Tag ohne Beschäftigung in der Unterkunft abhängt, wird eher aggressiv.« Konflikte zwischen jungen Flüchtlingen und Deutschen ergäben sich oft auch durch die Sprache: »Da wird eine ›fremde‹ Geste falsch verstanden, Neuankömmlinge können sich nicht verbal wehren oder fühlen sich rassistisch angegriffen, obwohl dies manchmal gar nicht so gemeint war«, so Gunßer. Doch was tun, um der Gewalt zu begegnen? Die CDU plädiert für konsequentes Abschieben, die Linke fordert eine bessere Betreuung. »Straftaten sollten im deutschen Rechtssystem verfolgt werden, von einer sofortigen Abschiebung von Straftätern halte ich nichts, sie ist in viele Länder auch gar nicht möglich«, sagt Gunßer. Wichtiger sei Prävention: »Auch Nordafrikanern ohne Bleibeperspektive sollte man Fähigkeiten vermitteln, die ihnen zumindest im Heimatland bessere Chancen ermöglichen könnten.« |
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