| Gipfelfrei oder arbeiten im Casual-Look
Pieeep, weiter mit dem täglichen G20-Zusammenschrieb: Für etliche Hamburger Schüler heißt es zu G20 »gipfelfrei!«. Na ja, fast: Auch an einigen Schulen, die nicht nahe den Sicherheitszonen liegen, dürfen die Eltern entscheiden, ob sie ihr Kind zum Unterricht schicken (der regulär stattfindet), berichtet das »Hamburger Abendblatt«. Abmelden dürfen Eltern ihre Kinder laut Schulbehörde generell auch noch spontan am Morgen, wenn dem Schulbesuch »unüberwindbare Hindernisse« entgegenstehen. Ohnehin ein realistisches Szenario, glaubt der ADAC und warnt vor einem »völligen Verkehrskollaps« am Gipfelwochenende. Auch im öffentlichen Nahverkehr seien Ausfälle möglich, wenn Gipfelgegner Straßen und Gleise blockierten. Sollten Sie in einer Bank arbeiten, haben sie sich das passende Gipfel-Outfit vermutlich schon zurechtgelegt: Das »Abendblatt« hat recherchiert, Bankangestellten werde empfohlen, an den G20-Tagen legere Kleidung zu tragen – damit sich die Kapitalismuskritiker unter den Demonstranten nicht provoziert fühlen … Doch seit die Haspa vor einem Jahr den Dresscode »Haspa Business Casual« eingeführt hat, verzichteten die meisten Mitarbeiter ohnehin auf Krawatte, Anzug oder Kostüm, sagte uns Sprecherin Stefanie von Carlsburg. Und Gipfelgegner rufen zu einer weiteren Form des Protests auf: Zum »Massencornern«. Ab dem 4. Juli soll rund um den Alma-Wartenberg-Platz zur Freude der Anwohner munter herumgestanden und Bier getrunken werden – alles nur für die Sache natürlich …
»Tourists first?«
Der Tourismus boomt: Hamburg hatte allein 2016 13,3 Millionen Übernachtungsgäste. Das Problem: Viele Stadtbewohner sind von Reisegruppen und Events wie den Harley Days genervt. Wie da ein »nachhaltiger Tourismus« aussehen könnte, haben wir Falko Droßmann, Leiter des Bezirksamts Mitte, gefragt. Er diskutiert heute Abend in der GLS Bank über »nachhaltigen Tourismus« und die große Frage: Wie kann die Stadt für Bewohner und Gäste gleichermaßen lebenswert sein? Elbvertiefung: Herr Droßmann, was verstehen Sie unter »nachhaltigem Tourismus«? Falko Droßmann: Damit es weiter touristische Angebote geben kann, müssen diese ökologische, wirtschaftliche, auch soziale Voraussetzungen erfüllen. Bevor wir einen Weihnachtsmarktstand genehmigen, schauen wir, wie die Mitarbeiter bezahlt werden und wie umweltverträglich der Betrieb ist, etwa ob Mehrweggeschirr benutzt wird. Elbvertiefung: Was tun Sie konkret, um Tourismus nachhaltiger zu gestalten? Droßmann: In der Verwaltung achten wir auf gesetzliche Bestimmungen, etwa zum Umweltschutz, nehmen aber auch Anwohnerbeschwerden ernst: Neu ist, dass jeder Veranstalter seine Pläne öffentlich im Cityausschuss des Bezirks präsentieren und sich dort auch kritischen Fragen von Anwohnern stellen muss. Erst nach dieser Präsentation wird ein Event genehmigt.
Elbvertiefung: Trotzdem beschweren sich viele Hamburger über Touristenmassen und ständige Events in der Stadt … Droßmann: Und das verstehe ich gut – im Bezirk Mitte gibt es einfach zu viele Großveranstaltungen in kurzen Abständen. Schlagermove, Harley Days, Hafengeburtstag … Das wird immer mehr zum Problem. Hamburg besteht nicht nur aus St. Pauli, St. Georg und der Neustadt! Ich wünsche mir, dass Events besser auf die verschiedenen Bezirke verteilt würden, dann gäbe es auch nicht zu viele.
