Freitext: Manfred Rebhandl: Der Sex kommt zu kurz

 
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11.01.2018
 
 
 
 
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Der Sex kommt zu kurz
 
Seit Sebastian Kurz Kanzler ist, wird das neoliberale Geschnatter in Österreich lauter. Im Bett aber herrscht Flaute. Vielleicht erledigt sich das Problem so von selbst.
VON MANFRED REBHANDL

 
© Nik MacMillan / unsplash.com (https://unsplash.com/@nikarthur)
 
Es ist schon etwas länger her, dass in Europa eine neue Regierung angetreten wäre mit einem Programm, das in etwa meinte: „Alle Menschen sind gleich an Rechten und Würde, und deswegen sind sie auch so zu behandeln.“ Europäische Grundsätze halt, nicht einmal links, sondern nur christliche Soziallehre. Möglicher Zusatz: „Also schauen wir erst mal, dass die himmelschreiende ökonomische Ungerechtigkeit beseitigt wird, die für die allermeisten unserer Probleme verantwortlich ist.“
 
Auf dass alle in Würde und Frieden leben können! Und wenn schon nicht alle, dann doch deutlich mehr als die Reichen und Superreichen, die sich mittlerweile überall in die Politik einkaufen. In manchen Ländern allzu deutlich als regierende Oligarchen, in anderen noch etwas weniger deutlich: Dort nimmt die Politik halt Parteispenden an von denen, die Einfluss haben wollen. Al Gore, Ex-US-Vizepräsident, meinte in seinem letzten Buch, dass das immer stärker dominierende Einflusskriterium „Geld und Reichtum“ bei den politisch Handelnden zu einem echten Problem in den Demokratien geworden wäre.
 
Auch in Österreich gibt es erstaunlich viele Millionäre, wie eine Erhebung im zurückliegenden Herbst ergab: 250.000 an der Zahl, plus ein paar Dutzend Milliardäre. Man hatte ja so einen Verdacht, wenn man die vielen Riesenkutschen beobachtete, die am Freitagnachmittag zum Beispiel die Wipplingerstraße hinaus fahren aus dem reichen Ersten Bezirk, schwarzer Porsche Cayenne reiht sich an silbernen Audi Q irgendwas gefolgt von rotem Ferrari. Woher das Geld der Banker und Erfolgreichen eigentlich stammt, auf dem Rücken welcher Ausgebeuteter es verdient wurde, will niemand so genau wissen, Hauptsache es wird konsumiert. Dann geht’s der Wirtschaft gut!
 
Wohl bekomm’s!
 
Man war als durchschnittliches Armutschgerl mit diesen Leuten bisher nicht so oft konfrontiert. Wenn sie die dicke Hose und volle Brieftasche ausführten, dann blieben sie meist unter sich – bei Fabio’s, dem Nobelitaliener, oder bei Do & Co, dem Nobelcaterer. Aber seit Sebastian Kurz Kanzler ist, sieht und hört man die aufgedrehten „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut!“-Ticketackespielzeugmenschen viel häufiger, und sie schämen sich gar nicht mehr, wenn sie nachplappern, was der neue Kanzler ihnen vorplappert: „Fleißig sein. Anständig sein. Mehr in die Sozialsysteme einzahlen als herausnehmen. Eigentumaufbau.“
 
Und „Eigenverantwortung!“ predigt er sogar noch häufiger als das „Schließen der Balkanroute!“, sein bisheriges Steckenpferd. Deswegen hat „die Wirtschaft“ der ÖVP ja auch so viel Geld für den Wahlkampf gespendet, weil man die gleiche Sprache spricht. So wie neulich im Café Engländer in der Wiener Postgasse. Dort saßen zwei blondierte 30-Jährige an einem Tisch im Raucherbereich und beklagten die ihrer Meinung nach unangemessen hohe Besteuerung ihres vermutlich recht hohen Mittelstandsgehalts, und Ererbtes jemals besteuern zu lassen, lehnten sie entrüstet ab. Zum typischen ÖVP-Geschnattere dieser Tage gab es Beef Tartare, und die eigene Superiorität wurde mit immer noch einem Glas Prosecco begossen. Wohl bekomm’s!


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