250 Jahre Humboldt | 3½ Fragen an Björn Brembs | Dr. acad. Sommer: Too much work! | Free Speech

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
heute hat unser aller Bildungssäulenheiliger Geburtstag, Wilhelm von Humboldt. 250 wird er. Ob Sie ein Partyhütchen aufsetzen, bleibt Ihnen überlassen. (Wir tragen keines.) Oder wie Björn Brembs von der Uni Regensburg im Fragebogen heute sagt: „The road to hell is paved with good intentions.“ Und unser Dr. acad. Sommer weiß, wie man mit viel zu viel Arbeit am Lehrstuhl umgeht.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
250 Jahre Humboldt
Wir haben hier im Ressort immer wieder diskutiert: Was bedeutet Wilhelm von Humboldt heute noch? Warum klammern sich alle an diesen Namen? Was verraten die derzeit in Unis, Zeitungen, Konferenzen erbrachten Ehrerweisungen über die Universität der Gegenwart? Die Überschrift, die wir für unser dreiseitiges Humboldt-Spezial in der aktuellen ZEIT gewählt haben, verrät, wohin uns unsere Diskussion geführt hat: „Mach's gut!“, lautet sie. Oder anders: Tschüss, Willi. Es ist Zeit, schreibt Manuel J. Hartung, sich von einem Bildungsideal zu verabschieden, das mit der Realität an den Hochschulen einfach nicht mehr zusammenpasst. Der Bildungshistoriker Heinz-Elmar Tenorth zieht in einem Essay außerdem kritisch Bilanz eines Mythos. Und was folgt auf Humboldt? Die radikale Universität der Zukunft. Sieben Ideen, wie genau diese aussehen könnte, haben für uns Jutta Allmendinger, Mai Thi Nguyen-Kim, Louisa Reichstetter, Elisabeth von Thadden, Armin Nassehi, Vincent Zimmer und Konrad Paul Liessmann aufgeschrieben. – Trotzdem Happy Birthday, lieber Humboldt, gell, und nichts für ungut.
  
 
 
DEAL: Kein Verfahren des Bundeskartellamtes
Rückenwind für die Wissenschaft in Sachen DEAL. Das Bundeskartellamt hat entschieden, kein Verfahren gegen die geplanten Bundeslizenzen mit den großen Verlagen wie Elsevier einzuleiten. Eine entsprechende Beschwerde hatte der Börsenvereins des deutschen Buchhandels eingelegt – weil die Wissenschaft die Marktmacht beim Bezug elektronischer Zeitschriften ausspiele, so das Argument. HRK-Chef Horst Hippler, der die DEAL-Verhandlungen leitet, verlautete daher gestern mit entsprechendem Selbstbewusstsein: „Ich rufe die Verlage dazu auf, sich endlich ernsthaft mit den Forderungen der Wissenschaft auseinandersetzen, anstatt zu versuchen, die Verhandlungen zu verschleppen oder überholte Geschäftsmodelle durchzudrücken“. 

  
 
 
Berlin: Uneinigkeit über Fakultät der Theologien
Streit gibt’s in Berlin bekanntlich immer wegen irgendetwas. Aktueller Aufreger, der die Theologen aller Konfessionen ins Streitgespräch zwingt: die Frage, ob an der Humboldt Universität eine Fakultät der Theologien eingerichtet werden soll, mit katholischer, evangelischer, islamischer und jüdischer Theologie – nach Art der amerikanischen Divinity Schools. Unsere Kollegen der ZEIT-Beilage Christ & Welt begleiten diese Debatte seit einigen Wochen (10/2017 und 11/2017); auch in der SZ ist jetzt ein schönes Überblicksstück erschienen.
  
