Helmut-Schmidt-Bild hängt wieder I Harvard-Chefin kündigt Abschied an I TU9 wehren sich gegen Industriepromotionen I Die Chemikerin Benedetta Casu beantwortet 3 1/2 Fragen I Der Jurist Niels Petersen fordert eine ExIni für die Internationalisierung der Lehre

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
das Foto Helmut Schmidts in der Bundeswehruniversität hängt wieder, die Chefin der berümtesten Universität der Welt kündigt ihren Abschied an, und die TU9 wehren sich gegen ungewünschte Promotionsthemen aus der Industrie. Unsere 3 1/2 Fragen beantwortet diese Woche die Tübinger Chemikerin Benedetta Casu; und der Münsteraner Jura-Professor Niels Petersen fordert im Gastkommentar eine ExIni zur Internationalisierung der Lehre.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Foto von Helmut Schmidt hängt wieder
Einigen Wirbel löste es aus, als kürzlich ein Foto, das Helmut Schimidt als jungen Offizier in Wehrmachtsuniform zeigt, in einer Studentenunterkunft der Hamburger Bundeswehruniversität, die den Namen des Altkanzlers trägt, abgehängt wurde. Eine Reaktion auf die Anweisung der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die Bundeswehrunterkünfte auf Wehrmachtsdevotionalien zu überprüfen. Auch die ZEIT widmete sich in einem Leitartikel diesem Thema. Wie die FAZ und andere berichten, haben Studenten das Foto nun wieder aufgehängt – umrahmt von einordnenden Erläuterungen. Gut so!
  
 
 
Harvard-Chefin tritt 2018 ab
Sie war die erste Präsidentin der berühmtesten Universität der Welt: Drew Gilpin Faust, vielfach preisgekrönte Historikerin, stand seit Juli 2007 an der Spitze der Harvard University. Sie folgte Lawrence »Larry« Summers nach, dem großen Ökonomen, der zurücktrat, nachdem er mit Aussagen über Frauen und Naturwissenschaft provozierte. Faust war seit 300 Jahren die erste Person an der Spitze der Universität, die zwar in Harvard unterrichtet, aber keinen Abschluss der Hochschule hatte. Nun kündigte Faust an, dass sie sich im Juni 2018, dann 70-jährig, zurückziehen wolle. Im ZEIT-Interview hatte Faust im vergangenen Jahr auf die Frage, was deutsche Hochschulen von Harvard lernen könnten gesagt: "Bei uns gehen die Leute nicht einfach gemeinsam ins Seminar – sie sind Teil einer Gemeinschaft, in der Wissen und Lernen auch durch glückliche Zufälle entsteht. Man läuft sich nachts auf dem Flur über den Weg, man gerät über dem Abendessen in eine weitreichende philosophische Diskussion. Das ist ein wirklich wichtiger Aspekt unseres Uni–Lebens."
  
 
 
Uni Leipzig wird Rat-loser
Die Universität der Messestadt peppt zwar ihr Erscheinungsbild auf, wie die Leipziger Volkszeitung berichtet, so wechselt die Hausfarbe von grau auf rot, dafür leidet der Hochschulrat an Schwindsucht, wie der Leipziger Internet Zeitung zu entnehmen ist. Der HSR-Vorsitzende Reinhold Grimm und sein Stellvertreter Josef Lange sind vor wenigen Tagen vorzeitig aus dem Gremium ausgeschieden. Grund ist laut Rücktrittschreiben an das sächsische Wissenschaftsministerium die Unzufriedenheit über die Zusammenarbeit mit dem Rektorat. Mindestens ein weiteres HSR-Mitglied werde sich laut LIZ bald ebenfalls verabschieden.
  
 
 
Positionspapier der Ost-Wissenschaftsminister

Ein ungewöhnlicher Termin steht heute Vormittag in der Bundespressekonferenz an: Die Wissenschaftsminister aller fünf neuen Bundesländer laden geschlossen zu einer Pressekonferenz nach Berlin, und alle fünf gehören der SPD an. Ein „Positionspapier für eine sichere und gerechte Hochschulfinanzierung“ wollen sie vorstellen. Vor allem aber geht es um ein Signal an den Rest der Partei: Nach der Niederlage der SPD in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein liegt das neue Kraftzentrum sozialdemokratischer Wissenschaftspolitik im Osten. Jan-Martin Wiarda hat sich umgehört und berichtet in seinem Blog die Details.
  
 
 
Technische Unis contra Industrie
Die neun "führenden deutschen Technischen Universitäten" (Eigenwerbung), die TU9, wehren sich gegen Industriebetriebe, die ihnen Promotionen aufzwingen und sie als Forschungsabteilung missbrauchen. Die Welt spricht sogar von einer "Revolte". Häufig würden Unternehmen Nachwuchskräfte mit der Möglichkeit einer Promotion werben. Die TU9 stellen klar, dass das Promotionsrecht bei den Universitäten liege und sie sich keine "Kukuckseier" ins Nest legen ließen.
  