Elbvertiefung: Am kommenden Wochenende finden die Harley Days statt – jedes Jahr beschweren sich Anwohner über den Lärm, der Nabu misst hohe Feinstaubwerte. Widerspricht das nicht der Idee von Nachhaltigkeit? Droßmann: Mir persönlich sind die Harley Days auch zu laut, doch der Bezirk kann leider wenig dagegen tun. Das Treffen findet auf privatem Grund auf dem Großmarkt statt, die Stadt hat einen Vertrag mit dem Veranstalter. Eine Genehmigung für die Ost-West-Straße erteilen wir den Motorradfahrern nicht, darüber hinaus gelten Vorschriften: Was die Lautstärke betrifft, müssen Motorräder den Grenzwert einhalten, den es zum Zeitpunkt ihrer Zulassung gab. Daher sind sehr laute historische Maschinen erlaubt. Ich bin damit auch nicht zufrieden, aber so sind die Regeln …
Elbvertiefung: Auch der Kreuzfahrttourismus boomt – doch die Schiffe stoßen gesundheitsschädigende Abgase aus, lassen im Hafen ihre Maschinen laufen; der neue Luftreinhalteplan des Senats ändert daran wenig. Nicht sehr nachhaltig, oder? Droßmann: Ich würde mich freuen, wenn die Schiffe weniger Schadstoffe ausstoßen würden, keine Frage! Dagegen politisch vorzugehen liegt aber nicht in meiner Zuständigkeit. Der Kreuzfahrttourismus ist mir aber allemal lieber als der billige Sauftourismus, wie wir ihn etwa in Berlin mit seinen vielen Hostels beobachten: Kreuzfahrer wollen einfach nur die Schönheit Hamburgs genießen, buchen Hotelzimmer oder besuchen Konzerte.
Elbvertiefung: … und Hamburger klagen über den Dreck und fürchten um ihre Gesundheit. Es gibt Stimmen, die sagen, die städtische Tourismuspolitik sei nur auf auswärtige Touristen und Investoren ausgerichtet. Droßmann: Diese Sicht ist mir zu ideologisch und einseitig. Der Tourismus in Hamburg ist vielfältig, viele Angebote richten sich an Bewohner und werden nicht von großen Lobbyverbänden ausgerichtet, etwa die vielen Stadtteilfeste, das Reeperbahn Festival oder das Dockville Festival. Zumal Events wie der Schlagermove auch bei vielen Hamburgern sehr beliebt sind – nur kommen die oft aus den Randbezirken …
Schüsse auf Ghanaer: Kein Rassismus
Es war ein heftiger Vorwurf, der diesen Fall überschattete: Am 1. Februar wurde ein Ghanaer in St. Georg von einem Polizisten angeschossen – aus rassistischen Motiven? Der Mann soll zwei Prostituierte mit einem Messer bedroht und dabei unter Alkoholeinfluss gestanden haben. Nachdem er, so die Anklage, Stichbewegungen in Richtung des Beamten gemacht habe, habe ihn dieser schließlich aus Notwehr in die Beine geschossen, argumentierte die Polizei. Doch spätestens als ein Bürgerschaftsabgeordneter der Linken von einem »Hinrichtungsversuch« sprach, stand der Rassismusverdacht im Raum. Afrikaner demonstrierten im Viertel und skandierten »Black lives matter!«, wie bei den Protesten gegen Polizeigewalt in den USA. Gestern hat eine Augenzeugin das Geschehen vor Gericht geschildert. Und es zeigt sich: Die Rassismuskeule war hier wohl unangebracht. Weil der Ghanaer eine Kollegin bedroht habe, rief sie einen Zivilpolizisten um Hilfe, sagte die 40-jährige Prostituierte aus. Der Beamte habe den Mann mehrfach aufgefordert, das Messer wegzulegen, und schließlich Pfefferspray benutzt. Doch der Bewaffnete behielt das Messer – bis die Schüsse fielen. Die Zeugenaussage deckt sich mit eigenen Angaben des 33-Jährigen aus Ghana, der seit 2014 mit einer Duldung in Hamburg lebt. Kollege Sebastian Kempkens hat für die Zeit über die Aufregung, die der Fall auslöste, berichtet. |
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