Der Schock sitzt tief. Alle amerikanischen Präsidenten der letzten 70 Jahre haben sich bemüht, den Westen zusammenzuhalten. Sie haben an einer Weltordnung gearbeitet, die den Völkern Frieden und Wohlstand bringen und auch den armen Ländern die Chance des Aufstiegs bieten sollte. Alledem kehrt Donald Trump den Rücken. Er geht Autokraten wie dem saudischen König und dem ägyptischen Generalspräsidenten Al-Sissi um den Bart und hat für die Nato-Verbündeten nur gerichtsvollzieherhafte Kritik übrig. Seine Sicherheits-und Wirtschaftsberater H. R. McMaster und Gary Cohn bringen seine krude Ideologie auf den Hobbesschen Punkt: "Die Welt ist keine 'globale Gemeinschaft', sondern eine Arena, in der Nationen, Nichtregierungsakteure und Wirtschaftsunternehmen sich engagieren und miteinander wetteifern, um ihren Vorteil zu sichern." Es geht also nur noch um knallharte Macht- und Profitinteressen. Das gilt auch und gerade in der Handelspolitik. Vom Freihandel rückt Trump ebenso ab wie von der Bündnissolidarität in der Atlantischen Allianz und der weltweiten Gemeinsamkeit im Kampf gegen den Klimawandel. Man tut wohl gut daran, sich darauf vorzubereiten, dass er den Hamburger G20-Gipfel ebenso rüde sprengen wird wie das G7-Treffen in Taormina. Donald Trump – das ist die Absage an internationale Zusammenarbeit und, bei Lichte betrachtet, an die westliche Wertegemeinschaft. Die Frage ist: Was soll nun aus der Welt werden, wenn Trumps Amerika sich in sein Schneckenhaus der Selbstsucht zurückzieht? Eine Reaktion ist: Jetzt eben ohne die Amerikaner, Schluss mit der transatlantischen Allianz. Ich halte dies für falsch. Trump ist nicht Amerika, nicht einmal das halbe Amerika. Die Institutionen der ältesten modernen Demokratie des Westens – die Justiz, die freien Medien, der Kongress – werden verhindern, dass er alles in Scherben schlägt. Und seine Wähler werden ihn kreuzigen, sobald sie merken, dass er mit seinem Plutokraten-Kabinett den Reichen noch mehr Reichtum zuschanzt, ohne ihnen jedoch die versprochenen Jobs zu schaffen. Es wird eine Zeit nach Trump geben – im schlimmsten Fall nach acht Jahren, doch wenn die Welt Glück hat, vielleicht schon nach acht Monaten. Bis dahin sollten wir gefasst durchhalten. Die historisch gewachsenen Bindungen Europas an Amerika werden sich dann wieder fruchtbar machen lassen – vor allem, wenn wir Europäer bis dahin gelernt haben, "unser Schicksal wirklich in unsere eigenen Hand zu nehmen" (Angela Merkel). Wobei eines allerdings nicht verkannt werden darf: Für die Nato gibt es keinen Ersatz, solange das Atomarsenal der USA die Überlebensgarantie für Europa ist. Ob die französische force de frappe im Rahmen einer entstehenden europäischen Armee es je wird ersetzen können, steht sehr dahin. Die Partnerschaft hat Haken Eine andere Reaktion läuft daraus hinaus, neue Partner für Europa zu suchen: China oder Indien. Da ist freilich höchste Skepsis angebracht. Beide können wohl, um das Wort der Kanzlerin aufzugreifen, "ein Stück weit" Partner sein oder werden, doch jede Partnerschaft mit ihnen hat ihre Grenzen. Es war ein zeitlicher Zufall, dass der indische Premierminister Narendra Modi und der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang beide ausgerechnet nach dem Fiasko von Taormina und in der Woche von Trumps Aufkündigung des Pariser Klimaabkommens nach Europa kamen. Die Idee, dass die Bundeskanzlerin in ihnen neue Freunde anstelle der Amerikaner