   
 
 
   
 
   
   
 
Die Zahl
 
 
   
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deutsche Hochschulen finden sich unter den 100 weltweit renommiertesten Universitäten
– laut dem umstrittenen, aber gern gelesenen World Reputation Ranking
 
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
PD Dr. Benedetta Casu

Gruppenleiterin am Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Eberhard Karls Universität Tübingen
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Demokratie und Friede in den westlichen Ländern ist keine für immer etablierte Selbstverständlichkeit. Wir müssen wie vor sechzig Jahren wieder für unsere europäischen Werte kämpfen. Für Freiheit, für Chancengleichheit, für Menschenrechte, für eine gerechte Gesellschaft. Ich schätze sehr den Friedensnobelpreis 2012 an die Europäischen Union. Damals hatte ich das nicht so richtige verstanden. Jetzt weiß ich, dass man die Entwicklung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten nicht für selbstverständlich halten kann.

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
1) Ich würde die 12-Jahresregelung für alle zeitlich befristeten Dienstverträge an der Universität abschaffen. Es hilft nicht, es ist nur ein zusätzliches Riesenhindernis. Ich würde aber ein 6-Jahre-Limit für die Promotion behalten.
2) Nicht alle Doktoranden sind Nachwuchswissenschaftler. Das ist ein großes Missverständnis in Deutschland: Helfen würden mehr Planung und Organisation, weniger Stellen zur Promotion (eine Eintrittsprüfung zur Promotion?) und mehr PostDoc-Stellen, und dazu (natürlich!) ein starkes Tenure-Track-Programm.
3) Weniger „Sonderprogramme“ und mehr Grundfinanzierung. Immense wissenschaftliche und administrative Ressourcen werden zum Schreiben und Begutachten von befristeten Projekten verschwendet. Das ist alleine eine große Menge Zeit und Geld.

Lektüre muss sein. Welche?
„The Plot Against America“ („Verschwörung gegen Amerika“) von Philip Roth. Roth hat den Roman im Jahr 2004 publiziert, aber er ist erstaunlich aktuell und zeitnah. Man muss sich über die Einschränkung der Bürgerrechte und Isolationismus in der Demokratie Gedanken machen. Roth würde den Literaturnobelpreis verdienen.

Und sonst so?
Es ist bald Sommer!
   
   
 
   
   
 
Gastkommentar
 
 
   
   
von Niels Petersen
   
   
   
Wir brauchen eine ExIni zur Internationalisierung der Lehre!
Internationalisierung ist ein großes Modewort der deutschen Hochschulpolitik. Und tatsächlich hat sich hier einiges getan; die Zahl der ausländischen Studierenden an deutschen Hochschulen wächst stetig. Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland jedoch immer noch hinterher. Setzt man die Zahl der aufgenommen internationalen Studierenden zu Einwohnerzahl und Wirtschaftsleistung in Relation, ist Deutschland nur Mittelmaß, so eine Erhebung der Unesco.
Internationalisierung ist kein Selbstzweck. Vielmehr bringen ausländische Studierende einen hohen gesellschaftlichen Nutzen. Ein Beispiel aus der Rechtswissenschaft mag dies verdeutlichen: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beeinflusst die Rechtsprechung von Gerichten auf der ganzen Welt – von Taiwan über Südafrika bis Brasilien. Entscheidender Gesichtspunkt ist dabei nicht allein die Qualität der Urteile aus Karlsruhe. Viel wichtiger ist, dass viele Richter in Deutschland studiert oder promoviert haben und daher mit dem deutschen Verfassungsrecht vertraut sind. Die Ausbildung internationaler Studierender an deutschen Hochschulen ist also eine Form der Diplomatie. Sie prägt das Bild Deutschlands in der Welt und erleichtert so internationale Kooperation.
Deutschland hinkt bei der Internationalisierung hinterher, weil es an Anreizen fehlt. In jenen Staaten, die einen hohen Anteil ausländischer Studierender haben, haben Universitäten davon einen unmittelbaren Vorteil: Sie steigern ihre Einnahmen durch Studiengebühren – die aber hierzulande gar nicht oder kaum erhoben werden können. Gleichzeitig bedeuten ausländische Studierende für die Hochschulen zusätzlichen Aufwand. Sie müssen betreut werden; oft muss zusätzlich ein eigenes Lehrangebot in englischer Sprache geschaffen werden.
Das führt zu einem scheinbaren Paradoxon: Obwohl das Studium in Deutschland kaum etwas kostet, ist es in anderen Staaten attraktiver. Internationale Studierende entscheiden sich lieber für Länder, in denen sie bezahlen müssen, dafür aber auch einen Gegenwert erwarten können.
Was heißt das für die Hochschulpolitik? Die naheliegende Lösung ist einfach, womöglich aber politisch nicht durchsetzbar: nämlich Studiengebühren zumindest für weiterführende Studiengänge nach einem berufsqualifizierenden Abschluss oder für Nicht-EU-Ausländer. Eine kreative Alternative könnte sich von der derzeit geführten Debatte um die Deutsche Lehrgemeinschaft inspirieren lassen: Wir brauchen eine Exzellenzinitiative zur Internationalisierung der Lehre. In Zeiten, in denen der Wert von Migration und internationalem Austausch zunehmend in Frage gestellt wird, wäre das gut angelegtes Geld.

Prof. Dr. Niels Petersen lehrt Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht an der Universität Münster
   
   
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c.t.
 
 
   
 
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Foto: Louisa Reichstetter
 
 
 
 
 
 
 
 
 
   
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