Fünf vor 8:00: Trumps und Putins gefährliche Konkurrenz - Die Morgenkolumne heute von Michael Thumann

 
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FÜNF VOR 8:00
22.06.2017
 
 
 
   
 
Trumps und Putins gefährliche Konkurrenz
 
In Syrien geraten Russland und die USA aneinander. Nicht die Umarmung, sondern der wachsende Machtkampf zwischen Trump und Putin kann Europa gefährlich werden.
VON MICHAEL THUMANN
 
   
 
 
   
 
   
Im Weißen Haus in Washington regiert ein Russland-Fan, doch die amerikanisch-russischen Beziehungen sind so schlecht wie lange nicht. In der Ostsee kabbelten sich am Mittwoch russische Kampfflieger und Nato-Jets wenige Hundert Meter vom Flugzeug des russischen Verteidigungsministers entfernt. In Syrien schossen US-Kampfflugzeuge einen angreifenden syrischen Jet aus russischer Produktion ab. Russland kündigte die militärische Zusammenarbeit in Syrien auf.
 
Warum geht so viel schief unter Donald Trump? In Moskau war noch zu Jahresbeginn die Freude über die Wahl von Trump riesig. Man erwartete den Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Viele westliche Beobachter warnten gar vor einem zweiten Jalta auf Kosten Europas. Daraus ist bisher nichts geworden. Im Gegenteil, gerade der Faktor Trump belastet die amerikanisch-russischen Beziehungen.
 
Gegen den IS und gegeneinander
 
In Syrien sind Amerikaner und Russen eigentlich gegen die IS-Dschihadisten verbündet. Unter der geballten Kraft der Großmächte büßen die Terroristen Territorium ein. Doch ist es ausgerechnet dieser Erfolg gegen den IS, der Amerikaner und Russen gegeneinander aufbringt. Das Bärenfell wird aufgeteilt, noch bevor der Bär erlegt ist. Je mehr Territorium die Dschihadisten aufgeben, desto mehr wächst der Hunger der anderen Kriegsparteien: Die mit den Amerikanern verbündeten Kurden und Sunniten rücken auf die IS-Hauptstadt Rakka vor – dagegen rebelliert Baschar al-Assad, Diktator Syriens und Günstling der Russen und Iraner.
 
Am Wochenende griffen Assads Jets die Verbündeten der Amerikaner bei Rakka an, daraufhin schoss eine amerikanische F-18 Super Hornet eine Suchoi-22 der Syrer ab. Vor zwei Tagen holten die US-Streitkräfte eine syrische Drohne aus iranischer Produktion herunter. Russland protestierte sofort und kündigte die Koordination der Flüge auf. Nun kann aus jedem Einsatz gegen den IS eine Krise von Amerikanern und Russen werden.
 
Noch mehr als das syrische Schlachtfeld belasten die innenpolitischen Fronten der USA das Verhältnis zu Russland. Seit Monaten kämpft Trump gegen die "Russland-Wolke", wie er die Vorwürfe gegen sich nennt; das Justizministerium ermittelt zu zahlreichen Kontakten des Trump-Teams zu russischen Offiziellen, den Hackerangriffen auf die Wahlkampfzentrale der Demokraten und der möglichen Verwicklung des US-Präsidenten in Russland-Geschäfte. Trump steht unter Dauerverdacht, mit Putin einen schmutzigen Deal machen zu wollen.
 
Jetzt hat der US-Senat mit überwältigender Mehrheit neue Sanktionen gegen Russland beschlossen, um das Land für die mutmaßliche Einmischung in den US-Wahlkampf zu bestrafen. Mit dem neuen Sanktionspaket wollen die US-Senatoren Trump die Hände binden. Er soll weder Sanktionen lockern noch mit Russland Energiegeschäfte machen können. 
 
Republikaner unterstützen Demokraten gegen Russland
 
Ein Aufstand der Abgeordneten gegen die Regierung: Mit 98 zu 2 Stimmen winkten die Senatoren die Sanktionen durch, die oppositionellen Demokraten standen Seit an Seit mit den Republikanern. "Mit diesem Gesetz ist jede Vorstellung des Präsidenten zerstört, er könne aus welchem Grund auch immer Sanktionen im Alleingang aufheben", sagte der demokratische Minderheitenführer im Senat Chuck Schumer befriedigt. Und die republikanischen Abgeordneten klatschten.
 
Was auch immer russische Geheimdienste, russische Hacker oder andere Moskauer Spaßvögel im vergangenen Jahr unternahmen, um die US-Wahl zu diskreditieren: Wenn es eine geplante Operation war, dann richtet sie sich im Ergebnis gegen Russland. Demokraten und Republikaner im Kongress sind sich einig in ihrer antirussischen Haltung. Das Misstrauen hat neue Höhen erreicht. Sanktionen werden verschärft, nicht gelockert. Die US-Senatoren versuchen sogar, europäische Firmen auf die Sanktionsverschärfung zu verpflichten. Die deutsche Energiewirtschaft gerät unter Druck.
 
Wozu das alles führt? Russland igelt sich weiter ein. In Berlin hat der prominente russische Außenpolitiker Alexej Puschkow in dieser Woche auf Einladung des Deutsch-Russischen Forums Bilanz gezogen. Er klang desillusioniert, düster, tief beleidigt. Die neuen Sanktionen sieht er als Provokation, die amerikanisch-russische Konkurrenz in Syrien als brandgefährlich.
 
Trump hat die seltsame Eigenschaft, dass er das Gegenteil von dem bewirkt, was er vorgibt zu wollen. Nicht die Umarmung, sondern die wachsende Konfrontation der beiden Nukleargroßmächte kann Europa noch gefährlich werden.
   
 
   
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