 
 
China geht gegen Fake-Publikationen vor
In China soll jetzt strenger gegen gefälschte Publikationen vorgegangen werden. Das Wissenschaftsministerium kündigte an, dass Gelder gestrichen würden, sobald jemand in eine Fälschung involviert sei; so berichtet Nature. Klar wird in diesem Artikel aber auch: Es sind nicht nur die einzelnen Forscherinnen und Forscher, die ihren Anteil an einem teils korrupten Publikationswesen haben: „Physicians in China are often pressured to publish, but are given little time or resources to do so. Jiang, too, is sympathetic, but says that such publications are aimed at personal advancement, rather than making a contribution to science. He says that although the authors cannot be excused, other factors are to blame, including an unreasonable evaluation system and academic journals that show insufficient diligence over peer review. 'It is not just the problem of the author, it is a societal problem,' says Jiang. 'Just punishing the author will not eradicate the problem.'“ 
  
 
 
Im Gespräch: Professor und Student
„Deutschland spricht“ lautete die Aktion, die sich unsere Kollegen und Kolleginnen von ZEIT Online ausgedacht haben. Die Idee: zwei Gesprächspartner, die sich nicht kennen und ganz unterschiedlicher Meinung sind – etwa zur Frage der Flüchtlings- oder Russlandpolitik – treffen aufeinander und diskutieren. Mit dabei: Detlef Fetchenhauer, Professor an der Uni Köln, und Tobias Pastoors, Student ebendort. Was aus den gegenseitigen Vorurteilen im Verlaufe des Gespräches wurde, lesen Sie hier.
  
 
 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
Personen
 
 
   
   
Neues Kabinett in Schleswig-Holstein
In Schleswig-Holstein formiert sich unter Daniel Günter (CDU) das neue Kabinett. Neue Ministerin für Bildung und Wissenschaft soll Karin Prien (CDU) werden, für das Staatssekretärsamt sind Dorit Stenke – bisherige Abteilungsleiterin – und Oliver Grundei – derzeit Kanzler der Universität Lübeck – vorgesehen. (NDR)

Grothus leitet ACA
Neuer Zusatz-Job für Ulrich Grothus, den stellvertretenden Generalsekretär des DAAD: Zum 1. Januar 2018 wird er neuer Präsident der Academic Cooperation Association (ACA), die sich für die Zusammenarbeit europäischer Wissenschaftssysteme einsetzt und in Brüssel ansässig ist. Er folgt in dieser Stelle auf Sijbolt Noorda.

Ars legendi-Fakultätenpreis
Katharina Anna Zweig erhält den diesjährigen Ars legendi-Fakultätenpreis für exzellente Lehre in den Ingenieurswissenschaften und der Informatik. Die Informatik-Professorin lehrt an der TU Kaiserslautern und wird für ihren „Enthusiasmus“, mit dem sie unterrichte und zudem den bundesweit ersten Studiengang „Sozioinformatik“ eingerichtet habe. Verliehen wird der Preis vom Dachverein der Fakultätentage der Ingenieurwissenschaften und der Informatik an Universitäten e.V. (4ING) sowie vom Stifterverband; er ist mit 25.000 Euro dotiert.

Causa Baberowski
Der HU-Historiker Jörg Baberowski und die Frage seiner politischen Gesinnung unterliegt weiterhin unterschiedlichen Deutungen. In der Stuttgarter Zeitung erhält Baberowski Rückenwind von Götz Aly, der schreibt: „Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen vergisst er nicht, was seine Standesbezeichnung „Professor“ bedeutet: Bekenner.“ Im Tagesspiegel meint dagegen Wolfgang Benz: „Interessanter als Person und Oeuvre des populistischen Historikers an der Exzellenz-Universität ist die Frage, welcher Schaden durch das öffentliche Wirken vermittels Meinungsäußerung entsteht. Diese erhält durch den Status ihres Urhebers Gewicht als Expertise, als „wissenschaftlich erwiesene“ Wahrheit, obwohl es sich nur um höchst private, aber in bedeutender Pose vorgetragene Emotionen handelt, deren Resonanzraum auf den Stammtisch beschränkt bleiben sollte.“

Job: Humboldt Forum
Behagt Ihnen unser aktueller Humboldt-Schwerpunkt in den CHANCEN nicht, weil Sie Wilhelm und Alexander unantastbar finden? Sofern Sie außerdem etwas von Kunstgeschichte und Museumskulturen verstehen, dann wäre das hier womöglich Ihr Traumjob: Direktorin für die Sammlungen im Humboldt Forum (m/w). Details zur Ausschreibung in unserem ZEIT-Stellenmarkt!
   
