21. Sozialerhebung | Gastkommentar Nina Lemmens: Neue Transatlantiker! | 3½ Fragen an Wendelin Bitzan | #LiNo17

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
am Bodensee findet gerade das 67. Lindau Nobel Laureate Meeting statt. Was dort besprochen wird, können Sie in der neuen ZEIT nachlesen – wir empfehlen Ihnen aber auch, sich durch das gute Social-Media-Angebot zu klicken und sich ein bisschen Nobelpreisatmosphäre auf den Bildschirm zu holen. Getwittert wird unter #LiNo17. Auch noch auf der Agenda: Nina Lemmens vom DAAD in New York schreibt im Gastkommentar über eine neue Generation an Transatlantikern. Und Wendelin Bitzan von der UdK kann im Fragebogen mit der viel gerühmten Work-Life-Balance nicht viel anfangen.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
21. Sozialerhebung
Jetzt ist es raus: Studierende in Deutschland haben durchschnittlich 918 Euro zur Verfügung, 68 Prozent jobben neben dem Studium und das meiste Geld geht für die Miete drauf. Sie sind durchschnittlich 24,7 Jahre alt und immer mehr von ihnen wollen Ingenieure werden. Zumindest die Männer; Studentinnen entscheiden sich mehrheitlich für sprach- und kulturwissenschaftliche Fächer. Sechs Prozent der Studierenden sind verheiratet, 48 Prozent leben in einer festen Beziehung, 46 Prozent sind Single (oder waren es zumindest zum Zeitpunkt der Online-Befragung 2016). Überhaupt, Online: Nie zuvor konnten Daten so vieler Studis analysiert werden, denn erstmals lief die Sozialerhebung, die das Deutschen Studentenwerk (DSW) initiiert, das DZHW durchführt und das BMBF finanziert, über das Netz. So beteiligten sich 2016 knapp 60.000 Studierende (2012 waren es 16.000 ). Über die Details haben Kollegen bereits Längeres verfasst (SZ; TagesspiegelSpOn; Stern; Welt). Nur: Wo ist denn bloß die Bildungstrichter-Grafik abgeblieben? Sie wurde aus der Sozialerhebung rausgeschmissen, munkeln taz und Freitag. Macht nix, wie es um die soziale Ungleichheit an deutschen Hochschulen bestellt ist, konnte man vor Kurzem mit Zahlen des Stifterverbands schon in der ZEIT nachlesen.
  
 
 
Bundesrechnungshof: Außeruniversitäre Forschung ist überfinanziert
Ein Zuviel an Geld in der Wissenschaft vermelden wir eher selten. Jetzt aber: Der Bundesrechnungshof moniert nämlich – so berichtet der Tagesspiegel –, eine Überfinanzierung der außeruniversitären Forschung. Max Planck, Fraunhofer, Leibniz und Helmholtz schöben eine Bugwelle an nicht verwendeten Mitteln vor sich her, insgesamt 1,04 Milliarden Euro. Sie stammen aus dem Pakt für Forschung und Innovation, der den Außeruniversitären eine steten Mittelaufwuchs sichert. Nach Plänen der Union soll das auch nach 2021 so bleiben, allerdings mit einem Aufwuchs um fünf Prozent. 
  
 
 
Kommt eine neue Studentenrevolte?
Wer die Debatten um einzelne Professoren verfolgt – Jörg Baberwoski etwa, oder Herfried Münkler (ZEIT 16/2017) –, der bekommt schnell den Eindruck: Da braut sich was zusammen an den Hochschulen, eine neue Studentenrevolte. So eine Art akademische Apo von links. Aber stimmt das wirklich, oder sind es nicht nur einige Ausnahmepersonen und -aktivisten, die medienwirksam den hochschulpolitischen Diskurs bestimmen? Anant Agarwala und Stefan Schirmer sind dieser Frage nachgegangen; ihren Report lesen Sie in der neuen ZEIT.
  
 
 
Schweiz: Der Preis der Internationalisierung
Hat das Zauberwort „Internationalisierung“ auch eine dunkle Rückseite? Ja, jedenfalls in der Schweizer Hochschuldebatte – die unser Kollege Matthias Daum aus dem Schweiz-Büro analysiert hat: Es sei zu befürchten, sorgen sich einige, „dass die Wissenschafts-Community drauf und dran ist, die Fehler der Wirtschaftsführer zu wiederholen: Nur noch in global denkenden und handelnden Kreisen verkehrend, verlieren sie nach und nach den Bezug zur hiesigen Realität. […] Keine Frage: Die Internationalisierung hat die Schweizer Hochschulen an die Weltspitze gebracht. Sie hat aber ihren Preis – der Verlust der eigenen Wissenschaftssprache ist nur ein Teil davon.“ Nachzulesen bei ZEIT ONLINE.
  
