| | © Arthur Poulin/unsplash.com (https://unsplash.com/@barchpou) | Stell dir vor, du wachst eines Morgens auf, nicht in deinem Bett, sondern auf einem Heuhaufen in einem Holzverschlag. Noch im Halbschlaf spürst du, wie sich das Stroh in deinen Rücken bohrt, deshalb rekelst du dich hin und her. Als du die Lider öffnest, blickst du in die Augen eines Gorillas, nicht irgendeines, sondern in die tiefliegenden, undurchdringlich schwarzen eines Silberrückens. Mehrere Adrenalinstöße beschleuigen deinen Puls, du springst hoch, deine Gedanken sind jetzt auch ohne Kaffee ganz klar. Du blickst dich um. Ein paar arrogante Ziegen, ein fettes Schwein mit Zigarre im Maul und einige Bullterrier mit Killer-Face und im Ganoven-Look stehen hinter ihm und bewachen scheinbar den Ausgang. „Guten Morgen“, sagt er. Nein, du weißt, du träumst nicht, ja, er spricht, dieser Gorilla. Nicht nur er, auch die anderen Tiere sprechen. Die Ziegen meckern: „Guten Morgen“, die Bullterrier knurren: „Guten Morgen“, das Schwein ringt sich immerhin ein Grinsen ab. Du erwiderst (wie sich das gehört): „’Morgen miteinander“. Und noch bevor du sie um ein Croissant und einen Espresso bitten kannst, verkündet der Silberrücken, dass dir gleich der Prozess gemacht werde, obwohl keiner dir den Prozess machen könne, und du ihm folgen sollst. Er zieht dich unsanft hoch, du versuchst, dich zu wehren, aber das Grollen der Bullterrier treibt dir den Schweiß auf die Stirn. Du bittest sehr anständig, ob es nicht möglich wäre, dich vorher irgendwo ein Minütchen frisch machen zu können. Wenigstens die Ziegen zeigen Verständnis für deine Bitte. „Das sollte doch aber möglich sein, Jungs.“ Wenn auch mit amüsierten Gesichtern und peinlichem Hüsteln begleiten die Bullterrier dich hinüber ans Gestade eines kleinen Flusses, wo Dutzende Hühner gackernd ihre Morgentoilette abhalten. Schon auf dem Weg dorthin planst du deine Flucht. Und kaum hast du die Füße im Wasser, tauchst du ab und ruderst mit den Armen, so schnell du kannst, flussabwärts. Aber weit kommst du nicht, denn ein Netz, quer durch den Fluss gespannt, hält dich ab. Silberrückens donnernde Kommandos und das Bellen der nahenden Bullterrier lassen dich vor Verzweiflung strampeln. Du kämpfst dich ans andere Ufer und versuchst, zu Fuß zu entkommen, aber der größte der Hunde holt dich im nächsten Moment ein. „Platz! Aus! Sitz! Aus!“, brüllst du, aber er wirft sich auf dich und knurrt unterweltlerisch. Sein Atem trifft dich in aasigen Schwaden. „Was ist hier los?“ Du fragst nicht, du wimmerst. „Warum gehorchst du einem Gorilla?“ „Ihr Menschen habt uns verlassen. Plötzlich sollten wir unser Leben selbst gestalten. Aber wir sind Hunde. Wir wollen loyal sein. Wir brauchen jemanden, der uns führt, der uns Befehle gibt, dem wir aufs Wort gehorchen. Bei den Gorillas haben wir ein neues zu Hause gefunden. Jetzt hören wir auf sie. Ihr habt uns aufgegeben, das verzeihen wir euch nie!“ „Oh bitte, ich habe damit nichts zu tun, das war nicht meine Idee. Aber warum haben die Menschen hier euch so was Furchtbares angetan?“ „Die Menschen haben die alte Ordnung verlassen. Es gibt nur noch ein Gesetz: Dass keiner über den anderen herrschen darf. Die sind jetzt zu jeder Zeit befreit. Mehr weiß ich nicht, mehr interessiert mich nicht.“ „Aber wenn ihr den Menschen nicht gehorchen müsst, warum sollt ihr mich dann zum Prozess bringen?“
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