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Prof. Dr. Björn Brembs

Professor für Neurogenetik an der Universität Regensburg
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Dass das Ringen um eine evidenzbasierte Wissenschaftspolitik schwerer ist, als man erwarten würde. Das wurde mir auf einer Veranstaltung in München vor anderthalb Jahren klar. Dort wurden Führungspersönlichkeiten von Organisationen wie Wissenschaftsrat, DFG, Leibniz, Max Planck, etc., aber auch diversen Bildungspolitikern, die neuesten Daten zum Hochschulstandort Deutschland präsentiert. Die Nonchalance und teilweise öffentlich zur Schau gestellte Verachtung von Daten, die der eigenen Auffassung widersprechen, stand den größtenteils Ex-Wissenschaftlern in diesen Positionen nicht gut zu Gesicht und wurde weder von den Veranstaltern noch vom Auditorium goutiert.

Welches wissenschaftspolitisches Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Ohne netto Mehrausgaben ließen sich alle unsere Probleme der digitalen Infrastruktur lösen. Dazu müsste man, wie derzeit an ca. 60 Deutschen Institutionen am Beispiel von Elsevier in einer bislang sehr erfolgreichen Probephase getestet, alle Fachzeitschriften-Abonnements auslaufen lassen. Weltweit fressen herkömmliche Verlage pro Jahr ~10Mrd € öffentlicher Mittel. Moderne Dienstleister (SciELO, Ubiquity, Scholastica, etc.) erbringen nun schon seit vielen Jahren identische Publikationsdienstleistungen für weniger als 10% dieses Preises. Mit den verbleibenden 9 Mrd. € ließe sich über Infrastrukturlösungen im Bereich von Forschungsdaten und wissenschaftlichem Quellcode der Reproduktionskrise und "alternativen Fakten" zu Leibe rücken.

Lektüre muss sein. Welche?
Neil Gaiman – für gehobenen Eskapismus.
Wissenschaftspodcasts – Lesen mit den Ohren.

Und sonst so?
The road to hell is paved with good intentions – ob es das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist, oder die DEAL-Bemühungen, veraltete Konzerne zur Aufgabe ihres Geschäftsmodells zu zwingen. Beide gehen mit desaströsen Konsequenzen einher, die zeigen, dass für beide Problembereiche grundlegende Neuansätze gefordert sind, statt nur Reförmchen bestehender Strukturen.
   
   
 
 
   
 
 
   
 
   
   
 
Dr. acad. Sommer
 
 
   
Lieber Dr. acad. Sommer,
Ich vertrete eine Professur in den Geisteswissenschaften. Nach meinen Einschätzungen werde ich 40 bis 50 BA- und MA-Arbeiten pro Semester betreuen müssen. Meines Erachtens ist das zeitlich nicht zu schaffen, zumal mein Mitarbeiter noch nicht promoviert ist und keine Betreuungsaufgaben übernehmen darf. Wen spreche ich darauf an – den Dekan? Wo könnte eine Obergrenze der zu betreuenden Abschlussarbeiten verankert sein? Ich fürchte meine professoralen Kollegen im Institut werden mich nicht entlasten wollen.