 
 
Was bringt Verwaltungsbashing?
Forscher und Wissenschaftsmanager sind wie Hund und Katze, sie kommen einfach nicht miteinander klar. Das ist nicht nur im bürokratieverliebten Deutschland so. Auch in den USA wird Verwaltungsbashing interdisziplinär gepflegt. „Crossing over to the dark side“ heißt es beispielsweise, wenn Wissenschaftler ins Management wechseln. Muss das sein?, fragt Elizabeth A. Lehfeldt, Dekanin an der Cleveland State University, in ihrem Kommentar bei Inside Higher Ed,  und gibt zu Bedenken: „We need to stop emphasizing the things that divide the administration from the faculty and vice versa. Higher education is under enough scrutiny in the national press and from state legislatures.“
  
   
 
 
   
 
   
   
 
Personen
 
 
   
   
HRK-Ehrensenator
Alexander Waibel wird für sein gesellschaftliches und politisches Engagement bei der Hochschulrektorenkonferenz von ebendieser gewürdigt und zum neuen HRK-Ehrensenator ernannt. Der Informatiker Waibel lehrt an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh und am KIT; seit 2017 ist er außerdem Mitglied der Leopoldina.

Krupp-Förderpreis
Alexander Szameit, Professor für Experimentelle Festkörperoptik an der Universität Rostock, wird mit dem diesjährigen Alfried Krupp-Förderpreis ausgezeichnet. Der Preis ist mit einer Million Euro dotiert und soll es ermöglichen, fünf Jahre unabhängig von öffentlichen Mitteln zu forschen.

Mellon Foundation gibt eine Million
Finanzieller und symbolischer Rückenwind für die Philipp-Schwartz-Initiative der Humboldt-Stiftung, die geflüchtete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit einem Stipendium unterstützt: Die amerikanische Andrew W. Mellon Foundation gibt eine Million Dollar in den Topf. Die Spende ermöglicht zehn zusätzliche Stipendien in den Geistes- und Sozialwissenschaften.

Job: Akademieunion
Die Akademien der Wissenschaft sind so etwas wie der Olymp der Forscher, und die Union der Akademien so etwas wie das Krönchen obendrauf. Alles sehr bedeutsam und altehrwürdig. Neu besetzt werden soll jetzt der Posten der Generalsekretärin (m/w). Vielleicht mit jemandem, der oder die nicht ganz so altehrwürdig daherkommt? Details zur Ausschreibung im ZEIT-Stellenmarkt.
   
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Wendelin Bitzan

Musiker und Musikforscher an der Universität der Künste in Berlin
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Etwas, das sich mir immer wieder von Neuem offenbart: Die Beschäftigung mit Kunst und eigene künstlerische Tätigkeit sind sowohl Beruf als auch Berufung. Mit dem Begriff »Work-Life-Balance« kann ich nicht viel anfangen: Ein Künstler*innendasein verweigert sich der gängigen Gegenüberstellung von Job und Privatleben, da sich beides permanent gegenseitig durchdringt. Einerseits ist es schön und erfüllend, die Leidenschaft zum Beruf gemacht zu haben; andererseits besteht genau darin das Dilemma einer am Existenzmininum arbeitenden Künstler-, Forscher- und Lehrperson. Es ist eine Herausforderung, jeden Tag wieder Inspiration zu finden und andere Menschen zu inspirieren. Aber Jammern ist zwecklos, und Bereuen kommt nicht in Frage – der Weg ist steinig, aber ohne Gabelungen.

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Fragen wir lieber, welche Probleme sich offenbar auch mit viel Geld (bisher) nicht lösen lassen:
– Gute Vereinbarkeit von akademischer Karriere und Familie
– Chancengerechtigkeit für verschiedene Geschlechter, Ethnien und Religionen
– Internationale Vergleichbarkeit von Studienprogrammen und Abschlüssen

Lektüre muss sein. Welche?
Es gibt keine verbindliche Pflichtlektüre. Die Haltung zum Lesen ist entscheidend, nicht der Gegenstand. Mir ist Hören ebenso wichtig wie Lesen: kein beiläufiges, sondern regelmäßiges, konzentriertes, zugleich sinnliches und intellektuelles Wahrnehmen von Sprache und Musik.