finden könne, geisterte durch manchen Leitartikel. Aber sowohl in Berlin als auch in Brüssel zeigte sich: Die Sache hat ein paar Haken. Es ist richtig: Der Aufstieg der beiden Milliardenvölker verändert die Welt. China wurde 1978 von Deng Xiaoping in die Öffnung zur Welt und die Abkehr von der kommunistischen Kommandowirtschaft gestoßen; 1991 begann Manmohan Singh die Reform und Modernisierung Indiens. In der Lebensspanne einer einzigen Generation verdreihundertfachte sich das chinesische Bruttoinlandsprodukt auf heute 12.000 Milliarden Dollar. Inzwischen ist die Volksrepublik die größte Handelsmacht der Erde, ihr Anteil am Welthandel beträgt fast 13 Prozent; bald wird sie die größte Volkswirtschaft sein. Den Chinesen folgt in großem Abstand Indien, dessen BIP auf rund 2.000 Milliarden Dollar angewachsen ist; sein Anteil am Welthandel ist aber über 2 Prozent noch nicht hinausgediehen. Das deutsch-chinesische Handelsvolumen lag 2016 bei 170 Milliarden Euro, das deutsch-indische bei gerade einmal 17 Milliarden. Chinas Expansionsstrategie ist ein Problem Doch selbst auf dem Felde der Wirtschaft ist das Verhältnis zu beiden Ländern in vielfacherweise problembeladen. Mangel an Rechtssicherheit, schwerfällige, oft unberechenbare Bürokratie, Korruption und teils schikanöse Investitionshindernisse machen der deutschen Wirtschaft das Leben schwer. In Indien kommt eine völlig unzureichende Infrastruktur hinzu, in China die undurchsichtige Staatsfinanzierung der Unternehmen und der Zwang, chinesische Firmen zu beteiligen und ihnen deutsche Technologie auszuliefern. Die Verhandlungen der EU mit Indien über einen Freihandelsvertrag kommen seit Jahren nicht voran; die Differenzen konnten auch in der vergangenen Woche nicht überwunden werden. In Brüssel scheiterte ein Investitionsabkommen mit China, weil die EU sich aus guten Gründen weiterhin weigert, die Volksrepublik als Marktwirtschaft anzuerkennen. Die Regierung in Peking gibt sich zwar als Vorkämpfer des internationalen Freihandels, bleibt dabei jedoch im eigenen Land vieles schuldig. Außerdem ist auch ihre Klimaschutzpolitik zweischneidig, denn sie exportiert veraltete Kohlekraftwerke in alle Welt. Und dann sind da natürlich fundamentale Unterschiede und Gegensätze. Indien wird man nach wie vor zur demokratischen Wertegemeinschaft rechnen dürfen, obwohl die gewalttätigen Instinkte der hindu-nationalistischen Bewegung manche Besorgnis rechtfertigen. Seine Außenpolitik muss uns kein Kopfzerbrechen bereiten, denn es hat so gut wie keine – jedenfalls keine, die weit über die Region hinausreicht. Anders China. Es gehört nicht zu unserer Wertegemeinschaft, und seine Außenpolitik ist recht kritisch zu sehen, insbesondere die imperial-expansionistische Strategie im Südchinesischen und im Ostchinesischen Meer. Aber auch Pekings Seidenstraßenprojekt, das einen wirtschaftlichen Entwicklungskorridor von Asien bis Europa und Afrika ausbauen soll, ist nicht unbedingt harmlos. Damit reklamieren die Chinesen eine Einflusszone für sich, in der es nicht nur um Seide und Gewürze oder Fernstraßen und Eisenbahnlinien geht, sondern um dominierende Gestaltungsmacht. Wie gesagt: Begrenzte Partnerschaft mit China ist möglich. Es kann "ein Stück weit" Partner sein. Ein Stück weit wird es Konkurrent bleiben. Ein Stück weit könnte es freilich auch zum Gegner werden. Da sollten wir uns nichts vormachen. |
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