Liebe/-r X,
leider klingt das ziemlich realistisch: 40 bis 50 Abschlussarbeiten pro Semester zu betreuen, das ist zeitlich nicht zu schaffen, wenn „Betreuung“ mehr als „Entgegennehmen, Durchlesen (lassen) und Benoten“ bedeuten soll. Gleichzeitig sind Sie „nur“ die Vertretung einer Professur, haben daher kein festes Standing im Kollegium und können (noch, falls cum spe) nicht damit „drohen“, dass man noch Jahrzehnte mit Ihnen auskommen muss und Sie daher fair behandeln sollte. Das lädt dazu ein, viele, manchmal zu viele Aufgaben angeboten zu bekommen – und anzunehmen. Denken Sie an folgendes:
Datenerhebung: Wie viele Bachelor- und Masterarbeiten werden laut Prüfungsamt pro Semester in Ihrem Institut absolviert? Teilen Sie dies durch die Anzahl der Hauptamtlichen mit „Erstbetreuungsbefugnis“, und Sie kennen den Durchschnittswert, sozusagen das Soll.
Ermitteln Sie, am besten durch direkte Kontaktaufnahme, wie viele Arbeiten diejenige Person betreut hat, die Sie nun vertreten. Waren es deutlich weniger als 40, sollten Sie im Kollegium freundlich, aber unmissverständlich nachfragen, wie es zu dieser Steigerung kommt und warum man gerade Ihnen zutraut, deutlich mehr zu übernehmen.
Trennen Sie klar zwischen Erst- und Zweitbetreuungen. Letztere sind in der Tat häufig „en passant“ zu erledigen. Schließen Sie sich den geltenden Bewertungsmaßstäben an: Wie machen es die anderen?
Eine verbindliche Obergrenze für die Betreuung gibt es nicht, „zu viel“ ist undefiniert. Aber schauen Sie in die W-Besoldungs-Richtlinien Ihrer Hochschule, Stichwort „Leistungszulagen“: Dort könnte immerhin definiert sein, ab wie vielen Abschlussarbeiten pro Semester jemand Anspruch auf eine Leistungszulage hat (bzw. hätte). Wenn Sie mich fragen: 40 bis 50 pro Semester klingt ausgesprochen zulagenverdächtig...
Viele Prüfungsordnungen sehen durchaus vor, dass auch nicht-promovierte Lehrende betreuen dürfen, ggf. nach formaler Genehmigung durch die Fachbereichsleitung. Da Betreuung in Maßen Freude bereitet, dürfte es vermittelbar sein, einen Teil der Abschlussarbeiten an Ihren Mitarbeiter zu delegieren.
Versuchen Sie, so viel Betreuung wie möglich auf „Peer-Niveau“ zu bringen, d.h. dass Studierende gegenseitig Exposés lesen und kritisieren, Stärken und Schwächen ihrer Konzepte benennen, einander kritische Fragen stellen, Projektpläne durchsehen und Hindernisse diskutieren. Führen Sie ein Bachelor- und Masterkolloquium ein, bei dem die Basics schon in der Gruppe geklärt werden, statt zeitraubend in Ihren Einzelsprechstunden oder per E-Mail. Geben Sie so viel Verantwortung wie möglich in die Hände der Studierenden selbst.
Wie viele Arbeiten am Ende auch immer bei Ihnen auf dem Schreibtisch landen: Nehmen Sie sich vor, diese „Betreuung am Fließband“ als Lernerfahrung zu nutzen und auf dieser Basis Ihre persönliche „Charta der Betreuung“ zu verfassen: Was sind Ihre Standards bei Abschlussarbeiten, was kann ein Student oder eine Studentin von Ihnen als Betreuer/-in erwarten, was kann Team geleistet werden? Viel Erfolg – und starke Nerven!

Dr. Boris Schmidt, Berlin, arbeitet seit 2001 als Coach, Berater und Mediator mit den Schwerpunkten Hochschule und öffentlicher Dienst. Er schreibt für das Coachingnetz Wissenschaft als „Dr. acad. Sommer“. Kontakt: www.thema31.de und www.coachingnetz-wissenschaft.de
   
   
Auch eine Frage an Dr. acad. Sommer? Schreiben Sie an chancen-brief@zeit.de, twittern Sie unter #ChancenBrief – oder hinterlassen Sie uns in diesem Kontaktfomular anonym Ihre Frage!
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Mach’s gut! Wilhelm von Humboldt wird 250. Zeit, sich von seinem Bildungsideal zu verabschieden und die Universitäten neu zu erfinden

Die Vergötterung Wilhelm von Humboldt wird seit je missverstanden. Kritische Bilanz eines Mythos, von Heinz-Elmar Tenorth Und jetzt? Was Neues! Humboldt ist tot! Sieben Ideen, wie die Universität der Zukunft aussehen könnte Der lange Weg nach Digitalien
Nur ein Prozent der Schüler nutzt Computer im Unterricht »Es wurde gevögelt, dass es rauchte« Günter Prinz war Chefredakteur der »Bild«-Zeitung in den bewegten Jahren nach 1968. Ein Gespräch über Doppelmoral, Terror – und linke Studenten, die er für verrückt hielt Mein Vater, der Sympathisant aus Vietnam Plötzlich revolutionär. Wie mein Vater in Westdeutschland sich neu politisierte

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c.t.
 
 
   
 
Free Speech? Nicht an dieser Schule. Diesem Schulsprecher wurde das Mikrofon abgedreht, als er sich kritisch über den Umgang mit den schulischen Vertretern äußerte. 

Quelle: Washington Post
 
 
 
 
 
 
 
 
   
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Ihr CHANCEN-Team


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