Und sonst so?
Lernen braucht stetige Wiederholung. Lernen braucht stetige Wiederholung.
   
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
Gastkommentar
 
 
   
   
von Nina Lemmens
   
   
Wir brauchen eine neue Generation von Transatlantikern!
Es geht emotional zu, derzeit – vor allem auf der westlichen Seite des Atlantiks. Mit seinem Gepolter über die deutsche Politik und Wirtschaft, seinen Tweets zu den Terroranschlägen in London und dem gesamten Verhalten während des G7-Gipfels in Italien setzte Präsident Donald Trump deutliche Duftmarken und machte aus seiner Einstellung gegenüber dem transatlantischen Verhältnis keinen Hehl. America first – und alles andere muss sich diesem Primat unterordnen. Die Europäer hingegen reagieren professionell, auch wenn sie innerlich betroffen und verärgert sein mögen.
So stehen wir nun also da im Jahr 2017: Die guten, alten Drähte zwischen den USA und Europa, vor allem zwischen den USA und Deutschland, sind zwar nicht gekappt, aber sie glühen nicht mehr wie dereinst. Diplomaten, Wirtschaftsvertreter, Politiker auf beiden Seiten sind – oft abseits der Öffentlichkeit – darum bemüht, neue Partner auf beiden Seiten zu identifizieren, neue Kanäle zu schaffen, um den Dialog und die Zusammenarbeit gleichwohl lebendig zu erhalten. Denn den meisten Akteuren ist klar: Nur gemeinsam können wir die großen Fragen des 21. Jahrhunderts lösen.
Was diese Situation aber auch zeigt, ist, dass wir eine neue Generation von Transatlantikern brauchen. Und hier kann die Wissenschaft eine wichtige Rolle spielen: Wir brauchen neue Gesichter und neue Netzwerke, die sich mit transatlantischen Themen beschäftigen. Wir brauchen aber auch neue Themen und Denkschulen, um nicht immer nur etwa über Sicherheit und Handel zu sprechen, so wichtig diese beiden Topoi auch sind. Wir brauchen, wie man in Amerika sagt, „a new narrative“.
Universitäten und Forschungseinrichtungen sollten diese Herausforderung als Chance erkennen und sich verstärkt bemühen, ihre bestehenden Partnerschaften mit Hochschulen und Forschern in den USA in neue Bahnen zu lenken. Denkbare Felder für gemeinsame Projekte gibt es zuhauf: der Umgang einer Gesellschaft mit der Digitalisierung; die Zukunft der Arbeit angesichts von Industrie 4.0; Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Alles längst im Fluss? Vermutlich. Und doch: Wenn man diese Themen stärker politisch versteht und besetzt, dann kann es gelingen, den Atlantik mit einem Netz neuer Beziehungen zu überziehen und gemeinsam mit den bewährten Playern neue Brücken aufzubauen, die auch aktuelle politische und soziale Spannungen überstehen.

Dr. Nina Lemmens ist Leiterin des DAAD-Büros in New York
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Kommt eine neue Studentenrevolte? Proteste gegen das G20-Treffen, Widerstand gegen Professoren: An ersten Hochschulen machen Aktivisten mobil. Wie groß ist ihr Einfluss? Unsere Reporter Anant Agarwala und Stefan Schirmer haben sie besucht

Ein bundesweiter Test statt Abi-Noten! Die Hochschulen sollten Aufnahmeprüfungen haben, fordert Michael Göring Eltern gegen Lehrer Kampfplatz Schule: Viele Eltern drohen mit dem Anwalt, um die Noten ihrer Kinder zu verbessern Das Bodensee-Labor In Lindau treffen sich in dieser Woche die Nobelpreisträger. Die Forscherelite hadert mit sich und der Welt Die Angst der Erwachsenen Niemand braucht hysterische Proteste gegen die Sexualerziehung

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
   
   
 
c.t.
 
 
   
 
Das Bodensee-Labor
Diese Woche treffen in Lindau am Bodensee 28 Chemie-Nobelpreisträger auf 420 junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt zum 67. Lindau Nobel Laureate Meeting. Mit dabei: Stanford-Professor William E. Moerner, der 2014 ausgezeichnet wurde. Anna-Lena Scholz traf ihn in der Presse-Lounge des Lindauer Stadttheaters – und unterhielt sich mit ihm über die Vertrauenskrise der Wissenschaft. Ihr Bericht steht in der aktuellen ZEIT auf S. 59.
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Eine nobelpreisverdächtige Woche wünscht Ihnen

Ihr CHANCEN-Team


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