| | | | von Anna-Lena Scholz | | | Diskursdingsbums Wie viel Satire verträgt die Wissenschaft? Nicht so viel. Wer lacht, denkt nicht. Siehe kürzlich, als die Wissenschaft zum Schenkelklopfer wurde, genauer: die Geschlechterforschung. »Der konzeptuelle Penis als soziales Konstrukt« lautet übersetzt der Titel eines Aufsatzes, den zwei amerikanische Autoren – Jamie Lindsay und Peter Boyle – bei der Fachzeitschrift Cogent Social Sciences eingereicht hatten. Die Studie argumentiert, der Penis müsse nicht als anatomisches Organ verstanden werden, sondern sei ein fluides soziales Konstrukt und Zeichen einer toxischen Maskulinität, die für den Klimawandel mitverantwortlich sei. Kaum war der Aufsatz publiziert, sprang der Clown aus der Dose. Es handele sich um ein ausgedachtes Pseudo-Paper, schrieben die Autoren, die eigentlich Peter Boghossian und James Lindsay heißen. »Komponiert im Stil der poststrukturalistischen, diskursiven Geschlechtertheorie«, hätte die erfundene Studie niemals publiziert werden dürfen, merkten sie an. Dies belege zweierlei: erstens, dass aus den Sozialwissenschaften im Allgemeinen und den Genderstudies im Besonderen nur modischer »Nonsens« komme. Und zweitens, dass in der Wissenschaft laxe Publikationsstandards gälten. Große Aufmerksamkeit im Netz und in den Medien gab es für erstere These. Der Penis schuld am Klimawandel! Poststrukturalistisches Diskursdingsbums! Die spinnen, diese Gender-Forscher! Vor lauter Eifer gingen ein paar wichtige Tatsachen unter: Erstens: Cogent Social Sciences ist keine seriöse Fachzeitschrift. Boghossians und Lindsays »Studie« war zuvor bei einem anderen Journal abgelehnt und schließlich bei Cogent gegen eine Gebühr veröffentlicht worden. Gegen Gebühr, das heißt: Gehandelt wurde mit Geld, nicht mit Erkenntnis. Journale wie Cogent Social Sciences, die drucken, wofür man zahlt, sind auf dem millionenschweren Publikationsmarkt keine Seltenheit und in der Tat kritikwürdig. Sie unterminieren die Arbeit aller, die redlich forschen. Nicht tragbar ist daher, zweitens, die Schlussfolgerung, die Publikation der Penis-Studie sage irgendetwas über die Integrität und Methodik eines Fachgebiets aus. Was aufklärerisch tat, war ein billiger Scherz. »Wir haben keinen Versuch unternommen herauszufinden, was ›poststrukturalistische, diskursive Geschlechtertheorie‹ eigentlich bedeutet«, taten Boghossian und Lindsay kund, und suhlten sich lässig in ihrer fachlichen Ahnungslosigkeit: Was interessiert uns die geisteswissenschaftliche Begriffs- und Erkenntnisgeschichte der letzten drei Jahrzehnte! Weitergetragen wurde diese grobe Irreführung über die Arbeit von Tausenden Forscherinnen und Forschern ausgerechnet von jenen, die sich derzeit besonders gerne als Verfechter des Faktischen gerieren: den Journalisten. Penis-Alarm statt sachliche Information darüber, was in der Geschlechterforschung tatsächlich untersucht und diskutiert wird. Erkenntnisgewinn: null. Schaden: groß. Etwas zu diskreditieren und zu verbreiten, wovon man nichts versteht, ist bloß Populismus – auf Kosten der gesamten Wissenschaft. Kein Witz. | | | | |
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